Montag, 06. Mai 2024

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Kolumne
Faszination Promitrennungen

Nachrichten über Trennungen prominenter Paare findet unsere Kolumnistin nicht sehr relevant - und doch konsumiert sie sie. Alles Psychologie: Hier trifft menschliche Neugier auf das Scheitern des schönen Ideals.

Von Samira El Ouassil | 17.08.2022
Schauspielerin Maria Furtwängler und Verleger Hubert Burda haben sich nach über 30 Jahren Ehe getrennt.
Maria Furtwängler mit Ehemann Hubert Burda auf dem roten Teppich bei der Verleihung des - BAMBI 2019 - im Festspielhaus in Baden-Baden. (IMAGO / Eventpress)
Ich lese über die Trennung von Profiboxer Vitali Klitschko und seiner Frau Natalia, die sich nach 26 Jahren Ehe scheiden lassen. Ich höre vom Beziehungs-Aus der Tatort-Schauspielerin Maria Furtwängler und ihrem Mann Hubert Burda, nachdem sie mehr als 30 Jahre verheiratet waren. Ich sehe Bilder der Sängerin Shakira und ihres langjährigen Partners, dem Fußballer Gerard Piqué, die ihr Beziehungsende verkündet haben.
Die Trennungsschlagzeilen tauchen am medialen Horizont eines stürmischen Weltgeschehens auf, wie krähende Möwen, die man ignorieren möchte, aber nicht kann. Zumindest ich kriege es nicht hin: Ich spüre den albernen Impuls, die Artikel zu lesen. Dabei schaue ich keinen Tatort und interessiere mich nicht genügend für hüftschwingende Popmusik oder Profiboxen, als dass es einen sinnvollen Grund gäbe, mich gedanklich mit diesen Promitrennungen auseinanderzusetzen.

Ein Bedürfnis, das Medien gerne befriedigen

Die im Artikel enthalten Informationen sind nicht relevant für mein Leben, nicht wichtig für meine politische Bildung, helfen mir nicht, bessere ökonomische Entscheidungen zu treffen, machen mich nicht klüger oder freundlicher. Und dennoch lese ich interessiert, ja geradezu bekümmert, was passiert ist. Und Massenmedien, insbesondere natürlich Boulevarderzeugnisse, befriedigen dieses Bedürfnis nur zu gerne. Aber was ist das publizistisch Relevante und Faszinierende an Promitrennungen?

Gekränkt, geschockt, irritiert

Ein psychologischer Aspekt ist natürlich, dass man gemeinhin Prominente unbewusst als zu erreichendes Ideal wahrnimmt. Strahlende Vorbilder für uns Normal-Bürger, Verkörperungen dessen, was man am besten erreichen sollte, weshalb wir implizit versuchen, sie nachzuahmen oder zumindest von ihnen abzuschauen, wie man erfolgreich ist.
Umso kränkender und irritierender, wenn ausgerechnet ihre schillernden Beziehungen auseinandergehen. Umso mehr, wenn dies medial auch noch als ein Scheitern der Liebe und Versagen der Beteiligten geframet wird. Je länger die Beziehung, desto größer der Schock. Das haben wir bei Gottschalk schon gesehen.

Erwachen aus (gl)amourösem Liebestraum

Diese vermeintliche Niederlage der Romantik macht uns hellhörig. Und während die durchmediatisierten Promi-Hochzeiten, royalen Eheschließungen und gefilterten Liebesbekennungs-Postings in sozialen Medien uns in einen glamourösen - Verzeihung - ich meine, amourösen Liebestraum flüchten lassen, holt uns die Meldung über die schnöden, bürokratischen Prozesse einer Scheidung zurück die triste Wirklichkeit.
Soweit zu den persönlichen Kränkungen, aber es gibt auch einen sozialen Aspekt: Menschen sind von Natur aus neugierige, voyeuristische, aber vor allem soziale Wesen, die Werte und Normen nutzten und nutzen, um das gemeinsame Überleben zu sichern. Störungen des Gemeinwohls brachten früher die Gruppe in Gefahr. Trennungen, Scheidungen, Betrug waren lange Zeit ebensolche Störungen der Stabilität, deswegen reagieren wir immer noch wachsam darauf, wenn jemand dieses Protokoll der Sozialverträglichkeit verletzt.
Daher rührt übrigens auch unser allgemeines Interesse an schlechten Nachrichten. Daher verfängt auch der Nachrichtwert "Negativität" so gut: auf Störungen, Unfälle und Fehler zu reagieren, hat uns vor Unachtsamkeit und dem Gefressen-Werden geschützt. Dass wir heute noch anfällig für negative Nachrichten sind, ist eine Nebenwirkung vom Kampf-und-Flucht-Verhalten des Menschen.
Wenn Sie das nächste Mal einen Artikel über das neueste Beziehungsaus eines Prominenten lesen, versuchen Sie mal, sich nicht auf ihre Reflexe einzulassen. Aber, unter uns, haben sie schon gehört? Kim Kardashian ist frisch getrennt!