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Prepper in Deutschland
Immer bereit für die nächste Katastrophe

Sie horten Lebensmittel, bauen Schutzräume oder machen Schießübungen: Sogenannte Prepper wollen vorbereitet sein auf tagelange Stromausfälle oder eine Pandemie. Warum werden Menschen zu Preppern? Der Sozialwissenschaftler Mischa Luy meint: Dahinter steckt mehr als nur die Angst vor der Katastrophe.

Mischa Luy im Gespräch mit Lennart Pyritz |
Teilnehmende eines Survivalkurses entfachen ein Feuer
Teilnehmer eines Survivalkurses entfachen ein Feuer (picture alliance / dpa / Christoph Schmidt)
Was sind Prepper?
Die Bezeichnung Prepper ist abgeleitet vom englischen Wort "prepare" für "sich vorbereiten" und meint eine Praxis, bei der sich Menschen gezielt auf das Eintreten einer wie auch immer gearteten Katastrophe oder Krise vorbereiten. Diese Vorbereitungsmaßnahmen können ganz unterschiedlich ausfallen, sagt der Sozialwissenschaftler Mischa Luy, der das Phänomen in seiner Doktorarbeit an der Ruhr-Universität Bochum untersucht: "Das reicht vom Einüben von Techniken über das Anlegen von Vorräten bis hin zur Anschaffung von aufwendigen technischen Anlagen wie zum Beispiel Wasserfilteranlagen, Generatoren oder sogar Bewaffnung." Aber nicht jeder, der sich auf eine mögliche Notsituation vorbereitet, sieht sich als Prepper und ist als Teil einer Szene. Prepper ist auch eine Eigenbezeichnung.
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Seit wann gibt es Prepper?
Der Begriff selbst tauchte am Beginn der 2000er-Jahre zum ersten Mal auf, als man wegen des sogenannten Jahr-2000-Problems (Y2K-Bug) befürchtete, dass Computer den Jahrtausendwechsel nicht verkraften würden. Die Angst vor einer dadurch ausgelösten großen Katastrophe brachte eine breite Bevölkerungsschicht dazu, sich auf eine mögliche Krise vorzubereiten.
Die Wurzeln der Prepper-Bewegung reichen aber weiter zurück. Es gibt den älteren Begriff des "Survivalism" in den USA, der dort wegen seiner Nähe zu Rechtsterroristen und Verschwörungsmythen einen negativen Touch hat. Davon wollten sich die frühen Prepper abgrenzen, erklärt Luy.
Schon in der Kolonialzeit schrieben Fernreisende Handbücher, wie man mit der fremden Flora und Fauna überlebt: "Dieses Wissen wurde zurückgebracht in die Alte Welt und fand da Einzug zum Beispiel in die militärische Ausbildung", so Luy.
Auch die Angst von einem atomaren Holocaust im Kalten Krieg steht in dieser Reihe, als sich Privatleute im Garten Bunker angelegt und Vorräte eingelagert haben. "Das hat eine lange Tradition, aber diese Leute haben sich natürlich nicht als Survivalisten oder Prepper gesehen", sagt Luy.
Was weiß die Forschung über Prepper in Deutschland?
Während es in den USA schon seit den 70er-Jahren Forschung zu Survivalism gibt, ist das Thema in Deutschland kaum empirisch untersucht. Deshalb gebe es auch kaum gesicherte Zahlen, wie viele Menschen sich der Prepper-Szene zugehörig fühlen, sagt Luy: "Die Datenlage ist dünn. Es gibt Schätzungen, da kursieren Zahlen von bis zu 200.000 Menschen in Deutschland."
Mischa Luy kann zum Glück mit kleinen Datenmengen arbeiten, weil seine Doktorarbeit im Bereich der qualitativen Sozialforschung angesiedelt ist: "Ich habe mich in verschiedenen Prepper-Facebook-Gruppen und -foren umgeschaut und habe Interviewpartner*innen akquirieren können, die mit mir reden wollten."
