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Ramelow: Wagenknecht und Bartsch ideale Doppelspitze

Der Fraktionsvorsitzende der Linken in Thüringen, Bodo Ramelow, nennt Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch die "Idealkombination" einer neuen Doppelspitze der Linkspartei. Es gehe in dieser Frage nich um eine Lötzsch-Ersatz, sondern darum, dass die Linkspartei künftig als gesamtdeutsche Partei Bestand habe.

Bodo Ramelow im Gespräch mit Peter Kapern |
    Peter Kapern: Sie hat Fidel Castro zu einem kampferfüllten Leben gratuliert, mit höflicher Verneigung zum Geburtstag, und sie hat Wege zum Kommunismus gesucht in einem Zeitungsartikel, und gestern spät abends hat sie den Ausgang gesucht. Gesine Lötzsch ist als Co-Vorsitzende der Partei Die Linke zurückgetreten - aus privaten Gründen, so hieß es gestern in einer dürren Pressemitteilung. Heute früh ging sie dann persönlich in Berlin vor die Presse.
    Bei uns am Telefon ist nun Bodo Ramelow, der Fraktionschef der Linken im Landtag von Thüringen. Guten Tag, Herr Ramelow.

    Bodo Ramelow: Guten Tag!

    Kapern: Wie bewerten Sie den Rücktritt von Gesine Lötzsch? Ist das ein herber Rückschlag für die Partei?

    Ramelow: Ich nehme erst mal den persönlichen Teil dabei zur Kenntnis, und da wird einfach deutlich, dass private Sorgen und öffentliches Leben einfach nicht zusammenpassen und eine schwere Belastung sind. Deswegen sind meine Gedanken im Moment bei Gesine Lötzsch und ihrem Mann, und wenn man denn mit dem eigenen Lebenspartner, mit dem eigenen Ehemann ins Krankenhaus muss und dann wirklich eine Entscheidung trifft, ist das eine, die man, ich als Politiker sozusagen respektvoll zur Kenntnis nehme, und ich wundere mich dann über Äußerungen von Herrn Hubertus Knabe, weil ich dann wirklich frage, ist er jetzt der neue Geschmacksbestimmer in der Bundesrepublik Deutschland. Ich sage, dass ich Gesine Lötzsch und ihrem Mann die Daumen drücke und wirklich emotional bei ihnen bin, aber für uns als Partei steht sowieso eine Personaldebatte an. Der Göttinger Parteitag ist vorbereitet, am Wochenende ist Vorstandssitzung, das heißt, wir können in Ruhe die nächsten Schritte jetzt gemeinsam bereden.

    Kapern: Sehen Sie es mir nach, Herr Ramelow, wenn ich jetzt noch mal Ihre Gedanken auf die Partei zu lenken versuche. Gesine Lötzsch hat ja als Vorsitzende nicht immer nur ein glückliches Händchen gehabt: Ich erinnere da noch mal an die Debatte über die Wege zum Kommunismus. Kann es sein, dass sich in der Partei - bei allem Respekt jetzt für Ihre Entscheidung und ihre Gründe - auch Erleichterung breitmacht?

    Ramelow: Also ich verstehe ja bis heute diese Aufregung um diesen Aufsatz nicht, denn da ist offenkundig wieder der Antikommunismus quer durch Deutschland galoppiert, denn offenkundig hat den Aufsatz niemand richtig zu Ende gelesen. Da steht in der Überschrift was vom Wege zum Kommunismus und das endet mit dem Hinweis, der Weg ist das Ziel, und es ist eine Absage an den stalinistischen Kommunismus. Aber das ist so wie mit dem Geburtstagsglückwunsch an Fidel Castro: Der ist jahrelang offenkundig von niemandem bemerkt worden. Aber als Gesine Lötzsch und Klaus Ernst ihn abgeschickt haben, ist er zum Aufreger geworden. Das kommt mir alles dann so ein bisschen wie, na ja, das Sommertheater vor.
    Nein, ich finde, man hat jetzt einfach respektvoll zur Kenntnis zu nehmen, welche Entscheidung Gesine Lötzsch getroffen hat, und wir als Partei müssen jetzt unsere Personaldebatten in Ruhe weiterführen. Ich bin froh - und das weiß ich einfach aus vielen Gesprächen -, dass im Moment ganz viele sehr vertrauensvolle Gespräche schon stattgefunden haben, und mit der Entscheidung werden wir ein paar weitere Gespräche noch führen müssen. Aber zu allererst müssen wir den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen führen, und das ist eine Herausforderung für alle Landesverbände. Da darf sich keiner zurücklehnen, denn die Frage, ob wir als gesamtdeutsches Projekt mit Gewicht links von der SPD in Zukunft kraftvoll Politik gestalten wollen, ist auch davon abhängig, ob wir in NRW in den Landtag wieder hineinkommen.

