Anne Raith: Zugegeben, die Ortswahl liegt nicht direkt auf der Hand, wenn man bedenkt, dass es in erster Linie um die weitere Strategie der NATO in Libyen ging. Doch geplant wurde das Treffen der NATO-Außenminister in Berlin, das erste seit gut 15 Jahren, natürlich im Vorfeld, bevor sich Deutschland im UNO-Sicherheitsrat enthielt, als es um die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen ging. Doch die deutsche Haltung in der Libyen-Krise ist nur eine von mehreren Kontroversen, die das Bündnis in den vergangenen Tagen durchgerüttelt haben und die auch die freundlichen Gesichter und das resolute Händeschütteln in Berlin nicht verbergen konnten. Auf der einen Seite die Briten und Franzosen, die mehr Engagement, mehr Angriffe der NATO fordern, auf der anderen Seite die Belgier und Spanier, die das wiederum ablehnen. Und mittendrin beziehungsweise irgendwie außen vor die Deutschen. Vor der Sendung habe ich mit dem Generalsekretär der NATO, mit Anders Fogh Rasmussen sprechen können und ihn gefragt, wie tief der Riss ist, der derzeit durch das Bündnis geht?
Anders Fogh Rasmussen: Nun, das Bündnis ist einig. Wir haben ein sehr produktives Treffen der Außenminister in Berlin gesehen, wir haben uns auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt. Die Militärbefehlshaber versichern uns, dass sie alles tun, um die UNO-Resolution umzusetzen und dass sie auch die nötigen Mittel haben zur Umsetzung der Resolution und zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen. Ich sehe also keine wesentlichen Änderungen bei unserem Einsatz voraus.
Raith: Sie sagen, die NATO spricht derzeit mit einer Stimme, warum hören wir dann französische, britische und deutsche Stimmen?
Rasmussen: Ja, aber wenn Sie sich auf den Brief von Präsident Obama, Präsident Sarkozy und Premierminister Cameron beziehen, so ist dieser Brief eben ein Beleg für die Einheit innerhalb des Bündnisses. Die Außenminister der NATO-Staaten haben sich auf eine gemeinsame Erklärung verständigt, und sie steht dem Grundton nach voll in Übereinstimmung mit dem Brief dieser drei Regierungschefs.
Raith: Ich meinte eigentlich die französische und britische Kritik, dass die NATO mehr Angriffe fliegen muss, um die Zivilbevölkerung in Libyen zu schützen.
Rasmussen: Nun, wir haben ein sehr fruchtbares Gespräch gehabt. Wir sind durch die militärischen Kommandeure über die Lage vor Ort unterrichtet worden, es herrschte Einigkeit im Kreise der Außenminister, dass wir tun, was wir tun können, dass wir bereits auch sehr viel getan haben und auch darin weiterfahren werden. Seit wir das Kommando übernommen haben, haben wir mehr als 2500 Einsätze geflogen, davon 1000 als Beschuss auf wichtige militärische Ziele in Libyen. Wir haben also viel geleistet, und wir werden darin fortfahren zum Schutze der libyschen Zivilbevölkerung.
Raith: Sie halten die aktuelle Strategie der NATO also für ausreichend?
Rasmussen: Ja, das ist in der Tat so, jedoch müssen wir unseren Einsatz auch fortwährend an die im Fluss befindliche Lage am Boden anpassen. Die Situation ändert sich ja ständig. Wir haben kürzlich einen Taktikwechsel bei Gaddafis Truppen gesehen, sie verwenden jetzt Zivilfahrzeuge, sie verstecken Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und anderes militärisches Gerät in den Städten. Sie setzen menschliche Schutzschilde ein, um ihre Militärbestände zu schützen. All das macht unser Vorgehen schwieriger. Wir müssen also beständig unseren Einsatz an die veränderte Lage anpassen, auch um Verluste bei der Zivilbevölkerung zu verhindern.
Raith: Haben Sie denn eine neue Strategie, um darauf zu reagieren?
Rasmussen: Ja, wie ich schon sagte, es ist eine Situation, die sich ständig ändert und auf die wir uns ständig einstellen müssen. Unsere Befehlshaber sind darin sehr erfahren, ich habe volles Zutrauen in sie, und ich kann Ihnen versichern, unser Einsatz wird weitergehen, wir werden alles tun, um die UNO-Resolution voll umzusetzen und die Zivilbevölkerung zu schützen.
Raith: Aber wie genau wollen Sie die Zivilbevölkerung schützen, zum Beispiel in Misurata, wo die Bevölkerung ja immer noch leidet, eingeschlossen in der Stadt?
Rasmussen: Ja, es ist zutiefst empörend zu sehen, wie das Regime Gaddafis systematisch die Zivilbevölkerung in Städten angreift, wie etwa in Misrata, aber auch an anderen Orten. Ich rufe das Regime Gaddafis auf, diese brutalen Angriffe sofort einzustellen. Die Flugzeuge der NATO tun alles, was sie können, um die militärischen Einheiten Gaddafis zu treffen, sobald sie die Zivilbevölkerung bedrohen oder angreifen, wie es in Misrata geschehen ist.
