
- Wie stark sind die Preise für Bauholz gestiegen?
- Welche Folgen hat die Holzknappheit auf Baustellen?
- Was sind Gründe für Preisanstieg und Lieferprobleme?
- Wie können die Preise bei deutschen Händlern wieder sinken?
- Wie viele Bäume sind 2020 in deutschen Wäldern gefällt worden?
- Wer hat vom Überangebot an Holz 2020 profitiert?
- Wie ist die Situation der Waldbesitzer?
- Was könnte die Situation für die Baubranche entschärfen?
- Kommt die Abkehr vom Rohstoff Holz?
"Dieses Bauvorhaben wäre mit Sicherheit 10.000 bis 15.000 Euro nur im Materialeinkauf teurer geworden, was den Dachstuhl angeht. Und das hätten wir natürlich auch nicht so ohne weiteres tragen können. Also hätten wir Minus gemacht."
Weil er sich an die Preise, die er vor Monaten in seinem Angebot an die Bauherrin kalkuliert hatte, halten muss. Aber die Kosten für sein Baumaterial steigen und steigen immer weiter:
"Als wir angefangen haben im Januar hatten wir noch Glück, was Holz angeht. Aber jetzt haben wir die Aufgabe, noch die Dacheindeckung draufzumachen und sind jetzt hier in eine Zeit reingekommen, wo die Preise massiv angestiegen sind."
Beim Holz ist es am schlimmsten, meint Lasse Kutzbach. Eine Dachlatte zum Beispiel koste normalerweise um die 50 Cent pro Meter, aktuell aber 1,30 Euro, wenn man sie überhaupt bekommt. Kutzbach zeigt auf einen dicken Balken, der hier im Dachgeschoss die Decke abstützt. Auch dieser Stiel, wie er in der Fachsprache genannt wird, ist in wenigen Wochen um das Zweieinhalbfache im Preis gestiegen.
"Das heißt, wenn ich ihn jetzt kaufen müsste, ich nehme mal einen Taschenrechner zur Hand, habe ich hier eine Länge von 3,20 Meter, so kalkuliere ich, das sind 0,08 Kubikmeter Holz. Früher hätte ich die mal 400 genommen, und der hätte mich 32,80 im Einkauf gekostet. Jetzt nehme ich die 0,08 Kubikmeter Holz und nehme sie mal 1000 Euro, das sind 80 Euro."
Eine Differenz, auf der der Zimmerer sitzen bleiben würde. Die 5.000 Euro, die er hier bereits mehr ausgegeben hat als erwartet, kann er gerade noch so verkraften, meint Kutzbach:
"Oder wir wären auf den Kunden zugegangen und sagen: Preissteigerungen - wir können nichts dafür, wir können Euch das Holz nur verkaufen mit den und den Zusatzkosten und dann liegt es an dem Bauherrn, wie der sich entscheidet."
Immer häufiger werden deshalb Bauvorhaben jetzt gar nicht erst gestartet. Laut Statistischem Bundesamt sank die Zahl der Aufträge im Baugewerbe im März im Vergleich zum Vormonat um mehr als zwölf Prozent.
Denn das Material ist nicht nur teuer geworden, sondern immer häufiger gar nicht mehr zu bekommen. Das hat Folgen für alle, erklärt Ilona Klein: "Das ist halt so, wenn ein Gewerk auf der Baustelle nicht weiterkommt, weil die Materialien fehlen, dann hängt natürlich gleich die ganze Baustelle. Selbst wenn ein Unternehmen, was danach auf die Baustelle muss, Materialien hätte, kann es womöglich nicht arbeiten, weil der Vorgänger seinen Job noch nicht erledigen konnte."
Bereits jetzt gibt es Firmen, die wegen der Material-Misere Kurzarbeit anmelden mussten, trotz voller Auftragsbücher.
