Mittwoch, 24. April 2024

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Rapper Käptn Peng
„Ich bin kein politischer Künstler“

Noch ein Schauspieler, der Musik macht: Robert Gwisdek hat sich als Rapper Käptn Peng dem Alternative-Hip-Hop verschrieben. Als "politischer Künstler" will er nicht verstanden werden, eher als "politischer Mensch". "Nicht jeder Song hat eine geheime Message", sagte Gwisdek im Corsogespräch über sein neues Album "Das nullte Kapitel".

Robert Gwisdek alias Kätpn Peng im Corsogespräch mit Anja Buchmann | 20.05.2017
    Die 2012 gegründete deutsche Alternative-Hip-Hop-Band Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi.
    Baufällige Instrumente, rumpelnde Beats und surreale Texte: überzeugende Markenzeichen der 2012 gegründeten deutschen Alternative-Hip-Hop-Band Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi (Andie Welskop)
    Anja Buchmann: Mit dem Album "Expedition ins O" machte er 2013 als "Käptn Peng und die Tentakel von Delphi" auf sich aufmerksam: Robert Gwisdek, Schauspieler und Musiker, Sohn der – ebenfalls – Schauspieler Michael Gwisdek und Corinna Harfouch.
    Zwischendurch gab es noch die Musik zum Film "Alki Alki" von Axel Ranisch, an dem er mit seiner Band mitgewirkt hat und nun die neue Platte "Das nullte Kapitel", auf dem sich Gwisdek alias Käptn Peng wieder irrwitzig und Hals über Kopf durch Fragen des Lebens, des Menschseins und des Universums rappt.
    Im musikalischen Prolog "Das nullte Kapitel" spricht er: "Das Peng gebar sich selbst im Dichterdarm des Wörterwals" – da stellt sich zunächst mal die Frage: Wer oder was ist dieses "Peng" eigentlich?
    Robert Gwisdek: Das Peng… ist eine gute Frage. Also das Peng ist so eine Art Figur... hmmm.
    Buchmann: Hat Sie das noch niemand gefragt?
    Gwisdek: Nee, da muss ich tatsächlich erst mal drüber nachdenken, was das Peng eigentlich ist. Also das Peng ist natürlich das, was ich mir als meine Figur überlegt habe, aber im Grunde genommen habe ich es mir nicht wirklich überlegt, sondern bin es einfach so geworden. Aber manchmal ent-personalisiere ich das ganz gerne, weil man dann irgendwie andere Sachen erzählen kann. Ich bin ja relativ eindeutig nicht in dem Darm eines Wals geboren worden, das kann man ja nachprüfen.
    Buchmann: Ja, das sagt sogar Wikipedia…
    Gwisdek: Deshalb habe ich das einfach mal als eine Kunstfigur erhoben.
    "Käpt'n Peng war teilweise eine Definition in mir für den Urknall"
    Buchmann: Dann sind Sie gemäß diesem ersten Song, "das nullte Kapitel" gemeinsam mit dem Monster, das sogar ein sanftes Monster ist, scheinbar auf der Suche nach dem Verfasser des nullten Kapitels. Ist das so etwas wie, mal etwas pathetisch gesagt, die Suche nach dem Sinn? Also nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest – wie Douglas Adams sagen würde.
    Gwisdek: Es ist nicht so weit entfernt von diesen Worten, die du gerade benutzt hast. Das nullte Kapitel ist für mich ein bisschen wie das, was vor allem war. Also vor dem ersten Kapitel sozusagen. Und wenn ich das auf das Universum münze, ist es quasi: Was war vor dem Urknall.
    Käpt'n Peng war sogar teilweise eine Definition in mir für den Urknall, weil es sozusagen der größte Knall ist. Also das "Peng" ist ja ein Knallgeräusch und Käpt'n Peng heißt sowas, wie "der Chefknall" und der Chefknall ist ja wie der Urknall – und was war vor diesem Urknall, wenn es ein davor gibt.
    Buchmann: Trägt der das dann auch ein bisschen in sich, wenn Käpt'n Peng der Urknall ist, trägt er dann auch den Sinn ein bisschen in sich?
    Gwisdek: Den tragen wir alle in uns.
    Buchmann: In der Tat. Sie singen oder rappen in "MC Homo Sapiens Sapiens": Ich bin hochbegabt, aber blind, Millionen Jahre alt, aber immer noch ein Kind, ich bin die Krone der Schöpfung und arbeite langsam an meiner eigenen Löschung". Das bezieht sich, denke ich mal, auf den Mensch allgemein, aber ein bisschen vielleicht auch auf Sie, auf Robert Gwisdek? Begabter Wortkünstler einerseits und kindlich verspielt andererseits?
