Freitag, 19. April 2024

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Publizist Michael Naumann über Rassismus
"Amerika hat sich seit Martin Luther King sehr langsam verbessert"

In den USA gebe es noch immer einen "kulturellen Rassismus", sagte der Publizist und frühere Kulturstaatsminister Michael Naumann. Das Hauptproblem des Landes aber sei, dass auch dem US-Präsidenten Donald Trump "rassistische Attitüden" nachgewiesen werden können.

Michael Naumann im Gespräch mit Änne Seidel | 20.08.2017
    Michael Naumann
    Michael Naumann über US-Präsident Trump: "Verweildauer im Weißen Haus (...), die über ein Jahr nicht hinausgeht" (dpa / Robert Schlesinger)
    Der Publizist und frühere Kulturstaatsminister Michael Naumann, der selbst viele Jahre in den USA gelebt hat, beobachtet im Hinblick auf rassistische Tendenzen in der US-Bevölkerung einen "enormen Rückfall", der die ganze Welt bestürze. Man dürfe aber dennoch nicht sagen, dass Amerika gewissermaßen im 19. Jahrhundert stecken geblieben sei, sagte Naumann im Interview mit dem Deutschlandfunk.
    Das Hauptproblem sei aber, dass mit Donald Trump ein Mann US-Präsident geworden sei, dem "rassistische Attitüden" eindeutig nachgewiesen werden können. So habe Trump seinerzeit als Immobilienmogul dafür gesorgt, dass Schwarze nicht in seine 14.500 Wohnungen in New York einziehen konnten.
    Amerika habe sich in den vergangenen Jahrzehnten in Bezug auf die Chancengleichheit deutlich verbessert, aber es gebe bis heute einen "kulturellen Rassismus", so Naumann. Dieser zeige sich soziologisch darin, dass nur wenige "coloured people" in wirtschaftlich mächtigen oder politisch relevanten Positionen seien. "Aber immerhin – es gab einen schwarzen Präsidenten."
    Veränderungen waren "außerordentlich und enorm"
    Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk erinnerte sich Naumann auch an seine Zeit als Austauschschüler in den 1960er-Jahren in den USA, als die Rassentrennung gerade erst aufgehoben worden war. "Gerade war die Schule integriert worden, das heißt, zum ersten Mal waren schwarze Kinder auch an unserer Schule, die mehrheitlich weiß war. Und was sich seitdem in Amerika verändert hatte, war außerordentlich und enorm."
    Mittlerweile gebe es eine schwarze amerikanische Mittelschicht, was damals noch unvorstellbar schien, betonte Naumann, verwies aber auch darauf, dass Ressentiments der Weißen gegenüber Minderheiten noch immer bestehen:
    "Nur, was immer geblieben ist, war in gewissen Bevölkerungskreisen – das muss man einfach beim Namen nennen, das ist zweifellos die untere Schicht der amerikanischen Bevölkerung – Ressentiments gegenüber Afroamerikanern, aber auch gegenüber anderen Minderheiten. Noch in den 70er-Jahren gab es in New Yorker feinen Clubs praktisch keine Möglichkeit, als Afroamerikaner oder als Jude aufgenommen zu werden."
    "Verweildauer im Weißen Haus, die nicht über ein Jahr hinausgeht"
    Er sei jedoch davon überzeugt, so Naumann, dass "diese Erfahrung mit Trump" dazu führen werde, dass sich auch die Trump-Wähler eines Besseren besinnen. Zudem prophezeite Naumann, dass die republikanischen Partei- und Senatsmitglieder in Washington einsehen werden, dass sie die Kongresswahlen im kommenden Herbst wohl verlieren werden, wenn sie Trump unterstützen.
    "Und das wiederum bedeutet in letzter Instanz, dass ich Trump noch eine Verweildauer im Weißen Haus zugestehen würde, die über ein Jahr nicht hinausgeht", sagte Naumann.