Christoph Heinemann: Zuversicht ist erste Ministerpflicht. Wolfgang Tiefensee (SPD) will die Deutsche Bahn mit der Teilprivatisierung für den europäischen Wettbewerb aufs richtige Gleis setzen. Eine stärkere Bahn werde benötigt und dafür eben privates Kapital, meint der Bundesverkehrsminister. Und er sagte dies bei der ersten Lesung des Gesetzes zur Bahnprivatisierung im Bundestag. Nach den Plänen der Bundesregierung soll der Bund zwar juristischer Eigentümer des Schienennetzes bleiben; der Konzern übernähme jedoch für zunächst 15 bis 18 Jahre die Bewirtschaftung und könnte auch Trassenentgelte für andere Bahnbetreiber festlegen. (
M3-Audio
, Bericht von Gerhard Irmler)
Am Telefon ist Karl-Peter Naumann, der Vorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Guten Tag!
Karl-Peter Naumann: Schönen guten Tag!
Heinemann: Herr Naumann, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee sagt, wir behalten den Hut auf und locken privates Kapital an, mit dem wir wichtige Investitionen bezahlen können. Was kann man sich Besseres wünschen?
Naumann: Man kann sich das wünschen, dass das private Kapital dorthin fließt, wo wir es wirklich brauchen, und dass wir staatliches Kapital dorthin lenken, wo wir es vorausschauend brauchen.
Heinemann: Und daran haben Sie Zweifel?
Naumann: Privates Kapital wird immer dorthin gehen, wo man schnelle Renditen findet. Das ist normal, und das ist auch korrekt so. Deswegen ist es sicherlich sinnvoll, wenn privates Kapital in Schienenverkehrsunternehmen fließt. Aber Schieneninfrastruktur ist eben etwas, was unter ganz anderen Aspekten zu sehen ist. Dazu gehört eben auch eine Regionalentwicklung. Dazu gehört vorausschauende Industriepolitik zum Teil ohne unmittelbare Renditen oder auch so, dass Renditen aus ganz anderen Teilen des Netzes dann erwirtschaftet werden.
Heinemann: Gleichwohl sind Sie nicht vollständig gegen die Privatisierung?
Naumann: Wir sind sehr dafür, dass der Verkehrsbereich der Deutschen Bahn privatisiert wird, dass dort über Wettbewerb das Angebot, die Qualität und die Preise verbessert werden. Das hat sich ja im Regionalverkehr und im Güterverkehr zum Teil auch gezeigt. Aber es muss natürlich auch einen diskriminierungsfreien Zugang zum Netz geben, und den können sie nur dann erreichen, wenn das Unternehmen oder die Stelle, die die Trassen auf dem Netz vergibt, auch wirklich neutral und unabhängig ist.
Heinemann: Herr Naumann, Wolfgang Tiefensee hat heute früh im Deutschlandfunknoch einmal bekräftigt, dass das Schienennetz der Bahn im Eigentum des Bundes bleiben werde. Kein Investor hat Zugriff auf die Schiene. Das Netz bleibt in der Hand des Volkes. Also: Heuschrecken müssen draußen bleiben.
Naumann: Schön, wenn die Heuschrecken draußen bleiben, aber andere Investoren da sind und eine schnelle Rendite sehen wollen, dann ist eben zu befürchten, dass im Regionalnetz Strecken stillgelegt werden. Es gibt ja auch ein Gutachten, das dieses belegt, das sagt, dass bis zu 10.000 Kilometer regionale Strecken stillgelegt werden könnten.
Heinemann: Aber es gibt doch gerade im Regionalbereich auch jetzt schon private Bahnbetreiber. Die sind doch nicht alle schlecht?
Naumann: Das sind Verkehrsunternehmen. Die fahren auf dem Netz, das der Deutschen Bahn gehört. Wenn es dort Probleme gibt bei den neuen Betreibern, dann sind das in der Regel Probleme mit dem Netz der Deutschen Bahn.
Heinemann: In welcher Gestalt?
Naumann: Dass das Netz nicht anständig vorgehalten wird, dass zusätzliche Langsamfahrstellen kommen. Das heißt, die Züge können dann nicht mehr pünktlich fahren. Diese Langsamfahrstellen werden nur sehr zögerlich beseitigt. Bauarbeiten werden zu spät angekündigt. Gerade in diesem Punkt hat es jüngst ein Gerichtsurteil gegeben, das festgestellt hat, dass DB-Netz die private Bahn zu spät informiert hat.