"In den USA entwickelt sich das gerade erst mit diesem riesigen Biden'schen Stimulierungsprogramm, das ist über mehrere Jahre angelegt, auch hier in Europa das EU-Programm. Und da gibt es jetzt bei einigen Rohstoffen einen längerfristig stark steigenden Bedarf. Und das dürfte die Preise längerfristig hochhalten."
In Nordamerika haben außerdem große Waldbrände in Kalifornien, ein Schädlingsbefall in Kanada und ein Handelsstreit das Angebot auf dem heimischen Markt fast zum Zusammenbrechen gebracht. An der Warenterminbörse Chicago hat sich der Preis für US-Bauholz binnen eines Jahres mehr als versechsfacht. Im vergangenen Jahr importierten die USA 42 Prozent mehr Nadelschnittholz aus Deutschland als 2019.
"China ist ja so ein traditioneller Abnehmer, der größte Abnehmer auf dem Holzmarkt. Also alles, was an Holzprodukten auf den internationalen Markt geht, hat auch immer eine starke Abnahme in China, denken sie an Rohholz oder irgendwelche Spanplatten oder weiter verarbeitete Produkte."
Unterschieden wird beim Export in Rohholz, also nicht zersägte Stämme, und verarbeitete Stämme, das sogenannte Schnittholz. Beim Rohholz sind die Ausfuhren aus Deutschland innerhalb eines Jahres um fast 43 Prozent gestiegen, jeder zweite Stamm davon landete in China.
Der mengenmäßig weit größere Markt ist aber der für das verarbeitete Schnittholz. Hier wurden laut dem Deutschen Säge- und Holzindustrieverband im ersten Quartal dieses Jahres acht Prozent mehr Nadelschnittholz als im Vorjahreszeitraum ins Ausland verkauft. Trotzdem bleibe auch 20 Prozent mehr Holz in Deutschland, weil die von der Holzindustrie insgesamt produzierte Menge um eine Million Kubikmeter gestiegen ist, betont der Sägeindustrieverband.
Dennoch reicht es nicht. Viele Holzprodukte sind kaum noch lieferbar, weil auch die Nachfrage in Deutschland nach Holz so stark gestiegen ist– nicht nur durch die Bauwirtschaft, sondern auch im Heimwerkerbereich. Es wurde und wird renoviert und modernisiert, Terrassen, Wintergärten oder Carports gebaut, meint Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft:
"Was bei Corona passiert ist, ist dass die Einkommensverluste eben für den größten Teil der Bevölkerung nicht da waren. Und man hat aber gleichzeitig viele Ausgaben nicht getätigt, die man sonst getätigt hat. Und in der Summe haben die Haushalte irrsinnige Ersparnisse gebildet."
"Wäre auch handelspolitisch schwierig, jetzt über protektionistische Maßnahmen Lieferengpässe zu beheben, das stört einfach internationale Lieferketten nachhaltig, wirkt sich vermutlich mittelfristig auch preissteigernd aus und in der Regel erzeugt das Gegenreaktionen. Das heißt, handelspolitische Streitfälle können entstehen und das ist, glaube ich, was keiner will."
Vor allem die Forstwirtschaft und die Waldbauern wollen keine Beschränkungen beim Export, weil der bei einem Überangebot wichtig wird. Denn in der Tat gebe es in deutschen Wäldern zu viel und nicht zu wenig Holz, sagt der Waldbesitzer und Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, Georg Schirmbeck:
"Die Waldfläche in Deutschland ist in den letzten Jahren gewachsen. Und was auf dieser Fläche darauf steht, ist noch mehr gewachsen. Das heißt, es ist mehr Holz gewachsen in deutschen Wäldern, als wir geerntet haben. Also, dass wir kein Holz haben und dass wir deshalb sparsam damit umgehen müssen, das ist alles Quatsch."
"Sie sehen hier neben dieser Gasse auch schon die einzelnen Sortimente liegen, also das hier zum Beispiel ist Sägeholz, da werden dann Bretter, Dachlatten, Balken draus geschnitten. Dann gibt es Langholzabschnitte, da werden Paletten draus geschnitten und dann gibt es das sogenannte Industrieholz, da werden Faserplatten draus gemacht."
