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Rainer Arnold: Mali-Einsatz braucht ein Bundestagsmandat

Im Kampf gegen Islamisten in Nordmali stellt die Bundeswehr zwei Transportmaschinen zur Verfügung, mit denen afrikanische Truppen in die Hauptstadt Bamako geflogen werden sollen. Dass die Armee dafür kein Bundestagsmandat erhalten hat, hält der SPD-Politiker Rainer Arnold für einen "fatalen Fehler". Denn so dürfe die Bundeswehr ausschließlich Bamako anfliegen und könne daher nur sehr eingeschränkt Hilfe leisten.

Rainer Arnold im Gespräch mit Silvia Engels | 17.01.2013
    Doris Simon: Mali beschäftigt nun auch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Der ermittelt nun zu möglichen Kriegsverbrechen in dem westafrikanischen Land. Die Bürger in Nordmali seien seit einem Jahr Opfer extremer Gewalt geworden, begründete die Chefanklägerin des Gerichts Fatou Bensouda den Schritt. Derweil gehen in Mali selber die Kämpfe zwischen den Extremisten auf der einen und Regierungstruppen und französischen Soldaten auf der anderen Seite weiter. Überschattet wird die Auseinandersetzung nun zusätzlich von der Entführung von Dutzenden von Ausländern in Algerien, ein Racheakt für den französischen Einsatz im Nachbarland.

    Im Konflikt in Mali stellt Deutschland zwei Transportmaschinen zur Verfügung für den militärischen Einsatz der Eingreiftruppe der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Ein Bundestagsmandat ist aus Sicht von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière dafür nicht erforderlich, aber die Opposition im Bundestag sieht das anders.

    Meine Kollegin Silvia Engels sprach darüber mit dem verteidigungspolitischen Sprecher der SPD im Bundestag, Rainer Arnold, fragte ihn aber zunächst nach der Geiselnahme in Algerien im Standort des Energiekonzerns BP und fragte, ob dies ein Anzeichen für eine Ausweitung des Konfliktes über Mali hinaus sei.

    Rainer Arnold: Diese Ausweitung ist insgesamt zu befürchten, und deshalb dürfen wir ja nicht zuschauen, dass in Mali ein Terrorstaat entsteht. Es ist bekannt, dass diese El-Kaida-Ableger im Maghreb eine Agenda haben, die nicht nur bedeutet, das Kalifat in Mali einzurichten, sondern ihre Agenda richtet sich insgesamt gegen den Westen, und deshalb wollen wir ja nicht zuschauen, bis die immer stärker werden. Und diese Ereignisse in Algerien bestätigen ja nur, dass dringender Handlungsbedarf besteht.

    Silvia Engels: Wechseln wir zur politischen Dimension hierzulande. Die Bundesregierung hat angekündigt, zwei Transall-Maschinen zu entsenden, und zwar nicht als direkte Hilfe für Frankreich, sondern für die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft. Die will ja 3300 Soldaten in das Krisenland entsenden. Ist das eine gute Entscheidung?

    Arnold: Zunächst mal ist es richtig, dass hier eine schnelle Entscheidung getroffen wurde, und die Soldaten, die die Staatengemeinschaft Westafrikas nach Mali entsenden will, auch Transportmöglichkeiten haben. Das ist zunächst mal zu begrüßen und es ist dringend notwendig, weil die Franzosen sicherlich in der Lage sind, mal eine eingenommene Stadt auch wieder zu befreien. Aber dann Städte zu halten, dazu bedarf es dann viel, viel mehr Soldaten, die auch langfristig dort gebunden sein werden.

    Engels: Die Maschinen sollen ja nur die afrikanischen Truppen in die als sicher geltende malische Hauptstadt Bamako fliegen, und diese Sicherheit, die nimmt die Bundesregierung als Argument dafür, dass ihrer Ansicht nach ein Mandat des Bundestages für diese Entsendung nicht nötig sei. Lassen Sie das gelten?

    Arnold: Ich halte diese Bewertung für völlig falsch. Das Verfassungsgericht hat insbesondere beim Urteil über den AWACS-Einsatz in der Türkei deutlich gemacht, nicht die Frage, ob Soldaten selbst gefährdet sind, ist Maßstab für die parlamentarische Beteiligung, sondern die Frage ist, wird mit deutschen Soldaten ein Teil, wenn es auch nur ein kleines Rädchen ist, geliefert für einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte. Und dies, was ECOWAS, die Staatengemeinschaft dort vor hat, ist natürlich ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte, und wer die Truppen transportiert, ist Teil dieses Auftrages. Und deshalb springt die Bundesregierung hier viel zu kurz. Ich halte es wirklich für einen fatalen Fehler, hier nicht das Mandat des Bundestages einzuholen.

    Der zweite Punkt ist: Das Verfassungsgericht sagt dann auch zusätzlich, es geht bei dieser Einschränkung, dass die Handlungsoptionen der Regierung parlamentarisch abgesegnet sein müssen, auch darum, dass es nicht möglich ist, dass die Regierung einen Weg geht, der über schleichende Prozesse am Ende immer eine tiefere Verstrickung in solche Konflikte beinhaltet, ohne dass der Deutsche Bundestag involviert ist. Auch deshalb ist es falsch.

    Und mein drittes Argument ist: Ich habe so ein bisschen Sorge, dass sich die Regierung hinterm Deutschen Bundestag versteckt. Wenn irgendjemand fragt, könnt ihr auch mal auf einem anderen Flughafen landen, eben nicht nur in der Hauptstadt, dann wird die Regierung erklären, nein, können wir nicht, weil wir kein parlamentarisches Mandat haben, und darüber wird das Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages innerhalb der Staatengemeinschaft diskreditiert, als ob wir die Verantwortlichen wären, dass Deutschland nicht immer so handlungsfähig ist, wie es vielleicht notwendig ist.

    Engels: Herr Arnold, heißt das im Umkehrschluss, dass die SPD-Fraktion überlegt, dieses Mandat und dieses Recht, über das Mandat zu bestimmen durch den Bundestag, vor dem Bundesverfassungsgericht einzuklagen?

    Arnold: Ich bin Verteidigungspolitiker und kein Jurist und gehöre auch zu denen, die diesen Konflikt zunächst mal politisch führen und ausdiskutieren. Vielleicht können wir die Regierung ja noch so weit bringen, dass sie ihre Entscheidung korrigiert, weil wir sehen ja jetzt schon, dass innerhalb der nächsten 14 Tage auch anstehen wird, dass die Bundesregierung auch Soldaten nach Mali schickt zur Ausbildung der malischen Streitkräfte, und das ist dann auf jeden Fall mandatspflichtig. Vielleicht kann man ja dann die Transall mit in so ein neues Mandat aufnehmen und den Fehler wieder heilen. Ich würde mich da nicht festlegen und sage ausdrücklich, Verteidigungspolitiker wollen eigentlich den politischen Streit führen, nicht so sehr den juristischen.

    Simon: Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.