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Radiolexikon Gesundheit
Lepra - eine klassische Infektionskrankheit

Lepra, auch als Aussatz bezeichnet, wütete in unserem Breiten im Mittelalter. Heute gilt die Infektionskrankheit bei uns als ausgestorben, weltweit erkranken aber immer noch vor allem in Indien und Afrika jedes Jahr rund 230.000 Menschen. Ein Streifzug durch die Jahrhunderte.

Von Ulrike Burgwinkel |
    "Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich mit Purpur und köstlicher Leinwand und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Es war aber ein armer Mann mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voller Schwären und begehrte sich zu sättigen von den Brosamen, die von des Reichen Tische fielen; doch kamen die Hunde und leckten ihm seine Schwären."
    In der Bibel ist es der arme Lazarus, dessen Krankheit zwar auf Erden nicht geheilt werden kann, der aber im Himmel reich entlohnt wird. Die Lepra ist tatsächlich eine der ältesten bekannten Krankheiten.
    "Die Lepra gilt als eine klassische Infektionskrankheit ."
    Der Medizinhistoriker Dr. Hans-Georg Hofer von der Universität Münster
    "Die Aufklärung auf einen spezifischen Erreger hin ist dem ausgehenden 19. Jahrhundert zu verdanken, einem norwegischen Arzt, Armauer Hansen, der in Bergen um 1870 erstmals den Nachweis führte, dass es einen spezifischen notwendigen Erreger gibt: Mycobacterium leprae."
    In Norwegen hatte sich die Krankheit sehr stark ausgebreitet, während in Deutschland nur vereinzelte Fälle aufgetreten waren, so Hofer. Deswegen wurde erst im folgenden Jahrzehnt von mehreren deutschen Bakteriologen die Erkenntnis des norwegische Kollegen bestätigt. Problematisch war weiterhin die Vielgestalt der Symptomatik.
    Lepra war ein Sammelbegriff für Hautkrankheiten
    Lepra ist ein Sammelbegriff, der historisch zu differenzieren wäre. Die Krankheit kannte man bereits im Altertum – allerdings wurden damals recht unterschiedliche Erscheinungsformen und Symptome unter diesem Begriff versammelt. Man würde heute sagen, dass auch alle Hautkrankheiten unter diese Begriff gekennzeichnet wurden.
    "Buch Levitikus Kapitel 13. Der Herr sprach zu Mose und Aaron: Wenn sich auf der Haut eines Menschen eine Schwellung, ein Ausschlag oder ein heller Fleck bildet, liegt Verdacht auf Hautaussatz vor. Man soll ihn zum Priester Aaron oder zu einem seiner Söhne, den Priestern führen. Der Priester soll das Übel auf der Haut untersuchen."
    "Im Mittelalter unterschied man bereits zwei Formen der Lepra. Zum einen jene "klassische" Lepra, die sich durch Entstellungen bemerkbar machte, durch Knotenbildungen auf der Haut, durch das Abfaulen von einzelnen Gliedern, ganz furchtbare Dinge. Auch das Gesicht hat sich nachhaltig verändert auf eine Art und Weise, dass selbst Angehörige dann einen Leprakranken nicht mehr erkennen konnten. Die Rede war von der sogenannten Facies leonia, also dem Löwengesicht."
    Als die zweite Form der Lepra galt die "Nervenlepra", ein anästhetisches Problem; denn die Erkrankten spürten keine Schmerzen bei einer Verwundung oder Verbrennung und somit kam es zu Wundinfektionen. Sowohl das "Löwengesicht" als auch die schwärenden Wunden der "Gefühllosen" schürten die Angst der gesunden Menschen vor den Erkrankten selbst und vor Ansteckung.
    Kein schlechtes Leben in den Leprosorien
    "Weil sie einen so verstörenden grausamen Verlauf nahm, dachte man lange Zeit, dass die Ansteckungsgefahr eine ganz besonders hohe sei. Dem ist nicht so. Im Gegensatz zur Pest oder auch anderen Infektionskrankheiten ist die Lepra verhältnismäßig schwer übertragbar."
