Freitag, 19. April 2024

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Proteste im Osten Russlands
"Die Macht ballt sich in Moskau, die Regionen haben so gut wie nichts davon"

Seit Tagen protestieren die Menschen im ostrussischen Chabarowsk gegen die mutmaßlich politische motivierte Festnahme eines Politikers. Dahinter stehe auch Unmut gegenüber der Einflussnahme aus Moskau, sagte Russland-Korrespondent Thielko Grieß im Dlf.

Thielko Grieß im Gespräch mit Frederik Rother | 14.07.2020
Tausende Menschen fordern in Chabarowsk die Freilassung des Generals.
Immer wieder kommt es in Chabarowsk zu Demonstrationen. Der Unmut der Menschen richtet sich gegen die Festnahme des Politikers Sergej Furgal und gegen die Politik Moskaus. (imago images / ITAR-TASS)
Der Wahlsieg 2018 kam unerwartet. Sergej Furgal setzte sich damals gegen den Kandidaten der Kreml-Partei Einiges Russland durch, seitdem ist er Gouverneur von Chabarowsk – letzte Woche wurde er festgenommen. Die Ermittlungsbehörden werfen Furgal vor, in den 2000er Jahren, als er noch als Geschäftsmann arbeitete, mehrere Morde in Auftrag gegeben zu haben.
Das Vorgehen der Justiz ruft bei den Bürgern Empörung hervor, sagte Dlf-Russland-Korrespondent Thielko Grieß im Dlf. "Viele Menschen fragen sich, warum diese Vorwürfe gerade jetzt ausgegraben werden und sie fühlen sich ungerecht behandelt, denn sie haben diesen Gouverneur, der nicht zur Kreml-Partei Einiges Russland gehört, gewählt". Furgal sei populär, berichtete Grieß, "er ist kein blasser Technokrat, wie es häufig in anderen Regionen der Fall ist, wenn die Gouverneure aus Moskau entsandt werden."
Wenig Arbeit, wenig Zukunftschancen
Der Protest richtet sich nicht nur gegen die Festnahme Furgals, sondern auch gegen die Einflussnahme aus Moskau. "Russland ist ein außerordentlich zentralisiertes Land, die ökonomische und politische Macht ballt sich in Moskau. Die Regionen führen sehr viele Steuern ins Zentrum ab, aber bekommen sehr wenig davon zurück."
Es gebe in den Regionen wenig qualifizierte Arbeitsplätze, wenig Zukunftschancen und wenig Entwicklung in den vergangenen Jahren, so Grieß weiter. "Das merken die Menschen und das treibt natürlich auch den Unmut."