
Daniel Heinrich: Am Telefon ist Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, guten Abend, Herr Hardt!
Jürgen Hardt: Guten Abend!
Heinrich: Wie tief Luft haben Sie denn geholt, als Sie diese Rede gesehen haben?
Hardt: Wir haben ja befürchtet, dass der amerikanische Präsident die Ankündigung aus seinem Wahlkampf wahr macht und ein großes Fragezeichen hinter das Nuklearabkommen mit dem Iran macht. Er hat im letzten Augenblick davor zurückgeschreckt, seine Aufkündigung zu verkünden, und deswegen ist der Spielball jetzt im Feld des Kongresses, des amerikanisches Kongresses, und wir werden die nächsten Wochen und Monate nutzen, um unsere Kolleginnen und Kollegen dort davon zu überzeugen, dass eine Aufkündigung des Abkommens die Sicherheit in der Region, auch die Sicherheit insbesondere für Israel nicht erhöhen, sondern im Gegenteil vermindern würde, und deswegen würden wir gerne an dem Abkommen festhalten.
Heinrich: Sie sagen es schon, der Ball liegt jetzt im Feld des Kongresses. Rex Tillerson, der amerikanische Außenminister, der hat gesagt, wenn der Kongress nichts macht, dann bleibt dieser Deal bestehen. Viel heiße Luft um nichts eigentlich?
Hardt: In der Tat, wenn der Kongress jetzt keine Sanktionen beschließt, die aufgrund dieses Abkommens aufgehoben worden sind, dann erfüllt die amerikanische Seite, die westliche Seite ihre Bedingungen, dann gibt es keinen Grund für den Iran oder andere, von dem Abkommen abzurücken. Das ist auch meine Hoffnung, dass wir hier tatsächlich diesen Zustand erreichen und dass wir uns vielleicht tatsächlich den Fragen widmen, die über das Abkommen hinaus von Bedeutung sind.
Das Abkommen ist ja lediglich begrenzt auf die Frage der nuklearen Bewaffnung des Iran. Es gibt kein Abkommen bezüglich der ballistischen Raketenfähigkeit mit Iran, es gibt keine internationalen wirksamen Bemühungen, den Iran daran zu hindern, im Jemen oder in Syrien Terroristen zu unterstützen und gegen Israel Propaganda zu machen. Ich glaube, diesen Themen müssen wir uns zuwenden, aber es wird einfacher, über diese Themen zu reden, wenn wir das Abkommen zum nuklearen Deal nicht aufkündigen.
"Wir müssen vor allem verhindern, dass der Iran weiter zu einem Faktor der Instabilität in der Region wird"
Heinrich: Donald Trump hat schon gesagt, die Regierung Teheran Förderer des Terrorismus, er hat die Unterstützung von Baschar al-Assad in Syrien angesprochen, was Sie auch eben gesagt haben, die Rolle Israels, Iran begreift Israel als Erzfeind. Ist das nicht einfach auch manchmal notwendig, klare Kante gegenüber Teheran zu zeigen?
Hardt: Wir müssen vor allem verhindern, dass der Iran weiter zu einem Faktor der Instabilität in der Region wird, weil wenn der Mittlere Osten weiter aufwallt und weiter in Richtung Bürgerkriege und möglicherweise auch Auseinandersetzungen unter einzelnen Staaten des Mittleren Ostens kommt, dann entflammt dort ein Flächenbrand, wo wir nur mit großer Mühe Kontrolle drüber behalten können.
Deswegen ist alles, was dem Frieden dient, und alles, was die Gefahr von militärischer Auseinandersetzung mindert, richtig. Dabei muss man akzeptieren, dass natürlich nicht alles in einem Rutsch erreicht werden kann.
Dieses Abkommen, dieses Atomabkommen ist natürlich ein Rumpfabkommen, es bezieht sich wie gesagt nur auf die Fähigkeit, Atombomben zu bauen, und alles, was da herum angesiedelt ist, wird von dem Abkommen nicht erfasst. Aber die Iraner halten sich dran, das sieht die Atomenergiebehörde so, und wir glauben auch, dass tatsächlich ein formaler Verstoß des Iran gegen das Abkommen nicht vorliegt und deswegen auch kein Grund zu kündigen.
Heinrich: Ja, nicht nur die Atomenergiebehörde, Herr Hardt, sagt, dass Iran sich dran hält, Verteidigungsminister Mattis, auch wiederum Außenminister Tillerson, die beiden, viele andere in Washington auch sagen ja, der Iran macht da mit, die kooperieren. Wie erklären Sie sich denn diese Haltung von Trump, der heute Abend gesagt hat, Iran erfüllt den Deal nicht?
Hardt: Ja, das ist eine der weiteren Unsicherheiten, die diese Präsidentschaft leider in die Außen- und Sicherheitspolitik hineinbringt. Ich glaube, wenn wir eine große Überschrift über die Präsidentschaft Donald Trumps machen, dann ist es "Uncertainty" - Unsicherheit - die Unsicherheit über das, was ist eigentlich gemeint, was wird eigentlich geschehen. Ich setze darauf, dass diejenigen, die jetzt in Washington neben dem Präsidenten das Sagen haben und insbesondere auch diejenigen klugen Menschen, die im Senat und im Abgeordnetenhaus, im Kongress arbeiten, dass die schon dafür sorgen werden, dass vielleicht das ein oder andere, was auf den ersten Blick plakativ in Richtung der Wähler und Unterstützerschaft gerichtet ist, dann doch am Ende so umgesetzt wird, dass die Welt damit leben kann.
