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Rechte Christen
Wahn! Wahn! Überall Wahn!

Genderforschung gilt als Irrsinn, Homosexualität wird bekämpft, mehr als zwei Geschlechter gibt es nicht: Solche Thesen werden im Namen des Christentums vertreten, oft verbunden mit dem Vorwurf, aufrechte konservative Gläubige würden unterdrückt. Dabei finden sie stets neue Verbreitungswege.

Von Mechthild Klein |
Das Bündnis "Demo für Alle" setzt sich unter anderem gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und für eine Familie nach dem klassischen Rollenbild ein.
Das Bündnis "Demo für Alle" setzt sich unter anderem gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und für eine Familie nach dem klassischen Rollenbild ein. (imago / Markus Heine)
"Es gibt Themen, die für konservative Christen mit Rechtsdrall wichtig sind, bei denen man aber auch jeweils erkennen kann, wo die Grenzlinie verläuft. Das ist zum einen das Thema Abtreibung. Der Umgang mit dem Thema Gender und der Umgang mit dem Islam", sagt die Publizistin und Juristin Liane Bednarz.
Die Rhetorik rechter Christen steht im Fokus ihrer journalistischen Arbeit. Welche Positionen noch konservativ sind und was bereits als rechtes Gedankengut klassifiziert werden kann, darüber streiten sich die Urheber der Worte mit Publizisten und Kritikern. Eines wird deutlich: Rechts will keiner sein. "Konservativ" ist das Label für alle rechts der Mitte.
Der evangelische Pastor Olaf Latzel versteht sich als bibeltreuer und konservativer Christ. In evangelikalen Kreisen wird er fast schon wie ein Popstar verehrt, gibt dort auch Interviews. Immer wieder geisterten drastische Formulierungen aus seinem exklusiven christlichen Glaubensverständnis durch die Medien. Hier eine kleine Kostprobe aus einer Bibelstunde vom 15. August 2018, in der er sich mit Ehe und Ehescheidung auseinandersetzt. Die ist auf der Website des Pastors zu finden.
"So kann auch der Homosexuelle nicht sagen: das ist doch in Ordnung, das ist von Gott gewollt. Das ist es nicht. Das ist eine unfassbare Sünde und Schuld. (…) Das sind die ganz großen ethischen Verfehlungen. Halt nicht? Die Frage der Frauenordination. Die Frage der Abtreibung und vor allen Dingen: die Frage der Homosexualität. Da muss sich eine Kirche nicht wundern, wenn‘s den Berg nur noch bergab geht, wenn klar gegen Gottes Wort gehandelt wird. Wenn das, was Gräuel genannt wird, von uns gesegnet wird, funktioniert
Dass Olaf Latzel – wie viele Evangelikale - Homosexualität ablehnt, ist bekannt. Doch erst Pastor Olaf Latzels Äußerungen in einem Eheseminar 2019 erregten die Öffentlichkeit. Im November 2020 beginnt ein Verfahren vor dem Bremer Amtsgericht. Der Vorwurf: Verdacht auf Volksverhetzung. Auch diese fraglichen Aussagen des Pastors waren öffentlich zugänglich auf Youtube und sind inzwischen gelöscht. Olaf Latzel hatte von einer "Homolobby" gesprochen und sich negativ über Homosexuelle auf dem Christopher Street Day geäußert. Und in diesem Zusammenhang hat er auch das Hissen der Regenbogenfahne auf dem Rathaus kritisiert.
Nachdem er in die Kritik geriet, relativierte Pastor Latzel seine Worte in einer Erklärung vom 17. April 2020 – sie steht auf der Website der St. Martini Gemeinde im Bremen:
"In meinem Vortrag…. sprach ich an einer Stelle von Verbrechern. Dieses bezog sich nicht auf homosexuell lebende Menschen, sondern auf militante Aggressoren, die uns als Gemeinde in den letzten Jahren immer wieder angegriffen und gotteslästerlich diffamiert haben."
Die Bremische Evangelische Landeskirche tadelte ihren Pastor und leitete ein Disziplinarverfahren ein. Eine Interviewanfrage des Deutschlandfunks lehnte der Pastor mit Blick auf das laufende Gerichtsverfahren ab.