Heinemann: Herr Naumann, die Unionsbundestagsfraktion hat vorgeschlagen, der Bund solle das Recht erhalten, Entscheidungen über Infrastrukturinvestitionen der Bahn notfalls auch gegen das Unternehmen durchsetzen zu können. Könnten Sie mit dieser Regelung leben?
Naumann: Das wäre eine ganz wichtige Mindestvoraussetzung dafür, dass man sich auch private Investoren im Netz vorstellen könnte. Sinnvoller wäre es allerdings noch, wenn das Netz vollständig in staatlicher Verantwortung wäre, aber die Leistungen im Netz, der Betrieb des Netzes, all das kann man kontrolliert ausschreiben, so wie wir auch die Verkehrsleistungen im Regionalverkehr ausschreiben.
Heinemann: Was halten Sie von der Idee einer Volksaktie?
Naumann: Na ja, es ist besser wie nichts. Aber der große Renner ist das sicherlich auch nicht. Auch da gibt es einen Renditedruck, und ob Netz, ob Infrastruktur überhaupt Rendite abwerfen kann, ist die große Frage. Wir müssen uns nur zwei große Infrastrukturprojekte der Straße anschauen, die in Deutschland privat finanziert worden sind. Das ist der Herrentunnel in Lübeck, und das ist der Warnowtunnel in Rostock. Beide sind hoch defizitär. Trotzdem sind sie verkehrlich sinnvoll.
Heinemann: Wie schätzen Sie es ein? Werden die Tiefensee'schen Pläne Gesetz werden?
Naumann: Ich bin da relativ skeptisch, weil es auch an der SPD-Parteibasis brodelt. Und die CDU war ja zumindest nach innen hin noch nie ein großer Befürworter dieser Pläne.
Heinemann: Ein Wort vielleicht noch zum Tarifstreit bei der Bahn. Rechnen Sie mit Streiks?
Naumann: Ich fürchte, dass es irgendwann zu vereinzelten Streiks kommen wird. Das ist bedauerlich, aber vermutlich unvermeidbar, wenn die drei Gewerkschaften nicht gewillt sind, sich miteinander zu verständigen.
Heinemann: Und Sie sehen da keine Kompromissmöglichkeit?
Naumann: Kompromissmöglichkeiten hatten die Moderatoren ja schon vorgeschlagen. Und ich denke, das waren auch sehr vernünftige Möglichkeiten. Nur muss man jetzt diese Kompromisse auch mit Inhalt und mit Leben füllen.
Heinemann: Bis jetzt fahren da mehrere Züge aufeinander zu?
Naumann: So ist es!
Heinemann: Karl-Peter Naumann, der Vorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Naumann: Auf Wiederhören.
Am Telefon ist Karl-Peter Naumann, der Vorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Guten Tag!
Karl-Peter Naumann: Schönen guten Tag!
Heinemann: Herr Naumann, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee sagt, wir behalten den Hut auf und locken privates Kapital an, mit dem wir wichtige Investitionen bezahlen können. Was kann man sich Besseres wünschen?
Naumann: Man kann sich das wünschen, dass das private Kapital dorthin fließt, wo wir es wirklich brauchen, und dass wir staatliches Kapital dorthin lenken, wo wir es vorausschauend brauchen.
Heinemann: Und daran haben Sie Zweifel?
Naumann: Privates Kapital wird immer dorthin gehen, wo man schnelle Renditen findet. Das ist normal, und das ist auch korrekt so. Deswegen ist es sicherlich sinnvoll, wenn privates Kapital in Schienenverkehrsunternehmen fließt. Aber Schieneninfrastruktur ist eben etwas, was unter ganz anderen Aspekten zu sehen ist. Dazu gehört eben auch eine Regionalentwicklung. Dazu gehört vorausschauende Industriepolitik zum Teil ohne unmittelbare Renditen oder auch so, dass Renditen aus ganz anderen Teilen des Netzes dann erwirtschaftet werden.
Heinemann: Gleichwohl sind Sie nicht vollständig gegen die Privatisierung?
Naumann: Wir sind sehr dafür, dass der Verkehrsbereich der Deutschen Bahn privatisiert wird, dass dort über Wettbewerb das Angebot, die Qualität und die Preise verbessert werden. Das hat sich ja im Regionalverkehr und im Güterverkehr zum Teil auch gezeigt. Aber es muss natürlich auch einen diskriminierungsfreien Zugang zum Netz geben, und den können sie nur dann erreichen, wenn das Unternehmen oder die Stelle, die die Trassen auf dem Netz vergibt, auch wirklich neutral und unabhängig ist.
