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Quantum Manifesto
EU-Milliarde für Quantentechnologien

Quantenphysik galt lange als reine Grundlagenforschung, dabei könnten Milliardenbeträge im Markt der Quantentechnologien stecken. Die EU will den Schatz heben und plant dafür ein Forschungsprogramm mit einem Volumen von einer Milliarde Euro aufzulegen.

Von Frank Grotelüschen |
    Ein Würfel mit Binärcodes
    Ein Würfel mit Binärcodes (imago/Science Photo Library)
    "Hier wird nicht verschlafen. Die wissenschaftliche Exzellenz haben wir bereits. Wir können die einsetzen, um diese Innovation auf den Markt zu bringen. Das ist die Grundidee hier."
    Europa - in der Grundlagenforschung spitze, doch bei der Umsetzung in Produkte machen das Rennen oft die anderen, Japan, China oder die USA. Doch diesmal soll es anders laufen, sagt Tommaso Calarco vom Zentrum für Integrierte Quantenwissenschaft und -technologie der Universitäten Stuttgart und Ulm. Und zwar bei den sogenannten Quantentechnologien, die neue Milliardenmärkte für die Zukunft versprechen.
    "Zum Beispiel könnte ich ein Navigationssystem haben, das mir sagt, wo sich mein Auto innerhalb von Zentimetern oder vielleicht sogar Millimetern befindet."
    Basieren würde dieses superpräzise Navi auf den Atomuhren einer neuen Generation - Uhren, die mit einzelnen Atomen funktionieren und deshalb den merkwürdigen Regeln der Quantenwelt folgen.
    Das millimetergenaue Navi fürs Auto
    "Im Labor sind wir heute in der Lage, einzelne Photonen und einzelne Atome gezielt anzusteuern und miteinander zu verbinden. Das eröffnet uns eine total neue Welt mit ungeahnten Möglichkeiten", sagt Alain Aspect, Quantenphysiker am Institute Optique in Paris-Saclay.
    Ungeahnte Möglichkeiten - damit meint er unter anderem die Quantenkryptografie. So heißt eine absolut abhörsichere Datenübermittlung, an der sich selbst die NSA die Zähne ausbeißen würde. Erste Geräte gibt es bereits, aber mit einer Reichweite von 100 Kilometer sind sie nur bedingt praxistauglich. Ein weiteres Feld wären die Quantensensoren: Sie sollen Hirnströme, Magnetkräfte oder Schwerefelder ungleich präziser messen als heute.
    Warnung vor überzogenen Erwartungen
    Und da wäre noch der Quantencomputer - jenes Fabelgerät, das manche Rechenoperationen ungleich fixer ausführen könnte als jeder Supercomputer und das Datenbanksuchen oder Bildanalysen revolutionieren könnte - oder vielleicht sogar die künstliche Intelligenz. Noch aber existieren die meisten Quantentechnologien nur im Ansatz, der Forschungsbedarf ist enorm.
    "Ich muss Sie warnen, und zwar vor überzogenen Erwartungen: Niemand kann heute mit Sicherheit sagen, wann und ob überhaupt ein Quantencomputer funktionieren wird. Denn die Technologie dafür ist ungeheuer schwierig", so Alain Aspect.
    Tommaso Calarco: "Keine einzelne Firma ist in der Lage, das durchzuführen - kein einzelnes Land sogar. Man braucht eine internationale Kooperation, eine Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft."
    Diese Kooperation ist nun auf dem Weg, sagt Tommaso Calarco. In dieser Woche hat die EU verkündet, ein sogenanntes Flaggschiff-Programm für die Quantentechnologien aufzulegen. Eine Milliarde Euro soll fließen, für einen Zeitraum von zehn Jahren. Beschleunigt wurde die Sache dadurch, dass China, Japan und die USA schon aktiv sind - Firmen wie Google, Microsoft und Toshiba investieren bereits Hunderte von Millionen. In Europa hält sich die Wirtschaft zwar noch zurück - zu vage erscheinen die Perspektiven. Einzelne Unternehmen aber engagieren sich schon heute.
    "Wir sehen die Quantentechnologie als eine sehr interessante Möglichkeit in der Zukunft - ich sage bewusst Möglichkeit. Mit großen Chancen, aber auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, dass es nicht erfolgreich wird", sagt Michael Bolle, Forschungschef von Bosch.
    Heute baut sein Unternehmen unter anderem die Beschleunigungssensoren in Handys. Künftige Quantensensoren könnten für neue Märkte sorgen, hofft Bolle. Aber:
    "Ein Problem dabei ist grundsätzlich: Wie bekommen wir Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in die Industrieforschung und damit in den Markt?"
    Hier soll das Flaggschiff-Programm neue Impulse setzen, so jedenfalls die Hoffnung.
    "Wir interessieren uns für dieses Programm, weil wir glauben, dass diese Kluft geschlossen werden muss. Und das kann nur passieren, indem man die Grundlagenforscher mit den angewandten Forschern zusammenbringt, und dass man sich auch neue Konstellationen der Zusammenarbeit überlegt."
    Gelder von der EU könnten 2018 fließen
    Allerdings gab es in Amsterdam erst mal nur die Ankündigung für das Milliardenprogramm. Wie es genau aussehen wird und wofür die Gelder im Detail fließen sollen, ist noch unklar.
    "Jetzt geht es darum, das auszuarbeiten. Wie kann das konkret umgesetzt werden, auf welche Themen fokussiert man sich? Das sind noch Hausaufgaben, die wir alle noch zu machen haben."
    Anfang 2018 müssen diese Hausaufgaben erledigt sein. Dann nämlich sollen die ersten Forschungsgelder aus dem neuen EU-Megaprogramm fließen.