Bednarz: "Je völkischer es wird, desto mehr spricht man von rechtsradikal"
Für den publizistischen Umgang mit Predigten dieser Art empfiehlt Liane Bednarz:
"Man muss bei den Begrifflichkeiten immer sehr genau sein. … Ich spreche über die Abgrenzung zwischen konservativ und rechts. Und innerhalb des rechten Lagers ist die Abstufung Rechtspopulismus. Je völkischer es wird, umso mehr spricht man von rechtsradikal. Beides ist noch von der Verfassung gedeckt. Erst wenn offen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet, spricht man von rechtsextremistisch. Und die Übergänge …von konservativ zu rechts kann man immer manifest machen an antipluralistischem, antiliberalem und völkischem Denken."
In den Äußerungen Latzels über Homosexuelle sieht sie eine Grenzüberschreitung.
Liane Bednarz: "Ja, das ist natürlich eine deutliche Herabwürdigung von Homosexuellen. Er hat wörtlich gesagt "Überall laufen diese Verbrecher herum vom Christopher Street Day". Er hat sich dann später dafür entschuldigt und behauptet, damit habe er nur bestimmte militante Leute gemeint, die ihn und die Gemeinde attackierten. Aber wenn er das so gemeint haben will, dann hätte es auch so sagen sollen. Und das Wort "Verbrecher" insinuiert ja natürlich, dass es im Grunde das Homosexuelle, auf dem Christopher Street Day per se gesetzesuntreue Leute seien. Und das ist natürlich eine ganz gezielte Verächtlichmachung, die ein Konservativer so natürlich nicht machen würde."
Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz
Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz (Liane Bednarz)
Im Zusammenhang mit dem CSD hat Olaf Latzel auch das Hissen der Regenbogenfahne - Symbol der Schwulen und Lesben-Bewegung – kritisiert. Die Fahne hatten am Bremer Rathaus nicht die Homosexuellen gehisst, wie Latzel unterstellt. Es war die Entscheidung einer Mehrheit im Bremer Landesparlament. Der Christopher Street Day erinnert mit seiner oft schrillen Parade an die Verfolgung Homosexueller und fordert die rechtliche Gleichstellung.
Liane Bednarz: "Das Erstaunliche bei diesem ganzen Umgang mit dem Thema Homosexualität ist, dass sich Christen mit Rechtsdrall unfassbar auf dieses Thema fokussieren und immer wieder von der angeblichen Homolobby reden, die Homosexualisierung betreiben würde. Sie haben sich auf dieses Thema sehr fokussiert auch deswegen, weil sie das so ein bisschen als Ausweis der Dekadenz der Gesellschaft per se ansehen. Und sie fantasieren ja sowieso ganz gerne den Untergang des Abendlandes herbei. Das ist ein Beispiel dafür, geht eng einher mit dem Kampf gegen alles, was Antidiskriminierung gegenüber Frauen ist. Das wird dann gerne per se als Gender-Ideologie bezeichnet. Da operiert man mit Kampfbegriffen. Aber das ist so ein Themenfeld, was insgesamt einfach ineinander stark verzahnt ist."
Von Beverfoerde: "Gender ist grundsätzlich mal eine Ideologie"
Das Wort Gender wird in dieser Szene gern in Stellung gebracht gegen Normalität und "gesunden Menschenverstand". Selten steht das Wort Gender allein, oft wird es mit dem Zusatz Ideologie, Gaga oder Wahn kombiniert. Der Protest dagegen wird auch auf die Straße getragen. "Demo für alle" heißt das Langzeit-Projekt und die Sprecherin und Organisatorin, Hedwig von Beverfoerde, versteht sich als konservative katholische Christin. Ein Interview mit dem Deutschlandfunk lehnt sie ab und nennt Zeitgründe dafür. Beverfoerde spricht sich seit Jahren gegen Gender-Politik und gegen die "Ehe für alle" aus, auch dagegen, dass homosexuelle Paare heiraten oder Kinder adoptieren dürfen. In einem Youtube-Interview von Boris Reitschuster erläutert sie, warum sie gegen Gender Mainstreaming ist:
Hedwig von Beverfoerde: "Gender ist grundsätzlich mal eine Ideologie, die bestreitet, die die tatsächliche Existenz von genau zwei Geschlechtern bestreitet. Es gibt genau zwei Geschlechter, nämlich männlich und weiblich. Und Gender gibt ja vor oder will ermöglichen oder behaupten, man könne sich sein Geschlecht aussuchen. Es gäbe eine Vielzahl von Geschlechtern. Das halten wir für ganz großen Unsinn. (…)"
Dazu meint Liane Bednarz: "Es gibt Leute in der Genderforschung, die tatsächlich sagen: Das biologische Geschlecht spielt keine Rolle und glauben irgendwie es gebe sehr viele, angeblich verschiedene Geschlechter. Und das persönlich finde ich es mir auch fremd, wenn man so will. Aber ich differenziere das, weil das Gros der Gender- Forscher nicht so denkt. Aber diese Art von Christen picken sich diese radikalen Stimmen heraus, machen daraus eine quasi Verschwörungstheorie und behaupten, die Gender-Ideologie, wie es dann heißt, wolle pauschal den geschlechtsneutralen Menschen schaffen. Und Frauen dürften keine Frauen mehr sein und Männer keine Männer mehr, und es würde auch noch homosexualisiert. Sie sehen, so werden im Grunde aus einer legitimen Kritik an vielleicht übertriebenen Gender-Erscheinungen abstruse, scharf machender Ideenwelten."
