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Trump und rechte Gewalt
"Moralischer Verfall der Institution des Präsidenten"

"Diese Ideologie gehört auf den Müllhaufen der Geschichte und hat im Weißen Haus nichts zu suchen", sagte Jacob Schrot von der Initiative junger Transatlantiker im Dlf. Man wisse aber nicht, welche innere Überzeugung Trump tatsächlich habe. Doch wer sich nicht klar von Neonazis distanziere, mache sich zum Komplizen.

Sarah Zerback im Gespräch mit Jacob Schrot | 17.08.2017
    Das Weiße Haus in der Stadt Washington
    Der US-Präsident habe die "Verpflichtung, moralisch, politisch dieses Land zusammenzuhalten, zu einen und sich von diesen Gruppen in aller Deutlichkeit zu distanzieren", sagte Jacob Schrot im Dlf. (picture-alliance / dpa / Arno Burgi)
    Sarah Zerback: Wer wissen möchte, was der US-Präsident denn nun über Rassismus denkt, hat es gar nicht so einfach, auf dem Laufenden zu bleiben. In dieser Woche folgte eine Kehrtwende auf die nächste. Und darüber wollen wir jetzt sprechen mit Jacob Schrot, dem Gründer der Initiative junger Transatlantiker, guten Morgen, Herr Schrot!
    Jacob Schrot: Guten Morgen, Frau Zerback!
    Zerback: Ist der amerikanische Präsident ein Rassist?
    !Schrot:!! Ja, das ist natürlich die Gretchenfrage, die wir uns alle stellen. Ich glaube, Herr Trump hat überhaupt keine so innere Überzeugung, weder als Rassist, noch als Antirassist. In dem Moment, wo Sie natürlich Neonazis nicht klar verurteilen, machen Sie sich zum Komplizen, das müssen wir erst mal ganz klar festhalten. Ich glaube aber nicht, dass Donald Trump diese Pressekonferenz gegeben hat, weil er in seinem Innersten sagte, das sind meine Leute, sondern weil er in seinem Verhalten - das war schon im Wahlkampf so - im Zweifel sich immer auf die Position einlässt, wo er das Gefühl hat: Alle sind gegen mich und deswegen spiele ich jetzt hier den Guerilla*, der sagt, ich mache alles, was ihr nicht sagt. Also, dieses erratische Verhalten des Immer-dagegen-Seins, was die Mehrheit und was ein Konsens der amerikanischen Bevölkerung und was ein Konsens der amerikanischen Politik sagt, dagegen zu sein, das ist so sein Stil. Von daher, was die Überzeugung von Herrn Trump in dieser Frage ist, ich glaube, das muss sich noch klären. Aber in dem Moment, wo Sie sich nicht klar davon distanzieren, machen Sie sich natürlich zum Komplizen.
    "Er hat als Präsident die Aufgabe, dieses Land zu verbinden"
    Zerback: Also, Sie sehen da keine Demaskierung, sondern eher eine Strategie. Heißt das denn, wenn Trump sagt, er will "America great again" machen, dass er America white again machen will? Ist das auch Teil der Strategie?
    Schrot: Richtig ist, dass natürlich eine bestimmte Gruppe ihn überragend ins Weiße Haus gebracht hat, und das waren die weißen Wähler, die zu 67 Prozent, die männliche Bevölkerung, die ihn in dieser denkwürdigen Wahl ins Weiße Haus gebracht haben. Aber natürlich haben wir auch viele Minderheiten und signifikante Minderheiten, die sehr stark für ihn gewählt haben. Von daher, er hat natürlich als Präsident die Aufgabe, dieses Land zu verbinden. Und er hat nicht nur die Aufgabe, diejenigen zu vertreten, die ihn dahingebracht haben, sondern dieses Land als Ganzes. Und was mir eigentlich am meisten Sorgen macht, ist dieser moralische Verfall der Institution des Präsidenten. Wir erinnern uns an Leute wie Kennedy, an Johnson, die durchgesetzt haben gegen damals ja doch eine Mehrheit in der Bevölkerung, dass afroamerikanische Kinder zur Schule, zur Hochschule gehen können, von der Nationalarmee begleitet werden, wir erinnern uns an einen Präsidenten Ronald Reagan, an selbst Bush Junior, die immer dagegen aufgestanden sind, gegen diese rassistischen Tendenzen, egal ob sie Demokrat oder Republikaner im Weißen Haus waren. Es war immer Konsens, dass sie mit diesen Gruppen nicht nur nichts zu tun haben wollen, sondern dass sie ganz, ganz klar dagegen argumentieren und sich davon distanzieren. Und Präsident Trump, egal welches Parteibuch er trägt, egal, wer ihn ins Weiße Haus gebracht hat: Es ist seine Verpflichtung, moralisch, politisch dieses Land zusammenzuhalten, zu einen und sich von diesen Gruppen in aller Deutlichkeit zu distanzieren.