Raith: Ist das nicht ein Problem, dass Gaddafi genau weiß, dass er mehr als Luftschläge nicht zu fürchten hat, also dass er weiß, wie weit die NATO gehen wird beziehungsweise nicht gehen wird?
Rasmussen: Ja, selbstverständlich ist es kein Geheimnis. Wir haben ja vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen keinerlei Mandat erhalten, Bodentruppen einzusetzen. Unser Mandat besagt, dass wir die Zivilbevölkerung schützen sollen, indem wir Flugzeuge einsetzen. Wir sind aufgefordert worden, eine Flugverbotszone durchzusetzen, ebenfalls mithilfe von Flugzeugen, und wir sind ferner aufgefordert, ein Waffenembargo durchzusetzen, ebenfalls durch den Einsatz von Flugzeugen und Seestreitkräften. Es ist keinerlei Geheimnis, dass wir keine Absicht haben, mit Bodentruppen einzumarschieren.
Raith: Wie beziehungsweise wann glauben Sie denn, die militärische Pattsituation lösen zu können?
Rasmussen: Nun, ich werde mich hier nicht in Vermutungen ergehen, ich hoffe, dass möglichst bald eine Lösung gefunden wird. Klar ist jedoch auch, dass eine militärische Lösung allein nicht möglich ist. Durch die militärischen Maßnahmen schützen wir die Zivilbevölkerung, wir üben aber auch militärischen Druck auf das Gaddafi-Regime aus. Letztlich wird es aber darum gehen, einen politischen Prozess in Gang zu bringen, der zu Reformen führt, welcher die legitimen Forderungen des libyschen Volkes positiv erfüllt.
Raith: Wo endet denn die militärische und wo beginnt die politische Lösung, was muss da geschehen?
Rasmussen: Nun, ich glaube, die beiden Ansätze müssen einander ergänzen. Je stärker der militärische Druck auf Gaddafi ist, desto leichter wird es sein, eine politische Lösung zu finden. Die internationale Kontaktgruppe, die sich vor wenigen Tagen in Doha getroffen hat, hat es eindeutig erklärt: Die Zeit für Gaddafi und sein Regime ist abgelaufen. Er muss die Macht abgeben. Die Außenminister der NATO haben sich eindeutig hinter diese Erklärung gestellt. Wir beobachten also heute, dass Gaddafi vollständig isoliert ist auf der internationalen Bühne. Diese Verbindung von militärischem und politischem Druck wird letztlich dazu führen, dass er die Macht abgibt.
Raith: Sie sagen also, ein Waffenstillstand reicht nicht aus, Gaddafi muss gehen?
Rasmussen: Ja, in der Tat. Das Spiel ist aus. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie diese Angriffe und auch die Gewalt enden könnte, solange Gaddafi noch im Amt ist.
Raith: Der Generalsekretär der NATO Anders Fogh Rasmussen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk über die Strategie des Bündnisses in Libyen.
Anders Fogh Rasmussen: Nun, das Bündnis ist einig. Wir haben ein sehr produktives Treffen der Außenminister in Berlin gesehen, wir haben uns auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt. Die Militärbefehlshaber versichern uns, dass sie alles tun, um die UNO-Resolution umzusetzen und dass sie auch die nötigen Mittel haben zur Umsetzung der Resolution und zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen. Ich sehe also keine wesentlichen Änderungen bei unserem Einsatz voraus.
Raith: Sie sagen, die NATO spricht derzeit mit einer Stimme, warum hören wir dann französische, britische und deutsche Stimmen?
Rasmussen: Ja, aber wenn Sie sich auf den Brief von Präsident Obama, Präsident Sarkozy und Premierminister Cameron beziehen, so ist dieser Brief eben ein Beleg für die Einheit innerhalb des Bündnisses. Die Außenminister der NATO-Staaten haben sich auf eine gemeinsame Erklärung verständigt, und sie steht dem Grundton nach voll in Übereinstimmung mit dem Brief dieser drei Regierungschefs.
Raith: Ich meinte eigentlich die französische und britische Kritik, dass die NATO mehr Angriffe fliegen muss, um die Zivilbevölkerung in Libyen zu schützen.
Rasmussen: Nun, wir haben ein sehr fruchtbares Gespräch gehabt. Wir sind durch die militärischen Kommandeure über die Lage vor Ort unterrichtet worden, es herrschte Einigkeit im Kreise der Außenminister, dass wir tun, was wir tun können, dass wir bereits auch sehr viel getan haben und auch darin weiterfahren werden. Seit wir das Kommando übernommen haben, haben wir mehr als 2500 Einsätze geflogen, davon 1000 als Beschuss auf wichtige militärische Ziele in Libyen. Wir haben also viel geleistet, und wir werden darin fortfahren zum Schutze der libyschen Zivilbevölkerung.