"Demo für alle": "Dann haben wir die totale Gleichheit"
In einem Erklärvideo auf der Website des Aktionsbündnisses von "Demo für alle" wird behauptet, dass die Gender-Theorie anerzogene Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen auslöschen wolle, um sie damit völlig gleich zu machen. Und im Schulunterricht werde dann alles vermischt, was sonst typisch für Mädchen oder Jungen sei. Hier ein Ausschnitt im Original-Ton:
"…natürlich kann der Papa ein Kleid und Lippenstift tragen. Natürlich können Mädchen LKW fahren. Natürlich kann ein Baby zwei Mütter oder zwei Väter haben. Im Unterricht wird alles Männliche und Weibliche ganz einfach vermischt und wenn alles vermischt ist, ist alles gleich. Dann haben wir die totale Gleichheit. Aber wie kann ich dann sicher sein, ob ich wirklich ein Junge bin? Indem so getan wird, als ob alles gleich wäre, weiß ein Junge nicht mehr, ob er wirklich ein Junge ist, ein Mädchen weiß nicht mehr, ob es ein Mädchen ist. Hat man das Problem gelöst? Nein. Wir haben nur ein neues Problem geschaffen: verwirrte Kinderseelen. (…)"
Porträt von Kelle im TV-Studie.
Birgit Kelle zu Gast in der ARD-Talkshow "Maischberger". (imago stock&people)
"Ich würde sagen, es ist es ist selber eine große Verwirrung. Das ist interessant. In diesem Beitrag werden Dinge ineinander geschoben werden, die man differenziert diskutieren müsste", sagt Theologin Ruth Heß, Leiterin des Zentrums für Genderfragen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der Sinn der Gender-Politik sei, Chancengleichheit für beide Geschlechter herzustellen sowie Homosexuelle und andere Minderheiten nicht zu diskriminieren.
Ruth Heß: "Das heißt, wenn Gender-Mainstreaming angewendet wird, würde es darum gehen, tatsächlich auf Gerechtigkeit zu zielen, auf Gleichheit, auf eine Politik, die keines der zunächst beiden Geschlechter benachteiligt oder bevorzugt. Und ich denke, das ist ein Anliegen, das in unserer Gesellschaft ganz, ganz weithin geteilt wird."
Gender-Berücksichtigung an Schulen hieße dann, dass Mädchen und Jungen die gleichen Chancen erhalten sollen, um sich entfalten zu können, unabhängig von Geschlechterstereotypen.
Ruth Heß: "Was als freiheitliche Bewegung angelegt ist, wird zum Zwang erklärt"
Die Gender-Politik wolle keine Geschlechter oder Geschlechtsdifferenzen abschaffen, sagt Heß. Überhaupt sei die Gleichberechtigung eigentlich kein Debatten-Thema derzeit in der Gesellschaft, das sei breit akzeptiert. Deshalb suchten manche christliche Gender-Gegner andere Wege:
"Sie versuchen, den Begriff Gender zu skandalisieren und von einem Fachbegriff zu einem Stigma-Wort umzuwenden. Und Sie packen dann unter dieser vermeintlichen Gender-Kritik alle möglichen politischen Vorhaben in einen Topf, die, wie gesagt, möglicherweise außer dem Begriff gar nichts miteinander teilen. Und eins der wesentlichen Punkte ist der Aktivismus gegen wie wir eben gehört haben, die "Verwirrung der Kinderseelen" ist natürlich ein ganz starker Begriff, etwas, was sehr emotionalisiert. Wenn Menschen sich vorstellen, da sind Leute unterwegs, die unter einer Ideologie unsere Kinder angreifen und ihre Identität verwirren wollen und sie auf eine Weise gleichmachen wollen, dass eine Art Geschlechter-Totalitarismus entsteht."
