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Rauchen als Geschäftsmodell

Der Zeitgeist weht den Rauchern immer stärker entgegen, doch in speziellen Nischen gibt es dennoch erfolgreiche Geschäftsmodelle, die aufs Rauchen setzen: Seit fünf Jahren betreibt Annette Meisl eine kleine Zigarrenmanufaktur mitten in Köln. Inzwischen liefert sie bis nach Dubai.

Von Friederike Schulz |
    Yoli Fernandez lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie nimmt ein Tabakblatt nach dem nächsten aus einer durchsichtigen Plastiktüte, zieht die Blattader heraus und knautscht es zusammen. Yoli Fernandez ist Torcedora, Zigarrenrollerin. Sie stammt aus Kuba, ihr Handwerk hat sie in der legendären Zigarrenfabrik Cienfuegos gelernt. Nun ist sie seit sechs Jahren Chefrollerin bei La Galana, der einzigen Zigarrenmanufaktur in Deutschland.

    Sie sitzt an einem kleinen Holzpult im rauchgeschwängerten Hinterzimmer des kleinen Ladens: Direkt neben der Tür ist die Bar, auf der Anrichte stehen mehrere angebrochene Flaschen Rum, an den unverputzten Backsteinwänden hängen vergilbte Fotos aus Kuba. Davor stehen ein schwarzes Klavier und eine Glasvitrine mit Zigarrenkisten, ein sogenannter Humidor. Auf zwei roten Plüschsofas und Ohrensesseln an der Wand sitzen 15 Kunden, trinken kubanisches Bier aus der Flasche, rauchen Zigarren und sehen Yoly bei der Arbeit zu. Einmal im Monat können interessierte Kunden hier lernen, wie die Kunst des Zigarrenrollens funktioniert.

    Die meisten, wie Michael Rödel, kommen regelmäßig hierher:

    "Man ist hier sofort in einer anderen Welt. Es gibt ein schönes Klavier hier, das ist manchmal schlecht gestimmt. Es ist einfach: Hierhinkommen, die Welt draußen ablegen und einfach mal woanders sein für ein paar Stunden."

    "Okay, ich werde das hier geben, die drei Blätter."

    Schritt für Schritt erklärt Yoli Fernandez, wie eine Zigarre gerollt wird: Zunächst müssen drei verschiedene Blätter für den Rumpf ausgewählt werden. Jedes Blatt wurde unterschiedlich lange fermentiert - je länger, desto kräftiger ist der Geschmack. Für den Laien sehen die braunen, knittrigen Blätter alle gleich aus. Man erkennt den Unterschied lediglich am Geruch. Langsam dämmert den Kunden, wieso es zwölf Jahre dauert, bis man in dem Metier wirklich gut ist und wie aufwendig die Herstellung dieser Rauchwaren ist. 300 einzelne Handgriffe sind dafür nötig.

    So müssen die Blätter zum Beispiel vor dem Rollen befeuchtet werden, weil die Luft in Deutschland so trocken ist:

    "Das darf man nicht mit jedem Wasser machen, auf keinen Fall mit Leitungswasser. Das Wasser von Köln hat viel Kalk. Wenn der Kalk eintrocknet - dann weißes Pulver, nicht so gut für die Zigarre für die Qualität danach."

    Die Idee für die Manufaktur hatte die Musikagentin Annette Meisl - eine temperamentvolle, schlanke Frau mit blonder Lockenmähne, die stets elegante schwarze Kleider trägt und oft nach Kuba reist. Dort hatte sie vor elf Jahren den Kapitän von Ernest Hemingway kennengelernt, der ihr erzählte, wie er mit dem Schriftsteller fischen ging und der mit ihr rauchte. Zurück in Köln war für Annette Meisl klar, sie wollte ein Stück Kuba nach Köln bringen:

    "Die kubanische Kultur fasziniert mich. Ich habe die Musik schon sehr früh schätzen gelernt vor dem Boom des Buena Vista Social Club. Und irgendwie gehört bei der kubanischen Kultur die Zigarre dazu, das ist für mich auch eine große Kunst."

