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Antiallergika

Menschen, die unter einer Allergie leiden, können dank moderner Medikamente in der Regel ein ganz normales Leben führen. Möglich machen dies unter anderem Antihistaminika. Es gibt aber auch Allergien, bei denen Betroffene besondere Vorsichtsmaßnahmen treffen sollten.

Von Justin Westhoff | 19.03.2019
Eine junge Frau niest am Sonntag (24.04.2011) in Hamburg in ein Papiertaschentuch.
Antihistaminika können gegen Allergien helfen (picture-alliance / dpa / Bodo Marks)
Ganz klar: Das Beste gegen Heuschnupfen, Nahrungsmittelunverträglichkeit, Juckreiz auf der Haut oder Augentriefen ist: Den Kontakt mit Allergieauslösern zu vermeiden. Wo das nicht geht, können zahlreiche Medikamentengruppen zumindest die Symptome lindern. Dabei kommt es selbstverständlich auf die Art der Allergie an. Beispiele nennt Professor Torsten Zuberbier, Sprecher des Allergiezentrums an der Charité Berlin:
"Die häufigsten Allergien sind die Atemwegsallergien und die häufigsten Ursachen sind dort die Pollen: Birke, Erle, Hasel, die Gräserpollen, die Kräuterpollen Beifuß und Ambrosia, dann kommen ganzjährige Allergene hinzu, das sind die Hausstaubmilben, und dann natürlich die Haustiere."
Wer von seiner Katzen-Allergie weiß, sollte selbstverständlich nicht mit diesen Tieren kuscheln. Und wer an Heuschnupfen leidet, muss wohl oder übel auf ein Stelldichein im Heuschober verzichten.
Bei Allergien wird Histamin ausgeschüttet
"Histamin bewirkt, dass an den Nerven Juckreiz oder Reaktionen ausgelöst werden, und an den Blutgefäßen kommt es zur Weitstellung, es kommt zu Schwellungen an der Haut oder in den Schleimhäuten, zu Tränenfluss, und diese klassischen Symptome des Juckens in der Nase, der Augen, mehr oder weniger ausgeprägt bei dem einzelnen Betroffenen."
Zum Histamin gibt es aber einen "Gegenspieler", erklärt Dr. Ursula Sellerberg, Pressesprecherin der Deutschen Apotheker.
"Antihistaminika hemmen, dass dieses Histamin an die entsprechenden Rezeptoren geht. Wenn man Heuschnupfen hat mit einer starken Beteiligung von Nase und Augen, dann sind Nasensprays mit Antihistaminika oder die entsprechenden Augentropfen sehr hilfreich. Antihistaminika heilen eine Allergie nicht, man bleibt weiter allergisch, aber Antihistaminika wirken sehr gut gegen die Symptome einer Allergie."
Man kann Antihistaminika auch als Tabletten einnehmen. Mancher mag sich erinnern, dass diese Substanzen schlapp machten.
"Es gibt verschiedene Generationen bei den Antihistaminika. Die älteste Generation, die hatte als Nebenwirkung, dass sie müde gemacht hat. Die zweite Generation, die heute vor allem eingesetzt wird, die gehen nicht mehr ins Gehirn, weil sie nicht mehr so fettlöslich sind, und die machen weniger müde."
Die älteren Antihistaminika eignen sich vielleicht noch für die abendliche Einnahme – man schläft damit besser ein. Wiederum meist nebenwirkungsarm sind Mittel, die den Wirkstoff Chromoglycinsäure enthalten.
Kortison-Nasenspray kann helfen
Wo diese beiden Substanzen nicht mehr ausreichen, kann Kortison in Form von Nasenspray eingesetzt werden, sagt Dr. Sellerberg:
"Bei Allergien gibt es die rezeptfreien Kortison-Nasensprays. Die darf man aber nur dann anwenden, wenn man vorher als Patient beim Arzt war, und der Arzt hat gesagt: Ja, Sie haben Heuschnupfen."
Ansonsten haben die Sprays nicht die gefürchteten Kortison-Nebenwirkungen. Anders sieht es mit Kortison-Tabletten aus, die man über Wochen in höheren Dosen einnahmen muss.
"Wenn man Kortison als Medikament einsetzt, dann wirkt es auf den ganzen Körper. Dann kann es zu verschiedenen Nebenwirkungen kommen. Auch gegen eine besonders häufige Form von Atemnot gibt es Medikamente. Die Apothekerin Dr. Ursula Sellerberg:
"Wenn man ein allergisches Asthma hat, dann wendet man Asthmasprays an, und diese Asthmasprays, die erweitern die Bronchien und verhindern, dass sich die Bronchien so stark zusammenziehen. Die sind nicht so ganz einfach anzuwenden, das sollte man sich gut zeigen lassen, wie das richtig geht."