Raith: Sie halten die aktuelle Strategie der NATO also für ausreichend?
Rasmussen: Ja, das ist in der Tat so, jedoch müssen wir unseren Einsatz auch fortwährend an die im Fluss befindliche Lage am Boden anpassen. Die Situation ändert sich ja ständig. Wir haben kürzlich einen Taktikwechsel bei Gaddafis Truppen gesehen, sie verwenden jetzt Zivilfahrzeuge, sie verstecken Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und anderes militärisches Gerät in den Städten. Sie setzen menschliche Schutzschilde ein, um ihre Militärbestände zu schützen. All das macht unser Vorgehen schwieriger. Wir müssen also beständig unseren Einsatz an die veränderte Lage anpassen, auch um Verluste bei der Zivilbevölkerung zu verhindern.
Raith: Haben Sie denn eine neue Strategie, um darauf zu reagieren?
Rasmussen: Ja, wie ich schon sagte, es ist eine Situation, die sich ständig ändert und auf die wir uns ständig einstellen müssen. Unsere Befehlshaber sind darin sehr erfahren, ich habe volles Zutrauen in sie, und ich kann Ihnen versichern, unser Einsatz wird weitergehen, wir werden alles tun, um die UNO-Resolution voll umzusetzen und die Zivilbevölkerung zu schützen.
Raith: Aber wie genau wollen Sie die Zivilbevölkerung schützen, zum Beispiel in Misurata, wo die Bevölkerung ja immer noch leidet, eingeschlossen in der Stadt?
Rasmussen: Ja, es ist zutiefst empörend zu sehen, wie das Regime Gaddafis systematisch die Zivilbevölkerung in Städten angreift, wie etwa in Misrata, aber auch an anderen Orten. Ich rufe das Regime Gaddafis auf, diese brutalen Angriffe sofort einzustellen. Die Flugzeuge der NATO tun alles, was sie können, um die militärischen Einheiten Gaddafis zu treffen, sobald sie die Zivilbevölkerung bedrohen oder angreifen, wie es in Misrata geschehen ist.
Raith: Ist das nicht ein Problem, dass Gaddafi genau weiß, dass er mehr als Luftschläge nicht zu fürchten hat, also dass er weiß, wie weit die NATO gehen wird beziehungsweise nicht gehen wird?
Rasmussen: Ja, selbstverständlich ist es kein Geheimnis. Wir haben ja vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen keinerlei Mandat erhalten, Bodentruppen einzusetzen. Unser Mandat besagt, dass wir die Zivilbevölkerung schützen sollen, indem wir Flugzeuge einsetzen. Wir sind aufgefordert worden, eine Flugverbotszone durchzusetzen, ebenfalls mithilfe von Flugzeugen, und wir sind ferner aufgefordert, ein Waffenembargo durchzusetzen, ebenfalls durch den Einsatz von Flugzeugen und Seestreitkräften. Es ist keinerlei Geheimnis, dass wir keine Absicht haben, mit Bodentruppen einzumarschieren.
Raith: Wie beziehungsweise wann glauben Sie denn, die militärische Pattsituation lösen zu können?
Rasmussen: Nun, ich werde mich hier nicht in Vermutungen ergehen, ich hoffe, dass möglichst bald eine Lösung gefunden wird. Klar ist jedoch auch, dass eine militärische Lösung allein nicht möglich ist. Durch die militärischen Maßnahmen schützen wir die Zivilbevölkerung, wir üben aber auch militärischen Druck auf das Gaddafi-Regime aus. Letztlich wird es aber darum gehen, einen politischen Prozess in Gang zu bringen, der zu Reformen führt, welcher die legitimen Forderungen des libyschen Volkes positiv erfüllt.
Raith: Wo endet denn die militärische und wo beginnt die politische Lösung, was muss da geschehen?
Rasmussen: Nun, ich glaube, die beiden Ansätze müssen einander ergänzen. Je stärker der militärische Druck auf Gaddafi ist, desto leichter wird es sein, eine politische Lösung zu finden. Die internationale Kontaktgruppe, die sich vor wenigen Tagen in Doha getroffen hat, hat es eindeutig erklärt: Die Zeit für Gaddafi und sein Regime ist abgelaufen. Er muss die Macht abgeben. Die Außenminister der NATO haben sich eindeutig hinter diese Erklärung gestellt. Wir beobachten also heute, dass Gaddafi vollständig isoliert ist auf der internationalen Bühne. Diese Verbindung von militärischem und politischem Druck wird letztlich dazu führen, dass er die Macht abgibt.
Raith: Sie sagen also, ein Waffenstillstand reicht nicht aus, Gaddafi muss gehen?
Rasmussen: Ja, in der Tat. Das Spiel ist aus. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie diese Angriffe und auch die Gewalt enden könnte, solange Gaddafi noch im Amt ist.
Raith: Der Generalsekretär der NATO Anders Fogh Rasmussen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk über die Strategie des Bündnisses in Libyen.