    Sie mietete das Ladenlokal in Köln-Ehrenfeld, engagierte Yoli Fernandez und kreierte mit ihr zusammen die Zigarrenmarke La Galana, die sie seither in verschiedenen Varianten vertreibt: Angefangen beim einfachen Zigarillo zu 90 Cent bis hin zur Premiumzigarre mit individueller Banderole zu 15 Euro. Inzwischen hat Annette Meisl sechs Mitarbeiterinnen - sie setzt bewusst auf einen reinen Frauenbetrieb in einer sonst komplett von Männern dominierten Branche:

    "Ich habe schon ganz lustige Gespräche geführt, ich sollte mal eingeladen werden auf eine Gala von einer altehrwürdigen Karnevalsgesellschaft. Da wurde mir nahegelegt, dass es schon Zigarren für Frauen geben sollte, aber dann so kleine dünne. Und ich stehe halt auf die großen dicken Zigarren. Ich finde auch, dass das einer Frau gut steht. Natürlich wird man da erst mal angeguckt. Man kann als Frau sicher sein: Wenn man sich in der Öffentlichkeit eine Zigarre genüsslich ansteckt, dass man absolut im Fokus ist. Ich bin aber zum Beispiel sehr gern im Fokus, mir macht das Spaß."

    Der größte Teil des Verkaufs läuft übers Internet - Bestellungen kommen vor allem aus dem Ausland. Gut gebucht sind auch die Events - regelmäßig fliegt Annette Meisl mit ihren Mitarbeiterinnen nach Monaco oder Dubai, um dort bei gesellschaftlichen Anlässen den oberen Zehntausend die Kunst des Zigarrenrollens näher zu bringen. Über Umsatz und Gewinn will Annette Meisl noch nicht sprechen, da sich ihr Geschäft noch im Aufbau befinde und die Zahlen daher noch nicht aussagekräftig seien:

    "Ich habe nie einen Businessplan gemacht, ich habe keine Marktstudie gemacht und kann auch nicht sagen, ob sich der Markt verändert hat. La Galana ist auf die Welt gekommen, und seitdem wächst das kontinuierlich an, aber auf eine sehr angenehme Art. Ich will nämlich hier kein Großunternehmen gründen, sondern das ist hier eine Boutique, das ist eine Nische, und so soll das auch bleiben."

    Für den Verkauf im eigenen Laden rollt Yoli Fernandez selbst - der größte Teil der Waren wird allerdings in Nicaragua produziert, wo auch der Tabak herstammt. Der Grund: die Lohnkosten, gibt Annette Meisl zu, sonst wäre die Herstellung zu teuer. In Deutschland gibt es etwa 20 Unternehmen, die Zigarren produzieren, die meisten machen dies allerdings maschinell. Der Umsatz in der Branche liegt bei 300 Millionen Euro.

    Daran haben auch die Nichtraucherschutzgesetze in Deutschland nicht viel geändert, erklärt Bodo Mehrlein vom Zigarrenverband. Der Grund aus seiner Sicht: Zigarren würden anders als Zigaretten als Genuss denn als Suchtmittel eingestuft - obwohl sie ähnlich gesundheitsschädlich sind. Die Produktion liegt seit Jahren konstant bei rund einer Milliarde Stück. Anfang der 50er-Jahre hatte die Produktion noch bei fünf Milliarden gelegen.

    Den großen Einbruch hat die Branche längst hinter sich, sagt Bodo Mehrlein:

    "Das war einfach der Siegeszug der Zigarette. Die Leute haben früher nur Zigarre geraucht, dann ist man auf Zigarette umgestiegen. Das ist einfach ein schnellerer Genuss. Es sind keine neuen Raucher nachgekommen, und es ist stetig zurückgegangen."

    "Okay, wer ist die erste?"

    Yoli Fernandez hat ihre Präsentation beendet - jetzt sind die Kunden selber dran. Mutig meldet sich die einzige Frau in der Runde - und weiß prompt nicht mehr, wie das Deckblatt geschnitten werden soll. Auch die Herren in der Runde schweigen betreten - Yoli hilft und gibt Tipps. Keiner hat gesagt, dass das einfach ist, meint sie lachend. Eine gute Zigarrendreherin braucht zwölf Jahre, bis sie richtig gut in dem Job ist.