Im Umfeld des Supercups zwischen dem FC Bayern München und RB Leipzig sowie dem DFB-Pokalspiel zwischen dem Hallescher FC und Greuther Fürth ist es sowohl in sozialen Medien als auch auf den Rängen zu rassistischen Vorfällen gegen zwei Fußballspieler gekommen: Bayern-Youngster Mathys Tel und Fürths Mittelfeldspieler Julian Green. Die Bundesliga zeigte Solidarität mit den betroffenen Spielern und ihren Vereinen.
Inhaltsverzeichnis
- Wie waren die Reaktionen auf die rassistischen Beleidigungen?
- Warum kommt es immer wieder zu rassistischen Anfeindungen im Fußball?
- Ist der Sport besonders anfällig für Rassismus und Diskriminierung?
- Wie sieht Handeln gegen Rassismus aus, was muss sich ändern?
- Warum ist der Dialog mit Täterinnen und Tätern so wichtig?
Wie waren die Reaktionen auf die rassistischen Beleidigungen?
Der Deutsche Fußball Bund hat seinen Kontrollausschuss eingesetzt, um die Vorwürfe zu prüfen. Bernd Neuendorf, Präsident des DFB, nimmt dazu auf der DFB-Homepage Stellung: "Fußball steht für Gemeinschaft, für Gemeinsinn und ein gemeinschaftliches sportliches Erlebnis. Und eben nicht für Ausgrenzung, Hass und Diskriminierung. (…) Hier ist neben dem DFB und allem gesellschaftlichen Engagement auch Zivilcourage von jedem Einzelnen gefordert."
Der Hallesche FC, zu dessen Anhängern der mutmaßliche Täter offenbar gehört, hat auf seiner Internetseite mit einem offenen Brief reagiert: "Wir möchten uns bei Julian Green und allen Spieler, die betroffen sind, entschuldigen", ist da zu lesen. Ein Zuschauer habe sich "beleidigend über Spieler aufgrund ihrer Hautfarbe und ihrer Nationalität geäußert – das sowohl in Richtung der Fürther als auch unserer HFC-Spieler."
Alexander Zorniger, Trainer von Greuther Fürth hatte die Beleidigung seines Spielers öffentlich gemacht. Julien Green sei als "Affe" bezeichnet und beleidigt worden. Das hatte Zorniger mit klaren Worten verurteilt: "Das legt einen Schatten über alles. Das ist einfach ärgerlich. So machen wir uns kaputt und spielen dem braunen Gesocks, das bei uns auch noch politisch verankert ist, in die Karten".
Auch der FC Bayern machte in den sozialen Medien bekannt, dass sein Stürmer Mathys Tel nach der Supercup-Niederlage gegen RB Leipzig rassistisch beleidigt worden war und verurteilte die "menschenverachtenden Kommentare".
Warum kommt es immer wieder zu rassistischen Anfeindungen?
Schon bei der U21-Europameisterschaft im Juni/Juli 2023 waren Jessic Ngankam von Hertha BSC und Dortmunds Youssoufa Moukoko in den sozialen Netzwerken rassistisch beleidigt worden. Beide hatten bei der U21-Europameisterschaft einen Elfmeter verschossen.
"Wenn wir gewinnen sind wir alle Deutsche und wenn wir verlieren, sind wir Affen", stellte Youssoufa Moukoko fest.
Es komme immer wieder zu rassistischen Anfeindungen, "weil die Gesellschaft, die Problematik darin noch nicht wirklich versteht", erklärt Eric Mbarga fest. Er ist Gastreferent für das DFB-Projekt "Fußball Verein(t) gegen Rassismus". Die Gesellschaft sei immer noch damit beschäftigt, befangen zu sein.
"Wir machen in der Prävention noch zu wenig, in der Abholung von Fußballfans noch zu wenig. Warum gehen wir nicht mal auf diese Leute zu, die beleidigen? Das Ziel wäre es, das Ganze durch eine klare Haltung anzugehen, aber auch durch das Abholen der Menschen, die da nicht abgeholt werden", sagte Mbarga im Interview mit dem Deutschlandfunk. Mbarga ist seit Oktober Kinderschutz- und Präventionsberauftragter des FC Bayern Campus. Bei der Prävention geht es ihm auch um die von Rassismus betroffenen Spieler.