    Kapern: Personalentscheidung, Personaldebatte, das sind für uns Journalisten, Herr Ramelow, Sie werden das wissen, prima Stichworte, das machen wir ganz gerne. Also: Wer schwebt Ihnen denn dann da vor als künftige Parteispitze?

    Ramelow: Ich bin in der komfortablen Situation, meine Idealwünsche immer wieder äußern zu dürfen, selbst wenn ich weiß, dass die so gar nicht eintreten werden. Aber meine Idealkombination ist nach wie vor Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch gemeinsam als Doppelspitze, weil da sehr unterschiedliche Akzente unserer Partei gemeinsam deutlich würden, und wir sind nur als Gesamtpartei stark. Wir sind eben nicht in irgendeiner Strömungslogik stark. In einer Strömungslogik würden wir nur zur Holding, zu einer politischen Holding werden, und wir würden den typischen deutschen linken Fehler machen, drei Linke, vier Spaltungen, darüber würde sich Herr Oppermann dann von der SPD freuen. Den Gefallen sollten wir wirklich dem Herrn Oppermann nicht tun.

    Kapern: Und der würde sich weniger freuen, wenn die Partei Die Linke eine Vorsitzende hätte, die sehr nah an der Kommunistischen Plattform ist?

    Ramelow: Das weiß ich nicht, ob Frau Wagenknecht nah an der Kommunistischen Plattform ist. Ich weiß auch nicht, was daran verwerflich wäre, wenn die Diskussion über den Kommunismus als Idee zulässig wäre. Ich bin gebundener Christ und ich sage, ein Blick in die Bibel würde schon manch einem helfen, denn das Urchristentum ähnelt doch dem, was auch in der Kommunismusdebatte jenseits der Gulags und jenseits der Verbrechen auch von Kirche eine Rolle gespielt hat.

    Kapern: Aber ein Blick in das Sündenregister der SED könnte ja auch behilflich sein.

    Ramelow: Ja, aber ich weiß nicht, wer das nicht getan hat, außer dass Herr Hubertus Knabe davon lebt und damit seinen Arbeitsplatz gestaltet, dass er die Geister der SED heute noch jagt. Dabei ist nun wirklich nachweislich 1989 die Mauer gefallen. Die Ein-Parteien- oder die Parteiendominanz der SED ist sozusagen in sich zusammengebrochen. Können wir nicht einfach froh sein, dass die deutsche Teilung vorbei ist, und können wir nicht zur Kenntnis nehmen, dass ein modernes europäisches Land auch eine starke sozialistische Partei braucht? Das heißt natürlich, dass man sich auch mit den Dingen Menschenrechtsverletzungen in der DDR beschäftigen muss. Darum will ich mich ja gar nicht drücken. Aber es nur darauf zu reduzieren, ist sozusagen das Thema von Herrn Knabe und nicht mein Thema, und ich sage mal, die SPD braucht ein linkes Gegengewicht. Wenn wir den gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn durchsetzen wollen, wenn wir einen Schutzschirm für Menschen wollen und nicht nur einen Schutzschirm für Banken, dann braucht es eine starke Linke.

    Kapern: Aber bleiben wir noch mal bei Ihrer Lieblingskandidatin Sahra Wagenknecht und Ihrer Nähe zur Kommunistischen Plattform. Sie schließen also aus, dass dort DDR-Verklärung und Ostalgie betrieben wird?

    Ramelow: Ich weiß nicht, was ich da ausschließen soll. Ich weiß auch nicht, was daran sozusagen verkehrt sein soll zu sagen, es hat 40 Jahre eine DDR gegeben, da hat es Gutes und Schlechtes gegeben. Warum soll man dann darüber nicht sprechen.

