Ein Plakat vor der Justizvollzugsanstalt Dresden. Darauf zu sehen: Ein Mann in Häftlingskleidung und Handschellen – dazu der Slogan: „Nur wer mitspielt, ist mittendrin.“ Thomas Melchior ist der Initiator dieser Plakataktion und darauf selbst zu sehen. Denn er ist erst vor ein paar Wochen aus dem Gefängnis entlassen worden. Nach 1.216 Tagen, weil er erst sein Geld und dann das von Anderen bei Sportwetten verzockt hatte.
„Ich übernehme die Verantwortung, für das, was geschehen ist. Das möchte ich jetzt nicht auf einen Sportwetten-Anbieter abwälzen. Worauf ich natürlich mit meiner Kampagne hinweisen möchte, ist dass die Werbung für Sportwetten einen Werdegang wie meinen produziert hat. Es ist auf jeden Fall nicht sinnvoll weiterhin Sportwetten-Werbung in dem Maße zu kommunizieren, weil die Leute nicht wissen, auf was sie sich da einlassen, wenn sie ihre erste Wette einsetzen.“
Rekordeinnahmen durch Sportwetten-Sponsoring
Der ehemalige Bankkaufmann sieht es als seine Mission an, andere vor einer Spielsucht zu schützen. Denn die Einstiegshürde für Sportwetten sei sehr gering, ein Smartphone reicht, um schnell und unkompliziert die erste Wette abzuschließen. Gerade der Profi-Fußball hätte da eine besondere gesellschaftliche Verantwortung, meint Melchior:
„Ich finde schon, dass man sich bei Verbänden und Vereinen des Faktors Sucht bewusst ist. Diesen aber meiner Meinung nach bewusst ausblendet, weil die Sportwetten-Industrie dort sehr viel Geld zur Verfügung stellt, ja. Also alle 36 Erst- und Zweitligisten haben einen Sportwetten-Anbieter als Sponsor. DFL und DFB haben Sportwetten-Anbieter als Sponsor.“
Der Deutsche Sportwettenverband beziffert den Umsatz im letzten Jahr in diesem Segment auf 9,4 Milliarden Euro. Ein neuer Rekordwert. Die Deutsche Fußball-Liga DFL besitzt mit Tipico einen offiziellen Premium-Partner, der DFB setzt auf Bwin. Der Wettanbieter sponsert bereits die Männer-Nationalmannschaft, ab 2023 folgen auch die Frauen.
DFB: "In Partnerschaft sind Präventions-Programme enthalten"
Auf Deutschlandfunk-Anfrage antwortet der Verband, dass er sich seit Jahren als verantwortungsvoller Partner der Politik im Bereich der Gesundheitsförderung und Suchtprävention sehe. Wörtlich schreibt er:
„In der Partnerschaft des DFB mit bwin sind Verpflichtungen für die Entwicklung und Konzeption von Präventions- und Schulungsprogrammen enthalten. Der DFB entwickelt die Schulungs- und Präventionsprogramme kontinuierlich weiter, um das Bewusstsein der Beteiligten für die Sucht- und Manipulationsgefahren zu schärfen.“
Wegen der hohen Suchtgefahr bei Online-Sportwetten hat Ende letzten Jahres der Bremer SPD-Innensenator Ulrich Mäurer ein generelles Verbot von Glücksspielwerbung gefordert. Allerdings ist er mit seinem Vorstoß auf der damaligen Innenministerkonferenz gescheitert. Er hatte diesen Vorstoß auch mit der allgegenwärtigen Werbung von Sportwetten begründet.
Werbung für Sportwetten triggert ehemalige Spielsüchtige
Für Steffen Hittmeyer ist gerade das ein großes Problem. Er ist Suchtberater und Suchttherapeut bei der Stadtmission Kiel. Werbung sei etwas, was triggere:
„Das merke ich auch bei Menschen, die hier in der Therapie sind, die abstinent sind. Wenn die Werbung sehen, dann passiert bei denen natürlich etwas anderes, als wenn Sie oder ich eine Werbung für Glücksspiele sehen, würden bei denen ganz andere Erinnerungen und Erlebnisse ausgelöst. Und das ist grundsätzlich ein Trigger, mit dem sie sich auseinandersetzen müssen, wo auch Spieldruck entstehen kann und natürlich können auch früher Menschen dadurch angereizt werden, das zu konsumieren.“
Etwa eine halbe Millionen Menschen sind laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hierzulande glücksspielsüchtig. Wie viele davon auf den Sportwettenmarkt entfallen, ist nicht aufgeschlüsselt. Die Fanorganisation „Unsere Kurve“ spricht in einem Anfang des Jahres veröffentlichen Positionspapier von einem bedeutenden Anteil. Deshalb fordert sie darin einen Verzicht auf Sponsoring von Sportwetten-Anbietern. Denn gerade jugendliche Fußballfans seien dadurch gefährdet, meint Unsere-Kurve-Vorstand Markus Sotirianos:
„Die große Zielgruppe der Fußballfans oder der fußballinteressierten kann sich Werbung in Stadien, im TV, und weiteren Medien im Fußballkontext kaum noch entziehen. Vereine und Verbände machen sich bereitwillig zu Multiplikator für die Interessen der Sportwetten-Industrie. In ihrer Werbung nutzen die Sportwetten-Anbieter fankulturelle Elemente und vereinnahmen somit Fankultur. Als bundesweite Fanorganisation sagen wir: Es reicht!"
DFB verweist auf Glückspielstaatsvertrag
Der DFB weist diese Kritik zurück, und verweist auf den neuen Glücksspielstaatsvertrag. Dieser erlaubt rechtmäßig in Deutschland tätigen Veranstaltern von Online-Sportwetten, ihre Produkte auch zu bewerben. Insbesondere die Trikot- und Bandenwerbung sind ausdrücklich zugelassen.
Für Thomas Melchior wird der Kampf gegen Sportwetten-Sponsoring daher weitergehen. Der ehemalige Glücksspiel-Süchtige will verhindern, dass es anderen genauso ergeht, wie ihm. Von den 800.000 Euro, die er mit Sportwetten verspielt habe, sei sicher auch manches in den Profi-Fußball geflossen:
„Wo kommt das Geld für dieses Sponsoring denn her? Und da kommt man relativ schnell drauf, dass das Geld ist, was Menschen verloren haben. Und das sind zum überwiegenden Teil eben Süchtige. Das sind Gelder, die eben auch zu einem großen Teil, so war es eben auch bei mir gewesen, aus Straftaten stammen. Und aus Sucht erzeugt wurden, und dagegen wehre ich mich!“