Er plädiert dafür, zum Beispiel bei der Nationalmannschaft „Rassismus-sensible Psycholog*innen, People of Colour einzustellen, die selbst vielleicht Rassismus-Erfahrungen haben und sich mit der Thematik auskennen. Und indem man aber auch präventiv für die Teams Antirassismus-Workshops veranstaltet, indem man eben die Jugendlichen darauf vorbereitet, dass es solche Dinge gibt und ihnen Handlungsleitfäden an die Hand gibt. Aber sie einfach auch mal fragt: 'Was wünscht ihr euch denn im Umgang mit der ganzen Thematik? Was wünscht ihr euch, wie können wir euch als Mannschaft helfen?'"
Ist der Sport besonders anfällig für Rassismus und Diskriminierung?
"Jein", sagte Lorenz Narku Laing, Sozialwissenschaftler und Diversitytrainer im Dlf: "Im Sport sehen wir durch die Konkurrenz- und Feindessituation einen größeren Anreiz, diskriminierend zu handeln, weil man dem anderen eins ‚reindrücken‘ will. Gleichzeitig ist der Sport aber ein sehr kooperationsbedürftiger Bereich, wo Zusammenarbeit mit dem anderen Sport überhaupt erst möglich macht."
Wie sieht Handeln gegen Rassismus aus, was muss sich ändern?
Es braucht mehr People of Colour oder Menschen mit Migrationshintergrund und Führungs- oder Machtpositionen im Sport, ist eine der Forderungen von Experten wie Eric Mbarga. Das würde den Fußballstrukturen mehr Normalität geben und das Weltbild von Täterinnen und Tätern verändern:
"Denn bis jetzt erleben sie nur eine bestimmte Gruppe in Leitungsfunktion, in Entscheider*innenfunktion, in Funktionen, die einfach Macht haben und wenn man eben dieses Bild dekonstruiert, indem man den Fußball auch strukturell und institutionell verändert, verändert man auch das Bild, das diese Menschen automatisch haben. Und das ist eines der größten Probleme, das wir nach wie vor auch nicht wirklich angehen".
Diversität in Sport-Führungspositionen fordert auch Sozialwissenschaftler Lorenz Narku Laing. Das ist einer seiner fünf Punkte gegen Rassismus. Weiter empfiehlt er, einen Anti-Rassismusbeauftragten als Ansprechperson zu berufen, das Thema bei Veranstaltungen sichtbar machen, die Haltung gegen Rassismus und Diskriminierung in der Vereinssatzung verankern und Druck Richtung Verband. Menschen im Sport müssten sagen: "Wir wollen einen diskriminierungsfreien Sport für alle. Und deswegen wünschen wir uns mehr Förderung, mehr Fortbildung, mehr Coachings, mehr Trainings und klarere Vorgaben in unserem Sport."
Warum ist der Dialog mit Täterinnen und Tätern so wichtig?
Sowohl Lorenz Narku Laing als auch Eric Mbarga setzen auf Dialog. Sie plädieren dafür Täterinnen und Täter nicht auszugrenzen. Vielmehr sollten Vereine diese Personen auffordern:
"Du machst jetzt an zwei, drei Workshops im Verein bei uns mit, wo du vielleicht nicht mit der direkt betroffenen Person in dem Fall, aber wo du dich mit People-of-Colour-Rassismus-Expert*innen hinsetzt und einmal darüber redest, was da passiert. Oder indem du beispielsweise Zivilstunden machst bei einem Migrantenverein und die Personengruppen, die du angreifst, einfach auch mal kennenlernst und vielleicht dadurch die Chance hast, Vorurteile abzubauen", sagt Eric Mbarga.
Eine Person aus dem Verein zu entfernen oder von der Tribüne zu verbannen, löse nicht das Problem.