    "Er fühlt sich an seinen Wahlkampf erinnert"
    Zerback: Glauben Sie, dass ihm seine moralische Integrität egal ist?
    Schrot: Ich glaube, Präsident Trump sieht die Welt durch ein anderes Prisma, als wir es sehen. Sehen Sie, man muss sich ja fragen, wie es zu dieser bemerkenswerten Pressekonferenz gekommen ist, wo er diese Kommentare entsprechend revidiert hat, die er zwei Tage vorher gegeben hat, wo er sich ja klar von Rassismus auch distanziert hat. Er war alleine in seinem Apartment im Trump Tower, zum ersten Mal seitdem er gewählt wurde, seine Familie war nicht da, er hat stundenlang Fernsehen geguckt. Das hört sich jetzt ein bisschen banal an, aber tatsächlich, Cable TV nimmt einen unglaublich großen Platz in der Welt von Donald Trump ein, und er sieht, wie alle gegen ihn argumentieren, wie alle auf ihn draufhauen, und er fühlt sich an seinen Wahlkampf erinnert, er fühlt sich an seinen Sieg in der Wahl erinnert, wie er dahingekommen ist - ich gegen den Rest der Welt -, und ich glaube, da kam es dann einfach zu einem erratischen Verhalten. Ob da moralische Erwägungen tatsächlich eine Rolle spielen, kann ich im Ernst nicht einschätzen. Auf jeden Fall, wenn Sie sich nicht davon distanzieren, dann ist das natürlich auch ein moralisches Statement, was Sie machen, egal ob Sie wollen oder nicht.
    Konsens gegen Rassismus und Antisemitismus wird unterminiert
    Zerback: Also, das klingt alles sehr impulsiv. Und dabei fällt ja auch auf, dass es für seine Berater, das Weiße Haus eben keine Möglichkeiten zu geben scheint, ihn zu mäßigen. Der Stabschef John Kelly wollte ja wohl versuchen, Trumps Tweats zu kontrollieren, aber daran ist gar nicht zu denken, oder?
    Schrot: Daran ist derzeit in der Tat nicht zu denken. Und wir haben im Weißen Haus diverse Flügelkämpfe, wir müssen uns auch daran erinnern, dass eigentlich zum ersten Mal in der jüngeren amerikanischen Geschichte ein Vertreter der Alt Right, also der Alternativen Rechten, die auch teilweise das Gedankengut vertreten, das dort in Charlottesville aufgelaufen ist, nun in einem doch sehr erheblichen Teil im Beraterstab des Präsidenten sitzt, nämlich mit Steve Bannen, dem Chefberater von Präsident Trump, der aus dieser Bewegung explizit kommt. Dass diese Debatte über Rassismus, über Antisemitismus in Amerika seit Gründung dieses Staates fortlaufend ist und auch zu diesem Land gehört, diese Auseinandersetzung, das ist nichts Neues. Dass es auch diese Randgruppen gibt, ist auch nichts Neues. Aber dass der politische Konsens, den wir doch jetzt eigentlich seit ein paar Jahrzehnten in Amerika beobachten durften, dass gegen diese Bewegungen anzukämpfen ist, selbst vom Präsidenten unterminiert wird und auch noch von einem Präsidentenberater bestückt wird, das ist schon eine Tendenz, eine Bewegung, die uns auch auf dieser Seite vom Atlantik hier nicht kalt lassen kann.
    Meinung des Präsidenten "kein Seismograf der öffentlichen Meinung"
    Zerback: Und wenn ich da kurz einhaken darf: Nachdem er nun eben die Alt-Right-Bewegung ins Weiße Haus geholt hat, wie Sie sagen, war das also der nächste logische Schritt, jetzt eben auch Neonazis und Ku-Klux-Klan-Mitglieder zu schützen? War das vorhersehbar?