    Trotzdem galt über Jahrhunderte hinweg die Isolation der Erkrankten als einziges Mittel zum Schutz vor Ansteckung.
    "Der Schwerpunkt der Lepra im europäischen Mittelalter führte dazu, dass man in jeder großen Stadt versuchte, Leprakranke außerhalb der Stadtmauern unterzubringen in den Leprosorien und dort führten die Leprakranken ein eigenes Leben. Im Übrigen ein gar nicht mal so schlechtes Leben. Es war weitaus besser, als vagabundierend, bettelnd durch die Lande zu ziehen. Diese Lepraeinrichtungen kennzeichneten eine einigermaßen gute Versorgung und eine autonome Versorgung."
    Wie im Fall des Kölner Leprosorium belegt, waren diese Einrichtungen durch Spenden und testamentarische Verfügungen finanziell recht gut ausgestattet. Um dort aufgenommen zu werden, mussten die Erkrankten ein Gutachten von drei sogenannten Lepra-Beschauern vorlegen. Zu bestimmten Zeiten durften sie sich allerdings auch innerhalb der Stadtmauern aufhalten. Wie zum Beispiel in Nürnberg, einer der größten Städte des Mittelalters. Hans-Georg Hofer:
    "In der Karwoche gab es drei Tage, wo Leprakranke in die Stadt kommen konnten, teilnehmen durften an den religiösen Feierlichkeiten. Bis zu 5000 Leprakranke hatten sich in der Stadt versammelt. Aber es ist gleichzeitig klar, dass es hierzu auch akustischer Warnhinweise bedurfte für die Stadtbevölkerung. Zum Einsatz kamen Hörner und auch die bekannten Holzklappern, sodass das ein recht eindrückliches akustisches Ereignis war, wenn Leprakranke sich innerhalb der Stadtmauern aufhielten."
    Das Lepra-Medikament MDT-Combi des Schweizer Pharmaproduzenten Novartis, der mit der WHO im Kampf gegen Lepra kooperiert.
    Das Lepra-Medikament MDT-Combi des Schweizer Pharmaproduzenten Novartis, der mit der WHO im Kampf gegen Lepra kooperiert. (AP)
    Lepra ist heute heilbar
    Heute versteht man unter Lepra insbesondere die Haut-und Knotenlepra, die zumeist in der Stirn-und Nasengegend auftritt. Sie ist seit den 1980er-Jahren medikamentös heilbar mit einer Kombination verschiedener Antibiotika.
    "Es ist in historischer Perspektive spannend, dass es letzten Endes rund 100 Jahre dauerte, dass vom Nachweis des spezifischen Erregers eine präzise Diagnostik möglich war, eine verlässliche Therapie aber eben erst 100 Jahre später zur Anwendung kommen konnte."
    "Somit ist die Lepra zwar heilbar, aber bei Weitem nicht ausgerottet. An ihr erkranken weltweit, vor allem in Indien und Afrika, jedes Jahr rund 230.000 Menschen. Und bis heute weiß man nicht hundertprozentig genau, wie die Ansteckung funktioniert. Als Favorit gilt die Tröpfcheninfektion. Geforscht wird kaum zur Lepra; denn in den Ländern, die über ausreichend Ressourcen verfügen, ist die Krankheit ausgerottet.
    "Untersucht ihn der Priester und stellt kein weißes Haar auf dem Fleck, keine Vertiefung der Haut, sondern ein Abklingen fest, so soll er ihn sieben Tage lang absondern. Am siebten Tag soll er ihn wieder untersuchen. Hat sich das Übel auf der Haut ausgebreitet, soll er ihn für unrein erklären; es ist ein Fall von Aussatz. Wenn der helle Fleck unverändert geblieben ist, ohne sich auf der Haut auszubreiten, so ist es nur eine angeschwollene Brandnarbe. Der Priester soll den Kranken für rein erklären."