Und so interpretiere ich auch die Rede von Trump heute, dass er tatsächlich ein Stück weit die Verantwortung auch dem Kongress gibt. Und den Spielraum, den seine Minister in dieser Frage haben, anders sich zu äußern, als er das tut, deutet ja auch darauf hin, dass wir da keine apodiktische Haltung haben, sondern dass dort Spielraum für Überzeugungsarbeit und für Bewegung ist.
Heinrich: Also ist Donald Trump eingefangen worden?
Hardt: Ich glaube, er hat selbst verstanden, dass er eine enorme Verantwortung übernehmen würde, wenn er von sich aus die Reißleine bei diesem Abkommen zieht, dass er damit sozusagen auch dem Iran vielleicht einen Vorwand geben könnte, seinerseits wiederum in eine Eskalation dieses Atomprogramms einzutreten. Das wäre für Israel, glaube ich, eine arge Gefährdung.
Wir haben durch das Abkommen ja erreicht, dass der Zeitpunkt, zu dem der Iran in der Lage wäre, eine Bombe zu bauen, weiter nach hinten rausgeschoben ist. Das bedeutet nicht, dass er nicht dazu in der Lage sein wird und damit die Gefahr gebannt ist, aber die Vorwarnzeit und der Spielraum über die Zeitschiene doch auf dem Verhandlungswege etwas zu erreichen, der ist da.
Und möglicherweise hat er das schon verstanden, dass er nichts erreicht, wenn er das Abkommen aufkündigt, umgekehrt aber in ein großes Risiko geht. Die klare Ansage Richtung Iran ist natürlich richtig, der Iran muss sein Verhalten ändern, sonst bleibt er ein Unruheherd in der Region, und so wird er sich auch nicht eingliedern in die Völkergemeinschaft und auch nicht zum normalen Handelspartner zum Beispiel für Deutschland oder Europa werden.
"Von daher ist es schon ein Abkommen mit enormem Gewicht"
Heinrich: Lassen Sie uns, Herr Hardt, noch ein bisschen auf die internationale Reaktion blicken. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel, er hat sich besorgt gezeigt, die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, ebenfalls. Der französische Präsident, Emmanuel Macron, der hat sogar vor dieser Rede von Trump mit dem iranischen Präsidenten telefoniert, hat ihm zugesichert, dass dieser Deal bestehen bleibe, und hat sogar anheimgestellt, eventuell nächste Woche selbst in den Iran reisen zu wollen. Bildet sich da eine Allianz gegen Trump?
Hardt: So kann man das in keinem Fall sehen, aber dass diejenigen, die das Abkommen verhandelt und durchgesetzt haben – und das sind ja Frankreich, Großbritannien und Deutschland auf europäischer Seite, China, Russland und die USA auf der außereuropäischen Ebene ... Also von daher ist es außerhalb der EU, von daher ist es schon ein Abkommen mit enormem Gewicht, und so jemand wie Macron als französischer Staatspräsident sieht sich natürlich in der Pflicht, dieses Erbe seines Vorgängers auch ein Stück zu wahren und diesen positiven Beitrag Frankreichs zur Befriedung der Welt auch durchzusetzen. Und er hat da die Unterstützung der deutschen Regierung und offensichtlich auch die Unterstützung von nicht wenigen in Amerika. Insofern, glaube ich, haben wir Hoffnung, dass das auch gelingen kann, und niemand, auch der amerikanische Präsident, kann dem französischen Staatspräsidenten verübeln, dass er für dieses Abkommen kämpft, wo ja sein Amtsvorgänger viel Schweiß hineingesteckt hat. Das war ja in Deutschland auch so.
"Das wird viel Arbeit bedeuten"
Heinrich: Bei so viel Widerstand, wie viel Manövrierraum bleibt denn Trump eigentlich?
Hardt: Ich glaube, die entscheidende Frage ist jetzt, ob es im Kongress eine Mehrheit gibt, jetzt ganz konkret Sanktionen wieder einzuführen, die auf Grundlage dieses Abkommens abgeschafft worden sind.
Ich sehe zumindest kurzfristig nicht, dass das geschehen wird, und deswegen glaube ich, es ist Zeit, mit den Kolleginnen und Kollegen im Kongress zu reden, nicht nur mit den Demokraten, die das naturgemäß anders sehen als die Republikaner, aber eben auch mit vielen verantwortungsvollen republikanischen Politikern – Corker und McCain als die Vorsitzenden der beiden zuständigen Ausschüsse zum Beispiel.
Das wird viel Arbeit bedeuten, und da werde auch ich mich einbringen in meiner Eigenschaft als Koordinator. Wir haben Ende November die große Halifax-Sicherheitskonferenz in Kanada, wo viele amerikanische Senatoren und Abgeordnete da sein werden. Ich werde dafür werben, und ich glaube, alle in der alten und der neuen Bundesregierung werden das auch tun.
Heinrich: Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Herr Hardt, danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben!
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