Heinemann: Herr Naumann, Wolfgang Tiefensee hat heute früh im Deutschlandfunknoch einmal bekräftigt, dass das Schienennetz der Bahn im Eigentum des Bundes bleiben werde. Kein Investor hat Zugriff auf die Schiene. Das Netz bleibt in der Hand des Volkes. Also: Heuschrecken müssen draußen bleiben.
Naumann: Schön, wenn die Heuschrecken draußen bleiben, aber andere Investoren da sind und eine schnelle Rendite sehen wollen, dann ist eben zu befürchten, dass im Regionalnetz Strecken stillgelegt werden. Es gibt ja auch ein Gutachten, das dieses belegt, das sagt, dass bis zu 10.000 Kilometer regionale Strecken stillgelegt werden könnten.
Heinemann: Aber es gibt doch gerade im Regionalbereich auch jetzt schon private Bahnbetreiber. Die sind doch nicht alle schlecht?
Naumann: Das sind Verkehrsunternehmen. Die fahren auf dem Netz, das der Deutschen Bahn gehört. Wenn es dort Probleme gibt bei den neuen Betreibern, dann sind das in der Regel Probleme mit dem Netz der Deutschen Bahn.
Heinemann: In welcher Gestalt?
Naumann: Dass das Netz nicht anständig vorgehalten wird, dass zusätzliche Langsamfahrstellen kommen. Das heißt, die Züge können dann nicht mehr pünktlich fahren. Diese Langsamfahrstellen werden nur sehr zögerlich beseitigt. Bauarbeiten werden zu spät angekündigt. Gerade in diesem Punkt hat es jüngst ein Gerichtsurteil gegeben, das festgestellt hat, dass DB-Netz die private Bahn zu spät informiert hat.
Heinemann: Herr Naumann, die Unionsbundestagsfraktion hat vorgeschlagen, der Bund solle das Recht erhalten, Entscheidungen über Infrastrukturinvestitionen der Bahn notfalls auch gegen das Unternehmen durchsetzen zu können. Könnten Sie mit dieser Regelung leben?
Naumann: Das wäre eine ganz wichtige Mindestvoraussetzung dafür, dass man sich auch private Investoren im Netz vorstellen könnte. Sinnvoller wäre es allerdings noch, wenn das Netz vollständig in staatlicher Verantwortung wäre, aber die Leistungen im Netz, der Betrieb des Netzes, all das kann man kontrolliert ausschreiben, so wie wir auch die Verkehrsleistungen im Regionalverkehr ausschreiben.
Heinemann: Was halten Sie von der Idee einer Volksaktie?
Naumann: Na ja, es ist besser wie nichts. Aber der große Renner ist das sicherlich auch nicht. Auch da gibt es einen Renditedruck, und ob Netz, ob Infrastruktur überhaupt Rendite abwerfen kann, ist die große Frage. Wir müssen uns nur zwei große Infrastrukturprojekte der Straße anschauen, die in Deutschland privat finanziert worden sind. Das ist der Herrentunnel in Lübeck, und das ist der Warnowtunnel in Rostock. Beide sind hoch defizitär. Trotzdem sind sie verkehrlich sinnvoll.
Heinemann: Wie schätzen Sie es ein? Werden die Tiefensee'schen Pläne Gesetz werden?
Naumann: Ich bin da relativ skeptisch, weil es auch an der SPD-Parteibasis brodelt. Und die CDU war ja zumindest nach innen hin noch nie ein großer Befürworter dieser Pläne.
Heinemann: Ein Wort vielleicht noch zum Tarifstreit bei der Bahn. Rechnen Sie mit Streiks?
Naumann: Ich fürchte, dass es irgendwann zu vereinzelten Streiks kommen wird. Das ist bedauerlich, aber vermutlich unvermeidbar, wenn die drei Gewerkschaften nicht gewillt sind, sich miteinander zu verständigen.
Heinemann: Und Sie sehen da keine Kompromissmöglichkeit?
Naumann: Kompromissmöglichkeiten hatten die Moderatoren ja schon vorgeschlagen. Und ich denke, das waren auch sehr vernünftige Möglichkeiten. Nur muss man jetzt diese Kompromisse auch mit Inhalt und mit Leben füllen.
Heinemann: Bis jetzt fahren da mehrere Züge aufeinander zu?
Naumann: So ist es!
Heinemann: Karl-Peter Naumann, der Vorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Naumann: Auf Wiederhören.