Seit mehr als einem Jahrzehnt kämpft der Rabbiner Michel Serfaty, Universitätsprofessor mit marokkanischen Wurzeln, gegen Vorurteile an. Der inzwischen betagte, frühere Basketballspieler und Spezialist für semitische Sprachen sucht den Dialog mit jungen Muslimen, die mit dem Hass auf alles Jüdische aufgewachsen sind.
2014 schloss Serfaty in Ris-Orangis südöstlich von Paris mit dem Rektor der Großen Moschee von Évry, Khalil Merroun, und dem damaligen Bischof der Diözese, Michel Dubost, einen "Pakt der Brüderlichkeit". Der Pakt machte damals auf nationaler Ebene von sich reden. Der Name Serfaty steht aber vor allem für die Basisarbeit in den gewaltgeladenen Vorstädten, für die jüdisch-muslimische Aussöhnung dort. Er bringt Christen, Juden, Muslime zum gemeinsamen Erinnern an die jüngsten Opfer antisemitischer Taten an einen Tisch. Serfaty öffnet die Türen seiner Synagoge und sagt: "Wir müssen Mauern in den Köpfen einreißen".
Erstarken des Antisemitismus in Frankreich
Unsere Reporterin Ursula Welter hatte den Rabbi bereits mehrmals getroffen, zuletzt nach den Anschlägen auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" und auf einen Supermarkt für koschere Lebensmittel in Paris 2015. Angesichts der jüngsten antisemitischen Vorfälle und der aufgeladenen Stimmung in Frankreich wollte sie jetzt wissen, was es für die jüdisch-muslimische Freundschaftsarbeit bedeutet, dass der Antisemitismus in Frankreich und Europa wieder erstarkt. Und was es für die muslimischen Partner des Rabbiners bedeutet, dass Moscheen angegriffen werden wie zuletzt in Christchurch.
Sie begegnete dem gealterten Rabbiner, der sich weiter voller Elan um jüdisch-muslimische Verständigung bemüht. Sie sprach mit dem Rektor der Großen Moschee von Evry, Khalil Merroun, der sagt: "Wir weinen dieselben salzigen Tränen". Sie beobachtete einen muslimischen Restaurantbesitzer, der zum Gedenken an einen von Muslimen ermordeten jungen Juden eingeladen hatte. Und sie sprach mit Jugendliche aus Einwanderervierteln, die sich um Integration bemühen, sowie mit mutigen Müttern, die sich gegen Gewalt in den Banlieues stemmen.
Literaturhinweis
In der Sendung wurden Zitate aus dem Buch "Tanz mit dem Jahrhundert. Erinnerungen" von Stéphane Hessel gelesen - aus dem Französischen übersetzt von Roseli Bontjes van Beek und Saskia Bontjes van Beek, erschienen im List Taschenbuchverlag, Berlin 2011.
In der Sendung wurden Zitate aus dem Buch "Tanz mit dem Jahrhundert. Erinnerungen" von Stéphane Hessel gelesen - aus dem Französischen übersetzt von Roseli Bontjes van Beek und Saskia Bontjes van Beek, erschienen im List Taschenbuchverlag, Berlin 2011.