    Schrot: Ich weiß nicht, ob es vorhersehbar gewesen ist, aber es ist in der Logik der Alt-Right-Bewegung zumindest konsequent. Mir ist aber wirklich auch ganz wichtig, noch mal zu betonen: Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vertritt das Land als Ganzes, das ist zumindest der Anspruch. Das heißt aber noch lange nicht, dass jede Meinung, die der Präsident äußert, ein Seismograf der öffentlichen Meinung Amerikas in jedem Detail ist. Präsident Trump spricht damit, mit dem, was er gesagt hat, weder für einen Konsens der amerikanischen Bevölkerung, noch für eine Mehrheit, im Übrigen auch nicht für eine Mehrheit unter seinen Wählern. Amerika ist ein Land mit jahrhundertealter demokratischer Verfassungstradition, die dieses Ringen gegen Antisemitismus und Rassismus in guten und in schlechten Zeiten, bis zum Bürgerkrieg geführt haben, die von 1776, von Gründung dieses Landes über die Verfassungsgebung bis Kennedy, bis in die heutigen Tage, bis Obama fortführt. Und wir dürfen uns noch mal daran erinnern, dass der Anlass für diese Demonstration in Charlottesville eine Diskussion ist, die nicht nur am politischen Rand stattfindet, nämlich der Umgang mit den Symbolen der konföderierten Staaten. Und es ging ja darum, dass diese Statue von General Lee, dem Kommandanten der Südstaatentruppen, heruntergenommen werden sollte. Das ist eine Debatte, die wir auch unter Obama gesehen haben, die wir schon seit langen Jahren sehen und die keine …
    "Trump ist viele Schritte zu weit gegangen"
    Zerback: Und Herr Schrot, wir sehen da jetzt ja auch, dass da eben viel Kritik dran hochkommt, also eben nicht nur von Bürgerrechtlern, nicht nur aus der Bevölkerung, sondern auch von Parteifreunden, etliche Republikaner, die wenden sich da ja von ihm ab.
    Schrot: Ja.
    Zerback: Ist er damit einen Schritt zu weit gegangen?
    Schrot: Trump hat eine ziemlich klare Track Record, würde man in Amerika sagen, von "Schritten- zu-weit-Gehen". Die Frage ist immer noch: Was kann einen sozusagen noch überraschen? Es ist ja nicht das erste Mal, dass republikanische Parteifreunde sich von ihm distanziert haben. In dieser Deutlichkeit ist das tatsächlich trotzdem seit seiner Präsidentschaft das erste Mal. Wir haben Leute wie Marc Rubio, Senator aus Florida, wir haben Paul Ryan, den Sprecher des Repräsentantenhauses, einige andere Senatoren, die sich ganz, ganz klar davon distanziert haben, weil der politische Konsens evident ist. Diese Ideologie gehört auf den Müllhaufen der Geschichte und hat im Weißen Haus nichts zu suchen.
    Zerback: Herr Schrot, noch ganz kurz zum Schluss, Sie haben es angesprochen: Auch diesseits des Atlantiks ist man entsetzt über das, was da in diesen Tagen passiert. Wie soll denn die Bundesregierung damit umgehen? Welche Ansagen soll sie Richtung Washington machen?
    Schrot: Ja, die transatlantischen Beziehungen sind die wichtigste Partnerschaft außerhalb Europas. Und gerade weil das so ist, müssen wir in aller Deutlichkeit Kritik üben. Das ist ja in meinem Privatleben auch so, wenn meine engeren Freunde oder Partner sagen, Jacob, das war nicht gut, was du da gemacht hast, nehme ich das besonders ernst. Und das ist jetzt unsere Aufgabe, Schweigen hilft jetzt nichts, die Bundeskanzlerin hat nach der Wahl von Trump ihm klar angeboten, auf der Grundlage gemeinsamer Werte zusammenzuarbeiten, und diese Werte müssen immer wieder betont werden und das sollte die Bundesregierung in aller Deutlichkeit auch sagen.
    Zerback: Sagt Jacob Schrot, er ist Gründer der Initiative junger Transatlantiker. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Schrot!
    Schrot: Herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    * Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Online-Beitrags stand dort irrtümlich die Bezeichnung "Gorilla" statt "Guerilla".