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Reaktionen aus der EU
Besorgter Blick über den Atlantik

Europa blickt der Amtszeit des republikanischen US-Präsidenten Donald Trump mit gemischten Gefühlen entgegen: Panik, Abwarten, trotziges Selbstbewusstsein zeigen sich in den Reaktionen vieler europäischer Politiker. Doch in einem Lager freut man sich schon auf Trump.

Von Annette Riedel | 20.01.2017
    Europaflaggen vor der Europäischen Kommission in Brüssel
    Eine mögliche Annäherung der USA und Russlands sieht man in Brüssel am Sitz der NATO allerdings mit einiger Skepsis. (dpa / picture alliance / Daniel Kalker)
    Europa blickt der Amtszeit Donald Trumps entgegen, mit einer Mischung aus Panik fast, wie der grüne Europaabgeordnete, Reinhard Bütikofer:
    "Eine Katastrophe für die transatlantischen Beziehungen."
    Bemüht gelassenem Abwarten, wie hier von EU-Kommissar Katainen demonstriert:
    "Wir müssen jetzt einfach ruhig erste Antworten der neuen US-Regierung auf viele Fragen abwarten."
    In der Mischung auch: Beschwörungen der traditionell engen Beziehungen zwischen Europa und den USA, die Junckers Sprecher Schinas betont.
    "Die transatlantischen Beziehungen sind unverzichtbar für die Welt. Die EU und die USA müssen eng zusammenarbeiten, um sie zu bewahren und zu stärken."
    Trotziges Selbstbewusstsein
    Und ein Anflug von trotzigem Selbstbewusstsein, wie es der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber formuliert, gehört auch zu den gemischten Gefühlen, mit denen man nach Washington schaut.
    "Wenn Donald Trump sagt: America first, dann ist unser Leitspruch: Europe first. Wir müssen selbstbewusst dagegen halten."
    Es finden sich aber auch Spuren von punktueller Hoffnung – und sei es Zweck-Optimismus - mit Blick auf den neuen Präsidenten der USA. Grundsätzlich, so der österreichische Außenminister Kurz, wäre es durchaus zu begrüßen, wenn sich mit Trump die Beziehungen zwischen den USA und Russland verbesserten und man wieder von neuem Blockdenken abrückte.
    "Wenn es gelingt, dass dieses Blockdenken wieder in die Geschichtsbücher gedrängt wird – wodurch auch immer, vielleicht auch durch ein besseres Verhältnis zwischen Trump und Putin – dann wäre mir das nur sehr recht."
    Amerikanische Beziehungen zu Russland
    Schließlich hätten die USA und Russland viele gemeinsame Interessen, sagt der liberale Europaparlamentarier Alexander Graf Lambsdorff:
    "Kampf gegen islamistischen Terrorismus, Stabilisierung Afghanistans, Nicht-Verbreitung von Nuklearwaffen."
    Eine mögliche Annäherung der USA und Russlands – wenn es sie denn gäbe und sie nachhaltig wäre – sieht man in Brüssel am Sitz der NATO allerdings mit einiger Skepsis. Namentlich den osteuropäischen NATO-Ländern ist dabei unwohl, zumal jüngste Äußerungen Donald Trumps seine eher zwiespältige Haltung zu dem Verteidigungsbündnis vermuten lassen könnten. NATO-Generalsekretär Stoltenberg gab sich in den vergangenen Wochen trotzdem optimistisch, dass die USA auch unter Donald Trump zu ihren Bündnisverpflichtungen stehen werden.
    "Ich freue mich darauf, Präsident Trump zu treffen, um über die Zukunft zu diskutieren, etwa beim NATO-Gipfel in Kürze hier in Brüssel."
    Freude im rechtpopulistischen Lager
    Auch die Spitzen der EU bemühen sich, möglichst schnell in Kontakt mit der neuen US-Regierung zu kommen. Man kennt sich gegenseitig kaum oder gar nicht. Momentan blickt man überwiegend besorgt über den Atlantik, denn schließlich hat Trump in einem Interview in dieser Woche erkennen lassen, dass ihm wenig an einer starken, einigen EU gelegen ist. Genau das löst aber Freude im Lager der rechtspopulistischen EU-Gegner aus, etwa bei der Chefin des französischen Front National, Marine Le Pen. Sie sieht in Trump einen Verbündeten im Geiste, wenn es um die Rückgewinnung nationaler Souveränität geht. Sie hofft über den "Faktor Trump" auf Auftrieb für sich bei den französischen Präsidentschaftswahlen in März, bei denen sie kandidiert.
    "Die Amerikaner haben sich mit Donald Trump für die Freiheit und die Souveränität entschieden. Die Wahl Donald Trumps war eine gute Nachricht für Frankreich."
    Allen Befürchtungen und Sorgen der Mehrheit in der EU zum Trotz – einen Grund für Hysterie sieht der FDP-EU-Abgeordnete Lambsdorff nicht:
    "Wir sollten nicht den Atlantik breiter reden, als er ohnehin schon ist, sondern den Mann an seinen Taten messen, wenn er im Amt ist."