Mit 14 Preppern hat der Sozialpsychologe von der Ruhr-Uni biografisch narrative Interviews geführt, um grundlegend zu verstehen: Warum werden Menschen zu Preppern? "Mir geht es darum, zu rekonstruieren, was für handlungsanleitende Sinn- und Bedeutungsstrukturen hinter dem Preppen stecken, um am Ende vielleicht auch Arten von Typologien zu bilden und Idealtypen, die es dort gibt."
Noch ist Luys Doktorarbeit nicht abgeschlossen. Schon jetzt zeichnen sich aber Faktoren ab, warum Menschen zu Preppern werden. So kann die familiäre Sozialisation eine Rolle spielen, wenn es zum Beispiel bei Eltern oder Großeltern eine gewohnheitsmäßige Lagerhaltung gab. Auch weitergereichte Mangel-Erfahrungen etwa der Kriegsgeneration spielen eine Rolle.
Bei vielen Preppern finde sich ein gesteigertes individuelles Sicherheitsbedürfnis, sagt Luy, verbunden mit dem Wunsch nach konstanter Handlungsmacht, die man irgendwie beibehalten wolle: "Das geht zum Teil zusammen mit pessimistischen Zeitdiagnosen und einem Gefühl dafür, dass wir in unsicherer gewordenen Zeiten leben und dass die Gesellschaft sehr vulnerabel geworden ist. Dagegen will man sich wappnen."
Berufliche Werdegänge etwa im Militär oder Sicherheitsbereich können die Affinität zum Preppen beeinflussen. Bei anderen haben konkrete biografische Erfahrungen dazu geführt, dass sie zu preppen anfingen: erlebte Stromausfälle, eingeschneit zu sein auf der Autobahn, Auslandseinsätze oder erlebte Terroranschläge. "Es spielen aber auch kollektive Krisenerfahrungen mit rein", so Muy. "Islamistische Terroranschläge, die wir alle Fernsehen gesehen haben, Wirtschaftskrisen oder zuletzt die Corona-Pandemie."
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Wie bereiten sich Prepper auf befürchtete Katastrophen und Krisen vor?
Ein immer wiederkehrendes Szenario beim Preppen ist der Stromausfall, auch wegen des Roman-Bestsellers "Blackout" von 2012. Viele Prepper bereiten sich technisch aufwendig darauf vor, besorgen sich Stromgeneratoren und alternative Wärmequellen, legen Vorräte an. "All das wird zu Hause aufgebaut, um eine bestimmte Durststrecke überleben zu können, bis der Status quo wieder hergestellt ist", erklärt Luy. Andere haben immer einen Campingkocher und Nahrungsmittel im Auto, falls sie auf der Autobahn einschneien. "Das wird dann wirklich rund um die Uhr im Auto gelassen, um immer bereit zu sein", so Luy.
Gibt es Überschneidungen der Prepper-Szene mit rechten Gruppierungen und der Querdenken-Bewegung?
Im Zuge der Corona-Pandemie hat die Prepper-Szene viel Zulauf gefunden. Leere Einkaufsregale, ausverkauftes Toilettenpapier - da war sie nun, die weltweite Krise. "Es war für viele Prepper auch eine Bestätigung", sagt Mischa Luy. "Man fühlte sich vorher oft belächelt, kriminalisiert bis hin zu pathologisiert von der Mehrheitsgesellschaft. Hier war so ein Moment, wo man gesagt hat: Wir hatten doch recht. So sicher ist alles gar nicht."
Überschneidungen der Prepper-Szene mit rechten Gruppen gebe es an den Rändern tatsächlich, sagt der Sozialforscher Mischa Luy: "Ich denke, das hängt vor allem damit zusammen, dass es bei allen ein ganz tief gehendes Misstrauen gibt gegenüber staatlichen Institutionen, gegenüber Politik, gegenüber Eliten. Das heißt, da ist ein Anknüpfungspunkt für Verschwörungsdenken, das ist auch ein Anknüpfungspunkt für Menschen in der Querdenker-Bewegung - und das ist aber auch ein Anknüpfungspunkt für Prepper." Prepper mit gefestigtem rechten Weltbild zielten auf einen Zustand der Autarkie und wollten sich unabhängig machen von staatlichen Institutionen, denen sie nicht vertrauen oder die sie sogar ablehnen.