Das Gender-Anliegen, also die Gleichberechtigung der Geschlechter und der Abbau von Diskriminierung werden lächerlich gemacht oder als destruktiv dargestellt…
"…was eigentlich als freiheitliche Bewegung angelegt ist, wird jetzt zum Zwang erklärt", sagt Ruth Heß.
Auf der Website der "Demo für alle" wird ein Bedrohungsszenario entworfen, die Familie solle zerstört werden. Es gäbe Umerziehungsversuche von gut organisierten Lobbygruppen. "Familie am Abgrund" heißt dann auch eine eigene Aufklärungsbroschüre. Dort werden als Ursachen für den Niedergang u.a. die Einführung der Pille genannt, der Sexualkundeunterricht, Abtreibung, der Ausbau von Kinderkrippen, sowie die "Ehe für alle".
Etwa hundert evangelische Pastorinnen und Pastoren und andere Kirchenbeschäftigte demonstrierten am 4.2.2015 auf den Bremer Domtreppen gegen ihren evangelikalen Amtsbruder Olaf Latzel aus der benachbarten St.-Martini-Gemeinde, weil er sich in einer Predigt abfällig über andere Bekenntnisse geäußert hat.  - Bremen -

about Hundred Protestant Pastors and Pastors and other  demonstrated at 4 2 2015 on the Bremer Domtreppen against theirs   Olaf  out the neighbour St Martini Community because he to in a Homily disparagingly above other Confessions expressed has Bremen
Etwa hundert evangelische Pastorinnen und Pastoren und andere Kirchenbeschäftigte demonstrierten am (imago stock&people)
Die Gendertheorie ist komplex – sie beflügelt viele konservative Menschen in Abgrenzungs-Fantasien. Die Autorin Birgit Kelle kreist seit Jahren um dieses Thema. "Gendergaga" heißt ein älteres Buch von ihr, das neueste trägt den Titel "Noch normal? Das lässt sich gendern". Dass Homosexuelle auch Familien gründen oder dass Gleichberechtigung auch als Maßstab in öffentlichen Institutionen gilt, stört die Katholikin. Jetzt nimmt sie die Gruppe der Transsexuellen in den Blick. Obwohl das Schicksal mit dem falschen Geschlecht geboren zu sein, für Betroffene ein Stigma und oft ein langer Leidensweg ist, kann sie sich Sarkasmus nicht verkneifen. In einem Interview des Podcasts "Indubio" sagt sie:
"Während man in den Achtzigern seine Haare blau färben musste und die Schule geschmissen hat, ändert man heute das Geschlecht, um seine Eltern aufzuregen und um besonders zu sein. Und es wird ja auch gefördert. Wir haben ein ganzes staatliches System, das auf das Coming out in irgendwelche vielfältigen neuen Geschlechter ausgerichtet ist. Auch in Deutschland haben wir unglaublich viele Interessenverbände, die an Schulen Arbeit machen und die das Thema Trans-sein als neue Normalität verkaufen, sodass dieses Thema, kann man sagen, plötzlich überall im Leben von Kindern da ist als angebliche Normalität …"
Mal eben das Geschlecht wechseln! Das werde der Vielschichtigkeit und Problematik des Themas nicht gerecht, sagt Ruth Heß. Ja, es gebe einen großen Anstieg bei den Transgender-Zahlen, aber der Zusammenhang sei ihr zu eindimensional dargestellt.
Ruth Heß: "Birgit Kelles Darstellung erweckt den Anschein, als ob die medizinische Betreuung von Trans-Kindern und Jugendlichen quasi im luftleeren Raum stattfindet. Als ob sie allein den Launen und Interessen von Lobbyverbänden und verantwortungslosen Eltern und ÄrztInnen ausgesetzt sei. Was dabei völlig verschwiegen wird, ist, dass es in Deutschland mehrere spezialisierte Behandlungszentren gibt, an denen Multi-professionelle Teams mit den Betroffenen und ihren Familien arbeiten, und dass sie dies natürlich nach abgestimmten Leitlinien für die Diagnostik und Behandlung von Geschlechtsdysphorie im Kinder und Jugendalter tun."
Was wollen die Gender-Gegner?
Homo- und Transsexualität sind heute Thema im Schulunterricht in höheren Klassen. Es gehe darum, dass Jugendliche lernen, verantwortlich mit eigener Sexualität umzugehen, auch um Abwertung und Mobbing jenseits der Hetero-Sexualität vorzubeugen. Aber was wäre denn die Alternative? Das Thema zu verschweigen oder Betroffene auszugrenzen? Die Theologin Ruth Heß sagt, ihr sei bis heute nicht klar, wofür die Gender-Gegner genau stehen. Denn das sagten sie nicht konkret.
