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Der Qualm der großen weiten Welt

Seefahrer brachten vor rund 500 Jahren die ersten Tabakpflanzen und die Sitte des Rauchens nach Europa. Im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das Rauchen zum Signum für Lebensstil und Weltläufigkeit. Das Hamburger Museum der Arbeit zeigt noch bis März eine Ausstellung zur Kulturgeschichte des Rauchens.

Von Verena Herb |
    Der weite Wilde Westen - in den 70er- und 80er-Jahren verkörperte ein Cowboy das, was Mann wollte: Freiheit, Abenteuer, Unabhängigkeit. Der Marlboro Man. Im Wilden Westen liegt auch der Ursprung der Zigarette, beziehungsweise des Rauchens. Denn die Europäer haben den Tabak zu Zeiten Columbus' in der Karibik und in Nordamerika entdeckt, erklärt Stefan Rahner vom Museum der Arbeit in Hamburg:

    "Sie haben Indianer getroffen, die so ein seltsam riechendes Kraut, eingewickelt in Maisblätter, geraucht haben. Und diese Umwicklung, die nannten sie Tabago, und von daher kommt der Name für den Tabak."

    Dort lernten die Europäer das Rauchen kennen - brachten den Tabak mit in ihre Heimat:

    "Zuerst wurde er auch so als Heilkraut in Klostergärten und ähnlichem angebaut. Das Rauchen verbreitete sich dann allmählich, es gab auch kein richtiges Wort dafür, sondern man sprach erst noch vom 'Tabak saufen', weil der Rauch ja geschluckt wurde, dem Anschein nach."

    Mit der Zeit entwickeln sich verschiedene Konsumformen heraus: Das Pfeiferauchen, das Schnupfen - meist verbreitet beim höfischen Adel - und die Zigarre.

    "Man konnte so ein bisschen plakativ sagen: Das Pfeiferauchen war so unter der bäuerlichen Bevölkerung, das Zigarrerauchen unterm Bürgertum und das Schnupfen in der höfischen Kultur verbreitet."

    Tabaks als Genussmittel, das mehrheitlich von Männern konsumiert wurde. In jener Zeit, im 17. und 18. Jahrhundert, wurde dem Rauchen beziehungsweise dem Inhaltsstoff Nikotin außerdem eine leistungssteigernde und auch reinigende Wirkung nachgesagt. So sollte die Inhalation von Rauch den Körper von innen reinigen. Pestärzte zu jener Zeit rauchten Pfeife, um die Luft von gefährlichen Stoffen zu reinigen, die die Seuche angeblich hervorriefen. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wurden erstmals die Probleme, die gesundheitlichen Auswirkungen benannt - so Stefan Rahner:

    "Das wurde aber erst noch so als persönlich individuelle Unverträglichkeit gegenüber Nikotin wahrgenommen."

    Dann kamen die 30er-Jahre - Vorkriegszeit. Und die ersten staatlichen Programme wurden gegen das Rauchen aufgelegt .

    "Damals vor allem auch so unter dem Leitbild Gefahr der Volksgesundheit, und auch die Befürchtung, dass die Erbgesundheit des Deutschen Volkes gefährdet würde, und deshalb wurde vor allem gegen das Rauchen von Frauen Stellung genommen."

    Zeitgleich gehörte das Rauchen zum guten Ton, war in den Alltag und das Umfeld der Menschen einbezogen. Die Tabakindustrie warb mit dem Bild der "heilen Familie" für ihre Produkte: Wer raucht, hat ein schönes Zuhause. Gerade im Nachkriegsdeutschland der Wirtschaftswunderzeit "gönnte" man sich den Genuss von Tabak - man konnte ihn sich jetzt leisten. Museumskurator Stefan Rahner erklärt:

    "Eine Zäsur gab es dann 1964, wo mit dem Terry-Report zum ersten Mal alle verstreuten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Gesundheitsgefährdung des Rauchens zusammen gefasst werden, sowohl was die Krebsgefahr angeht, aber auch was Herz Kreislauf-Erkrankungen, Arterienerkrankungen angeht."

    Sowohl in der Bundesrepublik, aber auch in der DDR werden Werbefilme gegen das Rauchen geschaltet: Frauen stehen im Fokus, wenn die Argumentation darauf hinausläuft, dass Rauchen die Haut schnell altern lässt. Auch die Krankenkassen werden aktiv. Stefan Rahner:

    "Wie hier dieses Plakat mit Berti Vogts als Leitbild und dem Spruch: Nur Schornsteine müssen immer rauchen, ich nicht."

    Die Zigarettenindustrie reagiert mit Gegenkampagnen - setzt sich zum einen mit den Argumenten der Gesundheitsschädigung auseinander und proklamiert auf der anderen Seite in ausgewiesenen Imagekampagnen bestimmte Werte:

    "Es sind ja immer nur positive Bilder, mit denen das Zigarett rauchen und die einzelnen Marken mit einem Image versehen werden."

    Fröhliche Menschen sitzen zusammen am Lagerfeuer, lachen.

    "Noch ist der Morgen kühl, und der Kaffee heiß. Dabei Peter Stuyvesant, Rich Choice Tobaccos, King size. Mehr erleben, in der großen weiten Welt der Peter Stuyvesant."

    Der Duft der großen weiten Welt eben. Bis weit in die 70er Jahre hinein steigen die Konsumentenzahlen stetig. Rauchen erobert weite Bereiche des Lebens - und dazu gehören bestimmte Werte und Normen, die das negative Image der gesundheitsschädlichen Zigarette wieder aufwerten.

    Heute lockt der Duft der großen weiten Welt die Konsumenten in den westlichen Industrieländern nicht mehr. Das Gesundheitsbewusstsein ist ausgeprägter - Rauchen in der Öffentlichkeit ist mittlerweile verpönt. Laut Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände gibt es rund 20 Millionen Raucher. Tendenz: Sinkend.