Freitag, 29. März 2024

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Raubkunst der Stasi
Wem gehört der Goldschatz im Stasimuseum?

Aus dem Stasimuseum wurden Anfang Dezember vier Schmuckstücke gestohlen, weitere 52 lagern noch dort. Wer die Besitzer der Schätze sind, ist unklar. Das Stasimuseum hat sie von einem Bundesamt ausgeliehen, dort weiß man aber nichts über die Herkunft. Nach den Eigentümern hat noch niemand gesucht.

Von Claudia van Laak | 18.12.2019
Der Eingang des Stasimuseum im Haus 1 der ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR ist am Abend beleuchtet
Der Eingang des Stasimuseums im Haus 1 der ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (dpa / Gregor Fischer)
Jörg Drieselmann öffnet einen Tresor, wuchtet einen Pappkarton heraus.
"Das ist das, was ich habe."
Der Leiter des Berliner Stasimuseums greift in den Karton, holt ein Objekt nach dem anderen heraus. Durch Noppenfolie und durchsichtige Plastiktüten schimmert es golden, ab und zu blitzen Granaten und Diamanten hervor. Das größte Stück: eine Goldkrone, aus der jemand die Edelsteine herausgebrochen hat. Jörg Drieselmann wiegt eine schwere Kette in der Hand, an der Goldmünzen befestigt sind.
"Das sind österreichische Münzen, das mag vielleicht Österreich-Ungarn gewesen sein."
Drieselmann packt weiter aus: eine historische goldene Haarspange in Schmetterlingsform mit aufgesetzten Perlen und Granaten. Eine vergoldete Walnuss, innen mit Diamanten besetzt. Ein breiter Goldgürtel, dazu das passende Armband.
"Da stellt sich wirklich die Frage, wie eigentlich kommt die Stasi zu diesen Objekten?"
1962 – direkt nach dem Mauerbau – leerte die Stasi Depots und Schließfächer in der gesamten DDR, in denen Personen, die in den Westen gegangen waren, zuvor ihre Wertgegenstände verwahrt hatten. "Aktion Licht" hieß dieser staatliche Raubzug. In den späteren Jahren wurden Kunstsammler mit hohen Steuerschulden konfrontiert – da sie diese in der Regel nicht begleichen konnten, wurden ihre Sammlungen – oder Teile davon – konfisziert. Außerdem, so Drieselmann: "Von jedem Republikflüchtling, da hat man geguckt, was haben die dagelassen, jetzt waren die weg im Westen, dann ist man in die Wohnung rein und hat geguckt, das, das und das nehmen wir mit, keine Frage."
Kunsthandel für Devisen
Und dann war da ja noch die Kunst und Antiquitäten GmbH – Teil des Imperiums von Alexander Schalck-Golodkowski. Sein Auftrag lautete: Devisenbeschaffung für die DDR. Kunst und Antiquitäten eigneten sich dafür besonders gut – und so gelangten auch zuvor staatlich geraubte Gemälde, historische Möbel und Schmuckstücke in den Westen. Und wo befinden sich diese Kulturgüter heute, die sich die Stasi unrechtmäßig angeeignet hat?
"In alle Winde zerstreut und es ist äußerst schwer, die Wege einzelner Objekte nachzuvollziehen. Und daran war der Stasi natürlich auch gelegen, die Herkunftszusammenhänge unklar zu machen", sagt Ralf Blum, Historiker und Archivar beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen.
Alexander Schalck-Golodkowski am 11.03.1984 auf dem Leipziger Flughafen Schkeuditz am Rande der Ankunft des bayerischen Ministerpräsidenten Strauß. | Verwendung weltweit
Stasi und Kunsthandel - Echtes Geld für falsche Kunst
Der Devisenbeschaffer der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski, verkaufte Kunst in den Westen – auch Fälschungen. Ein neuer TV-Film geht den Methoden von damals auf den Grund.
Blum hat in den vergangenen zwei Jahren die Stasi-Akten auf Hinweise zu Raubkunst untersucht und wird im Frühjahr ein entsprechendes Inventar veröffentlichen. Diese Veröffentlichung könnte früheren Eigentümern oder deren Nachfahren bei der Recherche nach ihren vermissten Kunstwerken helfen.
"Wir konzentrieren uns auf Dokumente. Also wir geben Aktensignaturen an, mit denen Interessierte sich ein Bild machen können, um welche Vorgänge es geht. Und natürlich sind darin auch Listen mitunter, und einzelne Stücke bezeichnet, die sind aber nicht genau beschrieben. Denn die Stasi hatte ja die Sachen und hat sie nur ungefähr beschrieben."
Nach den Eigentümern hat niemand gesucht
Nach der öffentlichen Debatte über NS-Raubkunst könnte nun die Zeit nach 1945 in den Fokus rücken: von der Stasi geraubte und später in den Westen verscherbelte Kulturgüter. Der Berliner Rechtsanwalt Ulf Bischof vertritt Sammler und Museen auf der Suche nach ihrer zu DDR-Zeiten verschwundenen Kunst.
Aus dem Stasimuseum in Berlin wurden Anfang Dezember vier Schmuckstücke gestohlen, weitere 52 lagern dort noch. Wer die Besitzer der Schätze sind, ist unklar. Das Stasimuseum hat sie von einem Bundesamt ausgeliehen, dort weiß man aber nichts über die Herkunft. (18.12.2019)
Schmuckstück im Stasimuseum in Berlin (deutschlandradio / Claudia van Laak)
"Es gibt sehr viele Stücke sowohl in den Museen als auch in privater Hand, die aus diesem Kontext stammen. Und das ist mitnichten aufgearbeitet. Im Grunde stehen wir da noch ganz am Anfang", sagt Bischof.
Und was ist mit dem Goldschatz aus dem Stasimuseum? Warum wurden die 56 Stücke – nach dem Diebstahl sind es noch 52 – nicht an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben? Die Spur führt zum Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen. Diese Behörde hat den Goldschmuck an das Stasimuseum ausgeliehen. Museumschef Jörg Drieselmann:
"Es kann ja auch vom Bundesamt mir heute nicht mehr gesagt werden, wie das Bundesamt zu diesen Objekten gekommen ist. Es ist vergleichbar mit der Situation: Hinter der Heizung gefunden."
Ein von der Stasi geraubter Goldschatz, von dem keiner weiß, wem er gehört. Nach den rechtmäßigen Eigentümern hat niemand aktiv gesucht.