"Soll das bedeuten, dass Frauen eben nicht berufstätig sein sollen, dass sie zum Muttersein geboren sind und dass ihrer Psyche nur fürsorgliche Haltungen eine Rolle spielen dürfen. Ist das das Ergebnis und was bedeutet das politisch?", sagt Ruth Heß.
Für Familie und Werte wie Verlässlichkeit stehen auch viele Homosexuelle. Das wird gar nicht wahrgenommen. Welche Rechte sollen Homosexuelle und Frauen abgeben, wenn rechte Christinnen und Christen das Sagen hätten? Das Abtreibungsrecht wäre betroffen, die "Ehe für alle" würde wieder abgeschafft – und sonst? Da bleiben die Aussagen vage. Wichtiger als konkrete Vorschläge sind im Rechtschristentum klare Feindbilder und das Dauergefühl, in einer feindlichen Umgebung zu leben. Bis hin zu dem Gedanken, in einer Diktatur zu leben und einer Christenverfolgung ausgesetzt zu sein.
Ein Mann mit Aluhut
Bei "Hygiene-Demos" kommen Verschwörungstheoretiker zusammen - aber nicht nur. Viele sorgen sich nur um die Einschräkung ihrer Grundrechte. (imago images/ZUMA Wire)
"Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater, unserem Herrn, Jesus Christus (…) zu unserem heutigen Thema: Wie gehen wir als Christen mit dem Corona-Wahnsinn um? …". Jakob Tscharntke ist Prediger in der evangelischen Freikirche Riedlingen.
Jakob Tscharntke weiter:
…das hat mich auch einiges an Kraft gekostet, auch mich selber darauf einzustellen, das damit mich zu befassen, Realität und Wahn zu unterscheiden. Ich hätte derart satanisch bösartige Eingriffe in das Leben christlicher Gemeinden und unseres ganzes Volkes, auch in unsere persönlichsten familiären Angelegenheiten und Freiheiten vor dem offenbar werden des Antichristen nicht erwartet. Und selbst dann in dieser Form nicht. (…) Was in den letzten Wochen und Monaten von den Herrschenden über unser Land gebracht wurde, spottet jeder Beschreibung und jeder Vorstellungskraft. Eine totalitäre Herrschaft über den Menschen wurde errichtet, quasi über Nacht.
Der Glaube an den "satanischen Lockdown"
Diese Predigt vom 10. Mai 2020 auf dem Kanal der Freikirche wurde inzwischen von Youtube gelöscht. Die Botschaft ist eindeutig: in Deutschland existiert angeblich keine Demokratie mehr, infolge der Einschränkungen durch das Corona-Virus. Der Lockdown sei satanisch und bösartig, sagt er. Deutschland werde von unbekannten Eliten regiert. Aber – so heißt es später - es gebe auch Hoffnung. Denn Gott hätte biblischen Städte Sodom und Gomorra vor der Vernichtung verschont, wenn sich nur 10 gerechte Menschen gefunden hätten. Deshalb müsse gebetet werden. Und auf der Straße zu protestieren helfe auch gegen die "Willkür der Herrschenden", die ja satanische Züge hätten. - Dazu noch einmal Liane Bednarz:
"Das sind natürlich schon rechtslastige Vorstellungen. …Und da trifft sich eben dieses christliche Milieu auch mit rechtem Denken, weil eben Rechte ja auch gerne so tun, als gäbe es hier ja eine Art Quasi-Diktatur, und so tun, als würden wir in einer Art DDR 2.0 leben und eben auch insinuiert wird, durch NGOs oder andere würde hier die große Weltverschwörung, der dann alle Völker und Kulturen aufgelöst werden. Mich überraschen diese Verschwörungstheorien gar nicht, denn ich kenne sie tatsächlich seit fast 30 Jahren aus bestimmten evangelikalen Milieus. Diese Idee der angeblichen neuen Weltordnung, die kommt, und das steckt auch im Grunde hinter dieser Vorstellung."
Nicht alle rechten Christen verbreiten Verschwörungsmythen. Aber die Erzählungen von Gender-Wahn, Homo-Wahn und Corona-Wahn sind anschlussfähig an jedes Gedankengut, das "die da oben", irgendeine Lobby oder eine Elite zu Feinden erklärt.