Archiv

Glücksspiel-Werbung im Fußball
"Verstärker, die permanent gesetzt werden"

Werbung für Glücksspiel ist im Fußball omnipräsent. Das erleichtere zum einen den Einstieg in ein Glücksspielverhalten und erschwere zum anderen den Ausstieg, sagte der Suchtforscher Daniel Deimel im Dlf. In der Gesellschaft müsse deshalb ein Problembewusstsein geschaffen werden.

Daniel Deimel im Gespräch mit Jessica Sturmberg |
Arena in Düsseldorf bei einem Spiel am 06. 05. 2018: Der Schiedsrichter Assistent vor der Werbebande, die Werbung für Sportwetten zeigt.
Fußballstadion (picture alliance / Norbert Schmidt)
Ob als TV-Spot oder als Banner im Stadion: Werbung für Sportwetten ist im Fußball so omnipräsent, dass sie mittlerweile als normal angesehen wird. "Das sind Reize, die gesetzt werden, die natürlich den Einstieg in Glücksspielverhalten erleichtern und ermöglichen. Und Menschen, die ein problematisches Glücksspielverhalten haben, die davon abhängig sind, für die ist es ungemein schwierig, aus diesem Teufelskreis wieder auszusteigen. weil diese Reize permanent gesetzt werden", sagte Daniel Deimel im Deutschlandfunk.
Suchtforscher Daniel Deimel.
Suchtforscher Daniel Deimel. (Jessica Sturmberg)
Deimel ist von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen und dem in Aachen angesiedelten Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP). Diese hat zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte in NRW das Projekt "Fan-support" ins Leben gerufen, das niederschwellige Angebote für Süchtige macht. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter von zehn Fanprojekten, die darin geschult sind und auch die Sprache von Fußballfans sprechen, beraten und begleiten Betroffene.

Spielsucht hat hohe Relevanz im Sportkontext

Im Bereich Sportwetten nimmt die Spielsucht zu. Werbung für Sportwetten im Fußball seien "Verstärker, die da permanent gesetzt werden und die das süchtige Verhalten manifestieren und eine Ablösung erschweren", erklärte Deimel. Spielsucht habe im Sportkontext eine hohe Relevanz. Denn Sportwetten seien jederzeit online verfügbar und würden weder groß reguliert noch beschränkt. "Das ist ein hohes Risiko, in die Glücksspielabhängigkeit zu rutschen."
Sucht oder Abhängigkeitserkrankungen entstünden über eine lange Zeit hinweg. "Das sind längere Prozesse, dass ein kontrolliertes, gesteuertes Verhalten irgendwann unkontrolliert und eine Art Zwang wird." Von einer Abhängigkeit werde gesprochen, wenn Kriterien wie Dosis-Steigerungen, Entzugserscheinigungen oder das Ignorieren von negativen Konsequenzen erfüllt seien. "Also wenn zum Beispiel der Kühlschrank zu Hause leer ist, weil kein Geld mehr da ist, aber weiterhin versucht wird, Geld zu generieren, um eben weiter Glücksspiel zu betreiben."
Die Entwicklung einer Sucht sei ein schleichender Prozess, sagte Deimel. "Schlussendlich kommen die Leute in Beratungsstellen, wenn die positiven Aspekte des Konsums oder dieses Verhaltens in den Hintergrund rücken und die Probleme zum Vorschein kommen. Also wenn es Schwierigkeiten auf der Arbeitsstelle gibt, mit der Familie, wenn es juristische Probleme gibt, wenn das Schuldenaufkommen massiv ist. Das sind Punkte, die Menschen dann in Beratung und in Behandlung bringen. Aber eben auch, und das ist häufig bei Glücksspiel der Fall, wenn eben noch andere psychische Probleme auftauchen. Es gibt eine starke Verbindung zu Depressionen und Angststörungen."

Glücksspielwerbung ein "Gegenspieler"

In der Gesellschaft müsse deshalb ein Problembewusstsein geschaffen werden. "Wenn eine gewisse Normalität eines problematischen Verhaltens so toleriert wird, akzeptiert wird, wenn überall getrunken wird oder ich mich in einem Milieu bewege, wo Glücksspiel omnipräsent ist, dann entsteht eben so ein Problembewusstsein nicht unbedingt. Das heißt, wir brauchen einen Rahmen, in dem ein Substanzkonsum oder eben auch Glücksspielverhalten kritisch betrachtet werden kann. Und deswegen ist auch diese Glücksspielwerbung dort kontraindiziert. Das ist ein Gegenspieler, was die Prävention angeht. Das muss man deutlich sagen."