Donnerstag, 25. April 2024

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Pulse of Europe
"Sonst wird es trüb und dunkel in Europa"

Sie demonstrieren für Europa, gegen Hass und Nationalismus: Die Anhänger von "Pulse of Europe" gehen für die Werte des Kontinents auf die Straße. Am Sonntag trifft Angela Merkel die Macher der Bürgerbewegung. Mitbegründer Daniel Röder fordert eine klare, positive Haltung zu Europa - und mehr Emotion.

Britta Fecke im Gespräch mit Daniel Röder | 24.08.2018
    Rechtsanwalt Daniel Röder steht am 19.03.2017 auf dem Goetheplatz in Frankfurt am Main vor einer Europaflagge. "Pulse of Europe" geht auf eine Idee der Frankfurter Rechtsanwälte Daniel und Sabine Röder zurück.
    Der Rechtsanwalt Daniel Röder hatte gemeinsam mit seiner Frau Sabine die Idee für Pulse of Europe. (picture alliance / dpa / Andreas Arnold)
    Britta Fecke: Von Daniel Röder wollte ich wissen, was er der Kanzlerin gerne mitgeben würde? Auch mit Blick auf die Europawahl im Mai nächsten Jahres ?
    Daniel Röder: Es ist ja immer so eine Sache, ob man und was man der Kanzlerin so mitgeben kann. Sie ist ja in dem Thema Europa ziemlich drin, aber was ich natürlich tun kann, ist, die Stimmungen, die ich von unseren Demos, von den vielen Veranstaltungen mitbekomme und auch von den Rückmeldungen, die ich habe, das mal destilliert weiterzugeben und vor allen Dingen die Botschaft, wir brauchen ein sehr, sehr positive klare Haltung aus der Politik zu Europa, und das muss auch wirklich transportiert werden. Denn das Gegengewicht ist so stark - diejenigen, die jetzt zurück zum Nationalstaat wollen. Und die machen das mit einer wirklichen Inbrunst und voller Überzeugung. Und wenn dem nichts Adäquates entgegengesetzt wird, dann wird es trüb und dunkel in Europa.
    Fecke: Lassen Sie uns noch mal ganz kurz im Licht bleiben: Das Ungewöhnliche an dieser Bürgerbewegung ist ja, dass sie für etwas steht und demonstriert, nämlich für Europa und für die demokratischen Werte. Wen und wie viele konnten Sie denn in den zwei Jahren schon für Europa begeistern?
    Keine Begeisterungsstatistik
    Röder: Wir haben keine Begeisterungsstatistik geführt, aber es sind natürlich viele Menschen gekommen auf die Plätze, insbesondere 2017 vor den Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich. Danach ist es in der Tat so gewesen, dass viele die Lage deutlich entspannter eingeschätzt haben – meines Erachtens zu Unrecht. Nichtsdestotrotz gibt es ganz, ganz viele Aktivistinnen und Aktivisten, Menschen, die vorher nicht im politischen Umfeld tätig waren, sich auch nicht für Europa aktiv engagiert haben, die aber gemerkt haben, wir müssen was tun. Daraus sind schon ganz viele tolle Projekte geworden.
    Fecke: Sie sind ja mit dem Anspruch gestartet, überparteilich zu sein, eine überparteiliche Bewegung. Ist das so geblieben?
    Röder: Wenn man den Begriff der Überparteilichkeit so definiert, dass wir keiner Partei angehören und auch keiner parteipolitischen Richtung zuneigen, dann ist das richtig. Das hält uns aber natürlich nicht davon ab, einzelne parteipolitische Stellungnahmen oder Haltungen zu Europa zu kritisieren. Das ist ganz klar, das sehen wir auch als unsere Aufgabe an. Wir haben zum Beispiel wenig Verständnis gehabt für die geäußerte Linie CSU, zumindest der Protagonisten, die da in den Vordergrund getreten sind, weil wir das als extrem gefährlich ansehen für Europa und auch mit unserem Verständnis einer gesamteuropäischen Lösung eines Themas wie Flüchtlinge und Migration nicht vereinbar ist.