"Die Produktion wurde deutlich nach oben gefahren und vieles von dem Schadholz, das in den Wäldern angefallen ist, weil es optisch beeinträchtigt war, nicht von den technischen Eigenschaften aber einen optischen Mangel hatte, wenn der Käfer sich eigenistet hat, das wurde dann in Märkte exportiert, die nicht so hohe Qualitätsanforderungen wie der deutsche Markt gestellt haben."
Knapp 40 Prozent der deutschen Produktion gehen ins Ausland. Verkauft wurde dort zu den international hohen Preisen. Von dieser Entwicklung haben laut dem Statistischen Bundesamt Säge-, Hobel- und Imprägnierwerke profitiert. Ihr Branchenumsatz habe 2020 in Deutschland einen Rekordwert von 6.5 Milliarden Euro erreicht. Die hohe Nachfrage nach Schnittholz führe dazu, dass Sägewerke mehr Gewinne machten, sagt Julia Möbus:
"Also nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweilt, weil wo stark nachgefragt wird, hat man natürlich entsprechende Preiseffekte. Und die kommen jetzt, das muss man auch ganz klar sagen, im Wald noch nicht in der Gänze an."
"96,5 Prozent der deutschen Waldbesitzer haben weniger als 20 Hektar. Der durchschnittliche Waldbesitzer hat drei Hektar. Es sind also alles Kleine und da sagen wir, der Preis ist so beschissen, dann machen wir dieses Jahr nichts und vielleicht ist das in diesem Herbst anders, dann machen wir es. Also wir halten das lange aus, um das mal so zu sagen."
Vor allem das sogenannte Kalamitätsholz, also beschädigte Stämme, muss schnellstens aus dem Wald. Über 180 Millionen Kubikmeter sind im vergangenen Jahr bis April dieses Jahres angefallen und teilweise noch nicht verarbeitet. Deshalb hat das Bundesministerium eine Einschlagsbeschränkung für frisches Fichtenholz erlassen, erklärt Dirk Alfter vom Bundesministerium für Landwirtschaft:
"Die Absenkung auf 85 Prozent ist sehr moderat, das ist im Bundesrat auch diskutiert worden. Der Markt wird weiterhin mit frischem Käferholz bedient und die Einschlagsverordnung soll da auch Vorrang für Kalamitätsholz, für die stoffliche Verwertung des Kalamitätsholzes geben, damit das auch aus Waldschutzgründen an erster Stelle verwertet wird."
"Bei der Kiefer ist es zum Beispiel die Bläue, die eintritt, mit Wärme und Feuchtigkeit, also das haben wir ja in diesem Jahr. Also wenn das Holz hier ein paar Wochen liegt, dann verfärbt sich das durch einen Bläuepilz. Das ist einfach nur ein Farbmerkmal. Das hat mit Stabilität, mit Struktur überhaupt nichts zu tun. Aber es ist natürlich so, wer möchte schon ein blauschwarzes Brett kaufen."
Ähnliches gilt für Holz, das vom Borkenkäfer befallen ist, der lediglich in die Rinde geht. Deshalb könne auf Baustellen zu bestimmten Zwecken dieses Holz auch prima verwendet werden, sagt Manja Schreiner von der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg. Sie fordert, dieses durch die geltenden Bestimmungen auf den Baustellen besser als bisher zu ermöglichen:
"Die europäischen und deutschen Normen allerdings sind zu hoch und müssen dringend überarbeitet werden. Denn aktuell ist die Normung so hart, dass selbst für einfache Treppen, die nach dem Bauprozess wieder abgerissen werden, höchste Anforderungen gelten. Und das führt dazu, dass gutes Bauholz bei uns nicht verwendet werden kann, im Ausland aber mit Kusshand genommen wird. Außerdem verteuert das den Bau natürlich erheblich."
