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Prostituierten-Demo gegen Corona-Auflagen
"Rotlicht an" fordern Sex-Arbeitende in Köln

Frauen auf hohen Schuhen, mit Netzstrumpfhosen und knappen Oberteilen: Prostituierte demonstrierten in Köln gegen die Corona-Auflagen. Die Corona-Pandemie macht die Arbeit für viele unmöglich, denn deutschlandweit sind die Bordelle geschlossen. Die Branche hat das Gefühl, absichtlich vergessen zu werden.

Von Moritz Küpper | 30.07.2020
Prostituierte demonstrieren vor dem Kölner Dom gegen die Corona-Auflagen
„Rotlicht an“: Am Kölner Dom demonstrieren Sex-Arbeitende für eine Öffnung der Bordelle (Deutschlandradio / Moritz Küpper)
Auf einmal wird es laut auf dem Bahnhofsvorplatz, im Schatten des Kölner Doms: "Hey Gesellschaft, könnt ihr mich hören?" Nadine Kopp, lila-gefärbte Haare, weiße Korsage, schwarzer Slip und sonst nur ein paar Pumps an, erntet Zuspruch. "Seht ihr. Und wir sind genauso ein Teil dieser Gesellschaft."
Hinter Kopp hängen ein paar Plakate. "Sex ist System-relevant", steht da. Kopp arbeitet seit Jahren als Prostituierte, deutschlandweit, im dominanten Bereich, doch jetzt kämpft sie mit den Tränen. Denn: Kopp darf momentan nicht arbeiten - und kann nichts verdienen. "Wir wissen nicht mehr, wie wir die Kühlschränke füllen können."
Huren-Demo, nennen sie das Ganze selbst. Und letztendlich sind mehr als die von den Veranstaltern erhofften 150 Menschen gekommen. Frauen auf hohen Schuhen, Netzstrumpfhosen, knappen, transparenten Oberteilen. Rote Herzluftballons fliegen durch die Luft, eine Frau im knappen Leopardenkostüm spielt Saxofon und die Demo-Gruppe stellt sich auf der Domtreppe auf: "Wir sind die Diskriminierung leid." "Öffnet die Bordelle." "Rotlicht an."
Bordellbetreiber und Sexarbeiterinnen ohne Job
Die Sexarbeit in Deutschland befindet sich aufgrund der Corona-Pandemie in der Krise – jedenfalls die legale. Viele Sexarbeiterinnen sorgen sich um ihre Existenz. Einige Politiker wittern dagegen jetzt die Chance, die käufliche Liebe gleich ganz zu verbieten.
Mehrere hundert Prostituierte und Bordellbetreiber fordern in Hamburg, dass sie ihr Gewerbe wieder aufnehmen dürfen.
Grundsatzdebatte um die Prostitution
Bundesweit sind Bordelle seit Monaten wegen der Coronakrise geschlossen. Die Kritik daran wird lauter, doch die deutsche Politik diskutiert ganz grundsätzlich, ob das Prostitutionsgesetz verschärft werden soll.
Während von den immer wieder interessiert stehen bleibenden Passanten keine reden möchte, gucken auch die Taxifahrer am naheliegenden Bahnhofsstand interessiert: "Dat sind aber alles Leckerschen." Unter ihnen ist der Tenor gemischt: "Ich meine, wenn man das eine zulässt, kann man das andere auch zulassen. Ich meine, das ist ein Dienstleistungsgewerbe, wie jedes andere auch." "Die müssen auch irgendwie Geld verdienen." "Ist Epidemie, ist ein bisschen gefährlich. Also, ich bin nicht einverstanden. Obwohl, sind auch gute Kunden."
Er lacht. Stunden zuvor ist auch Johanna Weber mit dem Zug aus Berlin gekommen, schält sich aus ihren Klamotten und steht dann in roten Strümpfen und schwarzem Oberteil auf dem Bahnhofsvorplatz: "Gibt es hier auch andere Interessierte an Sonnencreme."
Kein Bundesland will das Thema Prostitution anfassen
Die Sonne knallt, doch die Branche will das grelle Licht. Weber arbeitet selbst als Prostituierte, ist zudem politische Sprecherin des BesD, des Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen.
"Wir hatten total viel Verständnis für diese ganzen Lockerungspläne, wo wir immer noch nicht vorgekommen sind. Das war uns klar: Wir sind noch nicht dran. Mittlerweile ist der Punkt erreicht, wo wir merken: Ne, das ist nicht mehr ok, weil das geht nicht nur um Corona, weshalb wir nicht arbeiten, sondern da stecken ganz andere Sachen dahinter. Webers Vermutung: "Kein Bundesland hat im Moment Lust, das schmutzige Thema Prostitution anzufassen."
"Pärchen-Klubs, Swinger-Klubs, all das ist schon wieder erlaubt"
Vielmehr gibt es nun die Sorge, dass die Rufe nach einem kompletten Sexkauf-Verbot lauter werden. Webers Forderung: Zum 1. September müsse ihre Branche wieder arbeiten dürfe, dafür sei ein Hygiene-Konzept erarbeitet worden: Die Daten der Kunden müssen vorliegen, Zimmer werden gelüftet, Wäsche getauscht und alles geschieht natürlich mit Mundschutz: "Da kann man natürlich nicht alles machen, was in der Sexarbeit sonst so gemacht wird. Das heißt, alles, was irgendwie oral oder küssen und so weiter, das findet dann nicht statt."
Auch Stephanie Klee nickt. Die diplomierte Sozialarbeiterin, die ebenfalls Sexarbeiterin ist, kämpft seit den 70er-Jahren für die Rechte von Prostituierten:"Pärchen-Klubs, Swinger-Klubs, Kontaktsport, Boxen, Ringen, all das ist schon wieder erlaubt."
Das älteste Gewerbe der Welt hat bisher immer überlebt
In den Nachbarländern wie der Schweiz oder Österreich ist Prostitution wieder gestattet. Und auch hierzulande laufe das sogenannte älteste Gewerbe weiter: "Das hat man jetzt unter Corona gesehen: Wenn die Not groß ist, gehen Sexarbeiterinnen anschaffen und müssen es auch, weil sie durch die sozialen Roste fallen."
"Wissen Sie, die Flugzeuge können Sie unten halten, dann fliegt keiner mehr hier in dem Land. Das können wir als Staat bestimmen. Das können Sie aber nicht bei der Prostitution. Die Menschen arbeiten. Das ist so. So und jetzt müssen wir uns überlegen, wie machen wir das?", sagt Master André, ein großgewachsener Mann, der mit freiem Oberkörper und schwarzer Lackschürze auf dem Bahnhofsvorplatz steht: "Wenn wir sagen, wir wollen eine Pandemie eindämmen, machen wir jetzt, in diesem Augenblick, einen Fehler. Weil jetzt zu sagen, die Leute können einfach in den Wohnungen und in den Hotels vögeln, ohne irgendwelchen Schutz, ohne irgendwelche hygienischen Maßnahmen außer das, was sie sich dann selber so holen. Da machen wir als Gesellschaft gerade einen Fehler. Und wenn wir jetzt an den Punkt kommen, dass wir wieder eine neue Welle bekommen, wo es dann wieder heißt, Prostitution off, dann hat sich bereits jeder daran gewöhnt, dass der Lebensunterhalt so verdient wird. Und das ist schlecht, das ist schlecht."
Sein Punkt: Das älteste Gewerbe der Welt, es hat bisher immer überlebt. Ob legal oder illegal.