    Gwisdek: Ja klar, warum nicht. Also, ich arbeite zwar nicht an meiner eigenen Löschung und bin auch nicht Millionen Jahre alt – also den Kontrast zwischen einer reichen Innenwelt und einer gleichzeitig sehr eindeutig spürbaren Blindheit, kann ich auch von mir berichten. Aber es ist eher auf den Menschen gemünzt, der ganze Text.
    "Die Seele ist ein Wahrnehmungsfeld"
    Buchmann: Im Sinne von: Reiche Innenwelt und ansonsten nicht alles verstehen können - "Ich bin sehr klug, aber meine Seele dumm"? Wie sie in "Im Labyrinth" singen?
    Gwisdek: Nein, das ist sozusagen ein Spiel damit, dass es meistens andersrum gesagt wird, sozusagen die Seele weiß alles aber wir als Körper sind noch nicht weit genug, die Impulse der Seele weich genug durchzulassen. Um so klug zu handeln, wie unsere Seele es eigentlich sozusagen schon vorher weiß. Und ich drehe es einfach ein bisschen frech um und sage: Ich bin eigentlich sehr sehr klug, aber meine Seele ist dumm, was natürlich ein Quatsch ist.
    Buchmann: Ist es ein Quatsch? Ist alles nur Spiel?
    Gwisdek: Nein, die Aussage ist Quatsch. Meine Seele ist nicht dumm. Sie ist aber auch nicht klug. Keine Seele ist, wenn es denn eine Seele gibt, klug oder dumm, sondern sie ist einfach ein Wahrnehmungsfeld oder so.
    Buchmann: Und die Schwierigkeit ist dann halt, irgendwie in Kontakt mit diesem Wahrnehmungsfeld zu kommen.
    Gwisdek: Genau, die Dummheit… es gibt auch keine richtige Dummheit, es gibt vielleicht eher Blindheit. Also es ist die Verwirrung, in der man sozusagen 90 Prozent seines Tages verbringt, oder ich zumindest, hat nichts damit zu tun, dass man dumm ist, also etwas nicht weiß, sondern dass man vielleicht sich vor bestimmten Dingen verschließt und sich bestimmten Dingen hinwendet, die Blindheit fördern.
    "Manchmal spiele ich auch einfach nur mit Sprache"
    Buchmann: Verstehen Sie Ihre Texte eigentlich vollständig?
    Gwisdek: Ja, schon. Also es gibt Songs, die haben eine relativ klare Deutungsebene, wenn man so will. Und dann gibt es Songs, da spiele ich tatsächlich. Also es ist jetzt nicht so, dass jeder Song auf dem Album eine extrem dezidierte geheime Message hat, sondern manchmal spiele ich auch einfach nur mit Sprache und mache so Umdrehungen und Abstrusitäten, die ich ein bisschen aneinander reihe und sammle und einfach entspannt damit rum spiele.
    Und dann gibt es Songs, die sind natürlich sehr viel genauer getaktet, da sitze ich länger dran und versuche das wirklich in sich geschlossen sinnhaft zu halten. Deswegen gibt's auch Songs, die ich nicht verstehe, weil sie so halb zufällig passieren und dann gibt's Songs, die verstehe ich, weil ich sie sehr genau versuche niederzuschreiben.
    "Keiner kennt die Grenzen des Lebens"
    Buchmann: Das heißt, Sie wären auch damit einverstanden, wenn Menschen sagen: Ich höre Ihre Songs, lass mich durch den Rhythmus tragen, durch den Sound, es ist eine Art Stream of Consciousness für mich und ich verstehe aber ehrlich gesagt nicht immer, was Sie alles da so sagen wollen?
    Gwisdek: Ja, natürlich. Ich verstehe ja auch nicht, was die Welt mir sagen will. Ich verstehe ja noch nicht mal einen Baum. Was will er mir sagen, keine Ahnung wie er funktioniert, das ist ein Wunder, dass er überhaupt da ist. Ich versteh noch nicht mal meinen Körper, obwohl ich ihn bewohne und sage: Wow, wie machst du das mit dem Verdauen von Nahrung und dann kommt dann am Ende Energie raus, die sich in Körperzellen ergießt, ich verstehe das alles nicht.
    Wir wohnen in einem riesigen Kosmos, den wir Null Komma Null verstehen. Und trotzdem können wir uns von den Bildern, können wir durch die Fußgängerzone laufen und einfach nur über Bullshit nachdenken, obwohl wir parallel ein gigantisches Wunder bewohnen.
    Buchmann: Also, selbst wenn man das so macht, dass man es einfach nur so passieren lässt, ihre Songs, und sich da rein groovt und sich daran erfreut, dann bleibt man aber trotzdem immer an einzelnen Sätzen hängen. Zum Beispiel im Song "Pi" ist mir das so gegangen: "Spricht ein niemals enden wollendes Gedicht und gibt der Ewigkeit ein sterbliches Gesicht".