Statt Kalamitätsholz schnell zu verramschen, sollte man es für den deutschen Markt länger aufheben, meint Ilona Klein vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Bei Fichtenholz sei das zum Beispiel für drei bis sechs Jahre möglich: "Das muss dann in sogenannten Nasslagern gelagert werden, die es nicht gibt oder die es zu wenig gibt, das könnte der Staat sozusagen unterstützen."
In Nasslagern wird das Holz regelmäßig beregnet. Zu beachten sind dabei allerdings wasser- und naturschutzrechtliche Auflagen. Eine Förderung dafür gebe es bereits, meint Dirk Alfter vom Landwirtschaftsministerium. Weil wegen des Klimawandels auch in Zukunft viel Kalamitätsholz anfallen wird, müssten nun aber alle Beteiligten aktiv werden:
"Länder, Kommunen, die Kreise, sind gut beraten, Lagerkonzepte vorzusehen, um für solche Fälle außerhalb des Waldes solche Flächen vorzuhalten. Das ist sicherlich ein probates Mittel, um der Entwertung von Holz entgegenzuwirken und dann auch im Sinne der Preisfindung die geregelte Zufuhr dieser Mengen an Holz in den Markt auch zu bestimmen."
"Und dass auf der anderen Seite bei Verträgen, die schon abgeschlossen sind, die Unternehmen bei solchen Geschichten nicht Sanktionen zahlen müssen, weil sie Termine nicht einhalten können, weil sie kein Material kriegen."
Lasse Kutzbach, der Zimmerer des Drei-Familienhauses im Berliner Süden, nimmt Aufträge inzwischen nur noch an, wenn sein Angebot sofort unterschrieben wird, andernfalls muss neu kalkuliert werden, Preisgarantien sind nicht mehr drin. Wählerisch ist er jetzt auch bei der Auswahl seiner Kunden:
"Ich gehe auf jeden Fall in aufwendigere Baustellen, das heißt mehr Lohnleistung, weniger Materialleistung, weil ich zusehen muss, dass meine Leute Arbeit haben mit weniger Material. Und eher kleinere Baustellen, also Terrassen, Balkone, ich brauche zehn Quadratmeter Material, aber die Leute sind vier, fünf Monate beschäftigt, weil alles kompliziert ist und viel Lohnleistung drinsteckt."
Wenn das Material fehlt, muss umgeplant werden. Einen Stützbalken, also einen Stiel aus Fichtenholz, wie er hier das Dachgebälk stabilisiert, wird er vielleicht in Zukunft seltener einbauen:
"Entweder wir dimensionieren um, in Stahl, oder es gibt auch GFK-Träger, um Stahl zu ersetzen oder wir müssen anderes Holz nehmen, größeren Querschnitt, den wir vielleicht kriegen, also das wird geprüft. Wir haben sogar schon ein Projekt statisch umarbeiten lassen, weil das so nicht lieferbar war, auch das hatten wir."
"Ein Holzhaus verursacht etwa ein Drittel der Emissionen eines Steinhauses, ein Aluminiumfenster verursacht 20 Mal so viele Emissionen wie ein Fenster aus Holz
Auch Georg Schirmbeck vom Deutschen Holzwirtschaftsrat betont, dass eine Abkehr vom Bauen mit Holz auch eine Abkehr von Möglichkeiten zur Emissionsreduktion wäre:
"Ich kann nur sagen, haltet ein, ohne junge, bunter wachsende Wälder kriegen wir kein CO2 gebunden. Und wenn Sie also Holzhäuser haben, haben sie das ganze CO2, das aus der Atmosphäre raus soll, gebunden. Das kann keiner besser als der Wald und das Holz."
Ein durchschnittliches Einfamilienhaus in Holzbauweise ist allerdings zurzeit etwa 50.000 Euro teurer als vor den Preisanstiegen der letzten Monate. Ob und wann sich der Markt wieder beruhigt, kann derzeit niemand genau sagen. Mittelfristig könnten die höheren Baukosten damit auch zu steigenden Mieten führen.