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Ärztliche Zweitmeinung

Besonders bei schwerwiegenden Krankheiten oder umfangreichen Eingriffen zögern viele Patienten zunächst angesichts der ihnen vorgeschlagenen Behandlungsmethode. Wer unsicher ist, sollte deshalb eine Zweitmeinung einholen. Das bedeutet aber nicht, dass alle Untersuchungen noch einmal gemacht werden.

Von Justin Westhoff | 20.05.2014
    Ein Arzt entfernt Aknenarben auf dem Gesicht einer jungen Frau mit einem Laser.
    Welche Behandlung ist wirklich angezeigt - und individuell passend? (picture-alliance / dpa)
    "Da bin ich auf so eine Liege gelegt worden, und ich lag da viel zu lange und es war kalt und ich hab mich nicht beschwert. Weil ich immer gedacht hab, "Du musst jetzt genau hören, was der für medizinische Ausdrücke sagt, und dann rufst du hinterher deine Mutter an und fragst mal, was er gemeint hat."
    Besser als bei Verwandten können sich Patientinnen und Patienten bei einem zweiten Experten erkundigen, wenn sie sich nicht ausreichend informiert oder auch hilflos fühlen. Das gilt vor allem für schwerwiegende Krankheiten.
    "Der Patient möchte dann so viel wie möglich Information haben, und in der normalen Praxis ist das sicher schwierig, wenn der Arzt sich die Zeit nicht nimmt oder sie nicht hat," sagt Professor Serdar Deger, Chefarzt für Urologie am Paracelsus-Krankenhaus in Esslingen. Die "Zweiten Meinung" ist eine kompetente Beratung durch solche Ärzte, die selbst nicht an der Behandlung beteiligt sind. Versicherte haben ein Anrecht darauf.
    "Es geht um eine erneute Beratung, vielleicht ausführlichere Beratung, wo der Patient noch Fragen hat hinsichtlich seiner Therapie, seiner Erkrankung, und wo man mehrere Therapien anbieten kann, muss man erstmal die Vorteile und Nachteile jeglicher Therapieformen mit ihm besprechen und natürlich versuchen, seine individuellen Bedürfnisse außerhalb der Heilung zu klären und ihm eine maßgeschneiderte Therapie zu finden."
    Besonders anzuraten ist das in der Krebstherapie. Eine Zweitmeinungssprechstunde gibt es in vielen großen Kliniken mit Tumorzentrum. Zuvor schon tauschen sich die beteiligten Ärzte untereinander aus.
    "Ich stelle Patienten anderen Fachdisziplinen vor, die stellen mir Patienten vor, wir wissen ungefähr, was wir für Therapiemöglichkeiten anbieten können, und dementsprechend bringt natürlich eine interdisziplinäre Kooperation für den Patienten sehr viel."
    Die Entscheidung liegt beim Patienten
    Patienten können ihrerseits bei einem anderen niedergelassenen Arzt oder in einer anderen Klinik eine Zweitmeinung einholen. Die meisten Krankenkassen vermitteln solche Gesprächspartner, und auch bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland gibt es Informationen. Allerdings, kann die Organisation nur generell helfen, sagt die Juristin Michaela Schwabe von der UPD:
    "Wir empfehlen keine Ärzte, sondern wir können ihm nur Ärzte in seinem Wohnort raussuchen und dann auch mehrere, wo er dann auch wieder die Wahl hat, zu welchem Arzt er gehen möchte. Wir können spezielle Kliniken mit Fachabteilungen heraussuchen, wir können ihm auch nur sagen: Dort macht man so und so viele Eingriffe pro Jahr, damit man ungefähr ne Richtgröße hat auch, wie erfahren die Kliniken sind."
    Die Zweite Meinung bedeutet nicht, dass alle Untersuchungen noch einmal gemacht werden müssen. Hauptsächlich werden die bereits erhobenen Befunde aus anderer Sicht erneut bewertet, nur in einigen Fällen wird noch die eine oder andere Diagnose nachgeholt. Schon deswegen muss und sollte man auch mit dem eigentlich behandelnden Arzt sprechen, um von ihm alle Unterlagen zu bekommen. Auch die kassenzahnärztlichen Vereinigungen bieten kostenlose Zweitberatung an, um den Heil- und Kostenplan des eigenen Zahnarztes noch einmal unter die Lupe nehmen zu lassen.
    Manche Patienten fürchten, dass ihr Arzt den Wunsch nach einer Zweitmeinung als beleidigend empfindet, schon gar, wenn der weitere Experte eine abweichende Empfehlungen ausspricht. Heutzutage sollte eigentlich kein Mediziner noch ein Problem damit haben, wenn der Patient erzählt, dass er noch jemand anderen um Rat fragt. Das ist kein Zeichen von Misstrauen, findet Professor Serdar Deger:
    "Also für mich persönlich sicher nicht. Manchmal kann die Therapieentscheidung sich ändern, wenn der Patient eine neue Form von Therapie erfährt oder von Studien erfährt. Also ich hab dann eine Empfehlung oder mehrere Empfehlungen, aber in dieser Situation, liegt doch die letztendliche Entscheidung beim Patienten."
    Vom Internet als alleinige Zeitmeinungsquelle hingegen ist eher abzuraten, wenn man nicht wirklich sehr darin geübt ist, sichere, geprüfte Seiten zu finden. Denn zum Thema Gesundheit finden sich im Web viele zweifelhafte oder gar lebensgefährliche Ratschläge.