    Fecke: Welche Allianzen, wenn wir beim Überparteilichen noch mal kurz bleiben, über die Parteigrenzen hinweg wären denn wünschenswert, um sich für Europa stark zu machen und den vielen nationalkonservativen oder rechtspopulistischen Regierungen nicht das Feld zu überlassen?
    Röder: Es gibt natürlich ganz viele proeuropäische Organisationen, die zum Teil auch schon viel, viel älter sind als wir, mit denen wir auch sprechen, und ich glaube, gerade im Hinblick auf die Europawahl im nächsten Jahr im Mai, ist es sehr, sehr wichtig, dass sich da auch tatsächlich Kooperationen und Bündnisse zusammentun und auch größere Aktionen und Kampagnen gemeinsam fahren. Das muss man allürenfrei gestalten, um da wirklich auch Zugkraft dahinter zu bringen, denn bei den anstehenden Wahlen ist zum ersten Mal die Gefahr, dass eine nationalistische Organisation, Parteien einen signifikanten Proporz im Europaparlament bekommen, und das gilt es unbedingt zu verhindern.
    Fecke: Wir groß sind denn Ihre Hoffnungen, wenn Sie auf Italien blicken oder auch Richtung Osten auf die polnische, ungarische Regierung, dass Sie tatsächlich relativ viele Menschen in Europa für Europa begeistern können?
    Hoffnung auf Dialog und mehr Emotion für Europa
    Röder: Ich glaube schon, dass auch in den genannten Ländern nach wie vor sehr, sehr proeuropäisches Blut, proeuropäische Kraft, proeuropäische Idee ist. Mit Sorge betrachte ich allerdings schon die Entwicklung. Das muss ich ganz klar sagen. Die nationalistischen Kräfte sind ziemlich stark geworden, haben sich in kürzester Zeit in vielen Ländern etabliert, sind in Regierungen, haben teilweise Verfassungsmehrheiten. Das ist schon erschreckend. Nichtsdestotrotz sehe ich auch, wie viel Gegenkraft da ist. Schön wäre natürlich, wenn wir es irgendwann mal wieder schaffen würden, diesen Riss, der dadurch durch die Gesellschaft geht, auch zu kitten. Im Moment bewegen wir uns da extrem weit auseinander, und ich habe immer wieder das Gefühl, dass da ein quasi archaischer Kampf tobt zwischen unversöhnlich gegenüberstehenden Lagern, und das muss irgendwann wieder in einen Dialog überführt werden. Ich hoffe, das dauert nicht mehrere Jahre, sondern gelingt irgendwann bald wieder.
    Fecke: Hoffnungen ruhen ja auch auf Macron und Merkel. Wie schätzen Sie das ein? Geht da einer voraus und zieht die andere mit oder ziehen beide an einem Strang?
    Röder: Letztes Jahr sah es lange so aus, und das war wahrscheinlich auch dem Bundestagswahlkampf und der schwierigen Koalitionsbildung geschuldet, als sei Macron der einsame Rufer in der Wüste, und er ist da sehr nach vorne geprescht und hat auch einen mutigen Wahlkampf geführt, wie ich finde, in dem er vieles auf die europäische Karte gesetzt hat. Was man jetzt so von der Bundesregierung mitbekommt und hört, ist ja schon, dass sie auf diesen Europazug Macrons mit aufgesprungen sind. Was ich ein bisschen Schade finde, ist, dass da wenig Emotion dahinter ist. Dieser Aufbruch Europas, der im Koalitionsvertrag steht, den spürt man nicht so wirklich in der Bevölkerung. Da müsste aus meiner Sicht mehr ankommen, in welcher Form auch immer, aber ich glaube, dass die beiden Regierungen in Deutschland und Frankreich schon sich sehr nah aufeinander zubewegt haben und dass da noch einiges zu erwarten ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.