Samstag, 11. Mai 2024

Kommentar zu Kim und Putin
Gefährlicher Wahn

Fünf Stunden dauerte das Treffen zwischen Putin und Kim, vermutlich ging es auch um Waffenlieferungen. Doch Kims Besuch bei Putin war vor allem eine Propagandashow, um Größe zu demonstrieren, die beide nicht haben, kommentiert Gesine Dornblüth.

Ein Kommentar von Gesine Dornblüth | 13.09.2023
Kim Jong Un (links) und Wladimir Putin beim Händedruck
Nordkoreas Diktator Kim Jong Un und Russlands Präsident Wladimir Putin haben eine engere Zusammenarbeit vereinbart. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Vladimir Smirnov)
Ausgerechnet am Weltraumbahnhof Wostotschny treffen sich zwei, die manch einer gern zum Mond schießen würde. Wladimir Putin und Kim Jong Un – zwei, die sich in ihrem Wahn zu Höherem berufen fühlen, zwei, die mehr darstellen möchten, als sie sind.
In den ihnen untergebenen Fernsehsendern fliegen beide gleichsam zu den Sternen. Im russischen Staatsfernsehen lobte ein kremltreuer Experte Putin und Kim schon im Vorfeld als – so wörtlich – „Künstler, die eine neue Landschaft der Beziehungen im Fernen Osten malen“. Ein anderer erklärte, dass Nordkorea wirtschaftlich sehr erfolgreich sei, dank der konsequent antiwestlichen Haltung seiner Staatsführer.
Das klingt absurd und hat mit der Realität ebenso wenig zu tun wie die schwülstige Rede Kims, der mit Blick auf den Krieg gegen die Ukraine von einem „heiligen Krieg“ Russlands sprach, das sich verteidigen müsse und „das Böse“ bestrafen werde.

Munition aus Sowjetzeiten

Ein Zweck dieses Treffens ist es, Angst zu schüren und zwei vom Westen isolierte Diktatoren in grelles Licht zu setzen. Was darüber hinaus jenseits der hochsymbolischen Machtdemonstrationen zwischen den beiden Gewaltherrschern vereinbart wurde, ist vorerst unklar. Dass Kim mit einer Militärdelegation reiste, deutet darauf hin, dass Nordkorea Russland, wie von vielen Beobachtern vermutet, tatsächlich Waffen und Artilleriemunition zur Verfügung stellen könnte. Die Munition stammt noch aus Sowjetzeiten. Manche Experten sagen, sie sei zwar reichlich vorhanden, aber nicht besonders funktionsfähig.
Das Treffen der beiden deshalb zu belächeln, wäre jedoch fahrlässig. Denn Russland geht im Krieg gegen die Ukraine allmählich die Munition aus, und auch noch so veraltete Lieferungen aus Nordkorea können Putin helfen, den Krieg zumindest in die Länge zu ziehen. Er setzt darauf, dass der Westen irgendwann müde wird, die Ukraine zu unterstützen.

Billige Arbeitskräfte aus Korea

Außerdem fehlen in Russland Arbeitskräfte, denn viele Männer sind im Krieg und Gastarbeiter aus anderen Ländern haben Russland verlassen. Nordkorea hat billige Arbeitskräfte. Die haben bereits früher wie Sklaven in Russland geschuftet und mussten ihren Lohn an das Regime in Pjöngjang abgeben. Eine UN-Resolution setzte dem ein Ende, Russland schickte 2019 tausende Nordkoreaner nach Hause. Von einer Neuauflage dieses perfiden Systems würden beide Seiten profitieren.
Beunruhigend ist auch Russlands Angebot, Nordkorea beim Bau von Satelliten zu helfen. Das Regime in Pjöngjang ist schwach, aber brandgefährlich für seine Nachbarn. Demonstrativ hat Nordkorea pünktlich zum Gipfeltreffen zwei ballistische Raketen getestet.
Wer nun eine übermächtige Achse des Bösen im Indopazifik beschwört, fällt jedoch auf russische Propaganda herein. Übermächtig sind sie nicht. Gefährlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten allerdings schon.
Gesine Dornblüth, ehemalige Deutschlandradio-Korrespondentin in Moskau
Gesine Dornblüth wurde 1969 in Niedersachsen geboren. Sie studierte Slawistik und promovierte über russische Lyrik. In den 90er-Jahren gründete sie mit ihrem Partner das Büro "texte und toene" in Berlin und produzierte fünfzehn Jahre Alltagsreportagen, Langzeitdokumentationen, politische Analysen aus Russland, der Ukraine, dem Südkaukasus und vom Balkan. Von 2012 bis 2017 war sie Korrespondentin von Deutschlandradio in Moskau.