    Das hat mich deshalb auch so angesprochen, weil es die Frage nach der Ewigkeit, der Unendlichkeit, der Sterblichkeit ist, die mich auch als Kind fasziniert und auch entsetzt hat. Ging Ihnen das auch so?
    Gwisdek: Also auf jeden Fall, wenn man das das erste Mal als Kind realisiert, dieses Dilemma zwischen: Ist das Universum unendlich, kann ja gar nicht sein, aber hat es dann eine Grenze? Kann ja auch nicht sein. Was ist hinter der Grenze? Also wenn man das sozusagen rein logische Dilemma des Gedankens von Unendlichkeit tatsächlich das erste Mal so begreift, da hat man schon Ehrfurcht.
    Mir als Kind ging es auf jeden Fall so, dass ich sehr energetisiert war von dieser Frage und dachte: Um Gottes Willen. Also als ich zum Beispiel das erste Mal festgestellt habe, dass kein Erwachsener darauf eine Antwort hat. Alle laufen rum und leben ihr Leben aber keiner weiß das wirklich. In was für einer Art von gigantischem Farbenspiel namens Universum wir hier eigentlich rum tanzen. Und keiner das weiß, warum das da ist und was Endlichkeit und Unendlichkeit ist. Keiner kennt die Grenzen des Lebens, des Universums.
    Da war ich schon auf jeden Fall erstaunt. Das kann einem Angst machen. Mir macht es nicht so viel Angst, ich bin eher fasziniert davon, also es macht mich ein bisschen high, wenn ich darüber nachdenke. Aber ich kann total verstehen, dass Leute sagen: Das sprengt mir den Kopf, ich will mich lieber auf das konzentrieren, was direkt vor mir ist.
    "Ich mache mich des öfteren darüber lustig, wie bescheuert wir als Menschen sind"
    Buchmann: Sind Sie, abgesehen von den Themen Ewigkeit, Unendlichkeit, was war vor dem Urknall, wie auch immer - betrachten Sie sich auch als politischen Künstler? Es gibt ein paar Anklänge, aber ich würde Sie nicht dezidiert als einen solchen beschreiben. Wie sehen Sie sich selbst?
    Gwisdek: Als politischen Künstler überhaupt nicht. Ich bin vielleicht ein politischer Mensch, aber kein politischer Künstler.
    Buchmann: Aber Sie würden zustimmen, wenn ich sage, dass in einigen Texten auch politische Dinge anklingen?
    Gwisdek: Ja, also ich glaube, es ist relativ eindeutig dass wenn jetzt über die Unendlichkeit des Universums in neun von zehn Songs nachdenke, ich nicht gleichzeitig rechtsradikal bin, wäre eine Kontradiktion, aber das zeige ich auch kurz mal. Aber an sich lasse ich das relativ weit draußen. Also außer, dass ich mich natürlich öffentlich des öfteren darüber lustig mache, wie bescheuert wir als Menschen sind, sage ich jetzt mal.
    "Ich mag Nationalstolz eigentlich in keinerlei Bezug"
    Buchmann: Naja, in "Neue Freunde" singen Sie zum Beispiel "Deutschland lieben und das Leben hassen – ich nähe euch ein rosa Einhorn auf die Lederjacken", okay, Lederjacken kann jetzt alles bedeuten, ich war jetzt von wegen "Deutschland lieben" direkt wieder in der rechtsradikalen Ecke, dass sie die irgendwie einfangen wollen.
    Gwisdek: Ja, klar, es ist eine kurze Spitze in die Richtung von Menschen, die mir erklären wollen, dass sie sozusagen auf ihr Land wieder stolz sein wollen und dass sie ein Recht dazu haben, nationale… also ich mag Nationalstolz eigentlich in keinerlei Bezug, weil es irgendwie für mein Empfinden immer die Definierung einer Gruppe ist, die Spaltung macht. Also man muss sich als Mensch definieren, der auf einem Planeten wohnt. Nur dann hat man die Chance, den Planeten auch aufzuräumen oder etwas gegen Klimawandel zu tun.
    All diese Probleme, die wir haben. In dem Moment, wo man anfängt zu sagen, ich denke nur als Spanier oder als Finne oder als Deutscher, da habe ich das Gefühl, das ist beschränkt, da fehlt was und das finde ich schade. Dass man aus Spaß sagen kann: Ich bin stolz auf mein Land, weil es im Fußball gewonnen hat, finde ich in Ordnung. Aber Leute, die mir wirklich allen Ernstes erzählen wollen, dass ihre philosophische Ausrichtung ist, dass sie germanische Kultur wichtig finden und schade finden, dass die jetzt weg geht, da sage ich, das ist wirklich ein dermaßener Kindergarten – wozu?
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.