    Kapern: Wenn man dann das Schlechte beiseitelässt, ist das vielleicht nicht mehr historisch korrekt.

    Ramelow: Das weiß ich nicht. Das unterstellen Sie jetzt einfach nur.

    Kapern: Nein, das war eine Frage!

    Ramelow: ... , weil ich der Kommunistischen Plattform nicht angehöre und auch weniger sozusagen den Bedarf habe, dort nachzuhören, was da alles so erzählt wird. Ich erlebe ja, dass ich als Pragmatiker schon vom Verfassungsschutz belästigt werde. Ich erlebe: ich werde ja demnächst in Karlsruhe meine Klage haben und dann werden wir ja mal sehen, ob ein Oppositionsführer, der die größte Oppositionspartei im Thüringer Landtag führt, einfach vom Bundesamt für Verfassungsschutz ausgeschnüffelt werden darf, ob das wirklich eine zulässige Geschichte ist. Also von daher ist die Frage, ob wir über DDR reden oder nicht reden, nicht die entscheidende Frage einer Zukunft einer Linken, sondern die Frage, die wir stellen müssen, ist: Haben wir Perspektiven für Schlecker-Frauen, oder lassen wir zu, dass drei Euro oder vier Euro Stundenlohn in Zukunft als Normalität akzeptiert wird. Das sind die gesellschaftlichen Fragen und dann bin ich auch gewillt, auch über die Fehlentwicklung der staatssozialistischen Staaten zu reden, weil ich will nicht zurück zur DDR und ich will auch nicht zur KPDSU, aber ich will, dass in Deutschland die Menschen alle die gleichen Chancen bekommen, und darum drückt sich die derzeitige Politik in Deutschland völlig.

    Kapern: Jetzt habe ich aber noch eine andere Frage, Herr Ramelow. Warum kann es nicht zum Führungsduo Bartsch-Wagenknecht kommen Ihrer Meinung nach?

    Ramelow: ... , weil meine Lieblingskandidatin Sahra Wagenknecht immer für sich ausschließt, Vorsitzende werden zu wollen, und von daher glaube ich, dass wir in den nächsten Tagen da in Ruhe debattieren müssen. Aber ich bin auch ...

    Kapern: Wer ist denn Ihre zweitliebste Kandidatin?

    Ramelow: Das kann ich Ihnen sagen. Ich kann Ihnen drei Namen sofort nennen, und das ist das, warum ich sage, wir sind in einer guten Situation. Wir haben in Nordrhein-Westfalen Katharina Schwabedissen als dortige Landesvorsitzende, die bewiesen hat, dass sie Verantwortung tragen kann und nach außen ein starkes sozialpolitisches Gesicht und Gewicht hat. Wir haben in Hessen Janine Wissler, eine junge Frau, die in der Landtagsfraktion als Vorsitzende Verantwortung trägt und in Frankfurt gerade einen respektablen Wahlkampf in einer Nischensituation wirklich geführt hat. Und wir haben ein Schwergewicht, das ist Dora Heyenn in Hamburg, eine kraftvolle gestandene Persönlichkeit, die bewiesen hat, dass man auch mit realpolitischer Herangehensweise und einer Vision, einer sozialistischen Vision über den Tag hinaus Wahlkämpfe auch erfolgreich führen kann und wieder in die Bürgerschaft in Hamburg gekommen ist. Also drei Frauen, die für eine andere gesamtdeutsche Linke stehen, und das ist doch eine vorteilhafte Situation, um zu sagen, lassen Sie uns in Ruhe den Göttinger Parteitag vorbereiten. Es geht nicht nur um den Ersatz für Gesine Lötzsch, sondern es geht darum, ob wir als gesamtdeutsche Partei Bestand haben, und da ist der zentralste Punkt nicht die Personaldebatte, sondern der nordrhein-westfälische Landtagswahlkampf, den wir jetzt erst mal erfolgreich führen müssen.

    Kapern: Bodo Ramelow war das, der Fraktionsvorsitzende der Linken im Thüringer Landtag. Herr Ramelow, vielen Dank für das Gespräch. Schönen Tag noch!

    Ramelow: Bitte, gerne!

    Kapern: Tschüß!

    Ramelow: Tschüß!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.