Mittwoch, 08. Mai 2024

Women's Super League
Englischer Frauenfußball rüstet mit Hilfe der Männer auf

In Deutschland wird noch um Konzepte für den Profifußballer der Frauen gerungen. Die höchsten englischen Ligen haben schon eine Vermarktungsgesellschaft gegründet. Die bekommt jetzt Unterstützung aus dem Männerfußball.

Von Piet Kreuzer | 25.02.2024
Spielszene: Die Torhüterin von Chelsea streckt sich nach einem Ball, der auf's Tor geht. Im Hintergrund eine vollbesetzte Tribüne.
10. Dezember 2023: Im Emirates Stadium in London verfolgen über 45.000 Zuschauer das Spiel Arsenal-Chelsea. (IMAGO / Action Plus / IMAGO / Katie Chan)
"Unsere Mission für das neue Unternehmen besteht darin, den wettbewerbsfähigsten und unterhaltsamsten Frauenfußball-Klubwettbewerb der Welt für die Fans und die Spielerinnen von heute und morgen zu schaffen", sagt Nikki Doucet. Sie hat ihre ehrgeizigen Pläne bei Sky Sports angekündigt. Die frühere Citigroup-Bänkerin und Nike-Managerin leitet seit November die neu gegründete Vermarktungsgesellschaft NewCo, die die beiden obersten Ligen im englischen Frauenfußball gegründet haben.
Hilfe kommt nun auch aus dem Männerfußball: Die Premier League unterstützt die NewCo mit einer Anschubfinanzierung - ein zinsloses Darlehen in Höhe von rund 23 Millionen Euro. Nicht nur das. Der Kredit muss erst zurückgezahlt werden, wenn die Vermarktungsgesellschaft Einnahmen in Höhe von etwa 117 Millionen Euro generiert. Die Klubs der 2. Liga werden nach langen Verhandlungen mit 25 Prozent beteiligt.
Premier-League-Geschäftsführer Richard Masters sagte vor dem Sportausschuss des Parlamentes: "Vor kurzem haben unsere Klubs zugestimmt, dass sie der NewCo ein finanzielles Darlehen gewähren, einen Sitz im Vorstand einnehmen und eine ganze Reihe von Dienstleistungen für den Fußball erbringen, wie z. B. Beratung bei der kommerziellen Entwicklung der Liga.“

WSL strebt Umsatz von einer Milliarde an

Nach Informationen von Sky News haben die Vereine der 1. und 2. Liga der Finanzierung zugestimmt. Damit hat sich die Premier League gegen Angebote des englischen Verbandes FA und der Private Equity-Firma Bridgepoint durchgesetzt.
Die Vorsitzende der Women’s Super League, Dawn Airey, hatte schon im vergangenen September vollmundig das Ziel ausgegeben, innerhalb eines Jahrzehnts die erste Frauenfußball-Liga der Welt mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro zu werden. Die Zahl sei nicht aus der Luft gegriffen, sondern sie basiere auf einem detaillierten Geschäftsplan. Die Zuschauerzahlen würden ansteigen, genauso wie das Interesse an TV-Übertragungen und Sponsoring. Ähnlich zuversichtlich ist NewCo-Chefin Nikki Doucet:
„Wir sehen dies als ein Start-Up. Die Wachstumsmetriken in diesem Geschäft sind erstaunlich. Das ist eine riesige Chance. Ich denke, wir haben eine Menge Partnerschaften. Wir haben eine Menge Leute, die Teil davon sein wollen. Ich meine, letztlich ist diese Fangemeinde, dieser Sport die Zukunft, und ich glaube, die Leute sind davon begeistert.“

Drei-Uhr-Blackout könnte fallen

Gerade ist die Ausschreibung für den Verkauf der Medienrechte angelaufen. Alle 132 Partien der Frauen sollen live übertragen werden. Bisher zeigte Sky 35 und die BBC 22. Die restlichen Spiele wurden kostenlos auf der Website des englischen Verbandes gestreamt. Neben den beiden bisherigen Partnern sind auch DAZN und TNT Sports interessiert.
„Wir sehen uns an, was auf diesem Markt möglich ist, wir führen wirklich gute Gespräche mit allen Sendern“, sagt Doucet. Die bisherigen Erlöse von 9,3 Millionen Euro sollen mindestens verdoppelt werden. Um die Konkurrenz mit den Männer-Anstoßzeiten zu vermeiden, soll ein ehernes Gesetz aufgeweicht werden. In England dürfen am Samstag zwischen 14.45 und 17.15 Uhr keine Fußballspiele im Fernsehen live gezeigt werden. Derzeit verhandelt die WSL über eine Aufhebung des so genannten Drei-Uhr-Blackouts für die Frauen.

Sportwissenschaftler Reichel: "Professionelle Strukturen in Wolfsburg und München"

Von solchen Perspektiven kann der deutsche Frauenfußball nur träumen. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Medienrechte betragen etwa fünf Millionen Euro. Und es wird noch über einen Mindestlohn diskutiert. Ausnahme sind die Top-Mannschaften Wolfsburg und München:
"Da haben wir sehr, sehr hohe professionelle Strukturen. Und natürlich auch die allermeisten Spielerinnen können ihren Lebensunterhalt problemlos bestreiten und sicherlich noch einiges zur Seite legen für die Zeit nach der aktiven Zeit", sagt Kristoff Reichel. Der Sportwissenschaftler beschäftigt sich an der Universität Bayreuth mit der Professionalisierung des Frauenfußballs. Handlungsbedarf sieht er bei den anderen Vereinen. Die Highlight-Spiele mit über 20.000 Zuschauern in den großen deutschen Fußball-Stadien sieht er als gutes Beispiel für Professionalisierung. Das solle aber nicht nur auf die Spitzenspiele beschränkt bleiben, „ sondern quer durch die Tabelle könnten Zahlen von 5.000 bis 10.000 Zuschauerinnen pro Spiel eine sehr, sehr anspruchsvolle, aber durchaus realistische Zielgröße sein.“
Aber noch hinkt der deutsche Frauenfußball in der Professionalisierung weit hinterher. Es wird viel diskutiert, selbst eine Ausgliederung aus dem Deutschen Fußball-Bund nach Vorbild der Deutschen Fußball-Liga wird erwogen. Der DFB arbeitet seit einem Jahr an einer Professionalisierung und besseren Vermarktung. Nach Deutschlandfunk-Informationen soll sogar über den Einstieg eines Investors nachgedacht werden. Aus dem DFB-Umfeld ist zu hören, es handele sich dabei um ein Investitionsvolumen von 150 Millionen Euro.