Oft schon im Babyalter beginnt eine weitere Erkrankung, die Neurodermitis. Sie unterscheidet sich zwar in manchen Punkten von anderen Allergien, Professor Zuberbier sagt aber:
"Die Neurodermitis gehört in die Allergologie, es ist eine genetisch bedingte Erkrankung, wo Veränderungen in den oberen Hautschichten stattfinden, und es kommt es dazu, dass die Haut schlichtweg juckt."
Ein Mann kratzt sich die Haut am Rücken am Freitag (17.09.2010) in der Poliklinik für Hautkrankheiten am Universitätsklinikum Münster (UKM). Experten diskutieren beim 2. Münsteraner Pruritussymposium Leitlinien für verbesserte Patientenversorgung. Das Kompetenzzentrum Pruritus am UKM ist bundesweit die erste Einrichtung für Patienten mit chronischem Juckreiz. 
Trockene, raue Haut und Juckreiz an vielen Körperstellen - so die Symptome einer Neurodermitis. (picture-alliance/dpa/ Friso Gentsch )
Neurodermitis ist nicht ansteckend
Die Neurodermitis ist – auch wenn das Mancher glaubt – nicht ansteckend, aber für die Betroffenen eine ziemliche Plage: trockene, raue Haut und Juckreiz an vielen Körperstellen.
"Bei Neurodermitis ist ganz wichtig, dass man die Haut pflegt. Und zwar regelmäßig mit einer harnstoffhaltigen Creme, wenn man darüber hinaus noch gegen die Neurodermitis Arzneimittel anwenden will, dann kann man zum Beispiel Kortison haltige Cremes und Salben anwenden, die aber besonders bei Kindern nur jeden zweiten Tag aufgetragen werden, und sollte sie auch nicht im Windelbereich anwenden, nicht im Gesicht, weil dann kann es einfach zu einer zu starken Resorption des Kortisons kommen."
Sabine Schmidt, heute über 50 Jahre alt, leidet seit ihrer Kindheit an Neurodermitis. Sie hat ihre Erfahrungen in einem Buch beschrieben mit dem Titel: "Nicht kratzen, waschen!". Manchmal helfen natürliche Mittel wie Zinksalbe oder Schwarztee. Doch Sabine weiß, dass es ohne stärkere Medikamente meist nicht geht.
"Ich habe es meist als Salbe genommen, Kortison, wenn es wirklich gar nicht mehr ging, weil das auch den Juckreiz nimmt und die Haut mal ein bisschen abheilt, und man selber auch zur Ruhe kommt und ein bisschen Schlaf findet, es gibt auch die Möglichkeit, wenn es sehr schlimm ist, das als Tabletten zu nehmen. Und das andere sind dann Antihistaminika, die den Juckreiz unterbinden."
Ein Wespe (Vespinae) sucht nach Nahrung auf einem Marmeladenbrot
Insektenstiche können für Allergiker tödlich enden (imago/MiS)
Bei einem anaphylaktischen Schock immer den Notarzt rufen
Schließlich noch zu einer besonders gefährlichen Form der Allergie, dem "anaphylaktischen Schock. Dabei kommt es in kurzer Zeit zu Atemnot, Blutdruckabfall sowie Herz- und Kreislaufversagen. Auslöser einer Anaphylaxie können bestimmte Medikamente sein, Insektenstiche oder zum Beispiel auch Erdnüsse. Dr. Ursula Sellerberg:
"Bei einem anaphylaktischen Schock muss man immer den Notarzt rufen. Aber man kann zur Überbrückung verschiedene Medikamente anwenden, das Erste ist, sich eine Spritze mit Adrenalin selbst in den Oberschenkel setzen, und parallel dazu nimmt man ein Antihistaminikum und ein Glukokortikoid, und jeder, der weiß, dass er eine Insektenstichallergie hat, sollte sich vorsorglich vom Arzt ein Notfallset verschreiben lassen, denn auch in Deutschland sterben Menschen an Bienen- oder Wespengift."
Einmal abgesehen von dieser lebensbedrohlichen Allergieart gilt, so Professor Torsten Zuberbier:
"Wir haben inzwischen sehr viele Möglichkeiten, eigentlich kann man das Versprechen geben, jedem Allergiker: Ja, Sie können ein ganz normales gutes, bequemes Leben führen, und das ist auch das Motto unserer Europäischen Stiftung für Allergieforschung: "Lebensqualität trotz Allergie."