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Rechtsextremisten: Einbindung statt Ausgrenzung

Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei ist bei Wahlen regelmäßig drittstärkste Kraft. Noch weiter rechts haben die dänischen Neonazis mit der "Partei der Dänen" erst kürzlich ein politisches Sprachrohr bekommen. Über Parteiverbote wird in Dänemark dennoch nicht diskutiert.

Von Marc-Christoph Wagner | 20.12.2011
    Im August dieses Jahres erwachten die Dänen zu einer erschreckenden Schlagzeile. Seit 20 Jahren, so hatte die linksliberale Tageszeitung Politiken recherchiert, operiere ein etwa 100 Personen starkes rechtsextremes Netzwerk im Lande. In all den Jahren, so der verantwortliche Redakteur der investigativen Artikelserie John Hansen, habe es seine Aktivitäten vor der Öffentlichkeit verbergen können:

    "Die Sprache dieser Leute und die Themen, die sie miteinander diskutierten, überraschten mich nicht. Das waren primitive, dumpfe, rassistische, ja naziverherrlichende Klischees. Nein, was mich überraschte, war, wer dahinter steckte. Das waren wohlsituierte Leute, Unternehmer und leitende Angestellte in der öffentlichen Verwaltung – ein gutbürgerliches Milieu also."

    Ein Einzelfall? Gewiss nicht. Erst vor einem Monat konstatierte der dänische Verfassungsschutz, PET, dass auch in Dänemark ein rechtsextremes Milieu vorhanden sei, das sich gar auf einen Rassenkrieg vorbereite.

    "Es sind mehrere Hundert Personen, von denen Einzelne als gewaltbereit eingestuft werden müssen."

    Noch sehr viel deutlicher, als der amtierende Chef des dänischen Verfassungsschutzes, Jakob Scharf, wird sein Amtsvorgänger Hans Jørgen Bønnichsen:

    "Ohne Frage ist das eine ernste Entwicklung. Natürlich ist die Zahl der Rechtsextremisten bei uns in Dänemark relativ klein, aber sie bilden ein Milieu mit einer Vorstellungswelt, aus der heraus sich Leute wie Anders Behring Breivik entwickeln können oder auch eine Gruppe, wie wir sie jüngst in Deutschland erlebt haben, die neun Ausländer und eine Polizistin ermordet haben."

    Bønnichsen empfiehlt unter anderem die systematische Überwachung des Internets, wie auch präventive Gespräche mit Jugendlichen, die dabei sind, in links- oder rechtsextremistische Milieus hineinzuwachsen:

    "Kurz nach dem Attentat in Norwegen sagte die Leiterin des norwegischen Verfassungsschutzes, selbst die Stasi hätte einen Anders Behring Breivik nicht aufspüren können. Ich meine, das ist eine totale Kapitulation. Natürlich lassen sich selbst solche einsamen Wölfe aufspüren, nur darf man die Verantwortung dafür nicht alleine den Behörden auferlegen. Jeder Bürger trägt Verantwortung. Und wenn wir in unserem Umfeld Personen entdecken, die mit radikalen Ansichten flirten, müssen wir einschreiten."
    Derzeit ist der rechte Rand in Dänemark dabei, sich straffer zu organisieren, und mit der erst kürzlich gegründeten Partei der Dänen hat er auch eine neue politische Repräsentation bekommen, die offen gegen Ausländer und die EU hetzt. Trotzdem gibt es im Land keine ernsthafte politische Diskussion darüber, ob solche Gruppierungen verboten werden sollten. Vielmehr herrscht parteiübergreifende Einigkeit darüber, dass man selbst politischen Extremismus offen konfrontiert, anstatt ihn durch Verbote und Dämonisierung noch zu stärken.

    Denn genau damit haben die Dänen in jüngerer Vergangenheit durchaus schlechte Erfahrungen gemacht. Durch seine Aussage, stubenrein, also politisch gesellschaftsfähig werde die rechtspopulistische Dänische Volkspartei nie werden, hat der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen 1999 wohl erst recht zum Anwachsen der Partei beigetragen. Zwei Jahre später war sie drittgrößte Gruppierung im dänischen Parlament und diente zehn Jahre lang als Mehrheitsbeschafferin für eine bürgerliche Regierung. Die Einbindung ins Parlament wiederum hat wohl auch dazu beigetragen, dass sich rechtsextremistische Parteien neben den Rechtspopulisten in Dänemark nie ernsthaft haben etablieren können, so der Journalist John Hansen von der Tageszeitung Politiken:

    "Eine Partei wie die Dänische Volkspartei, die bei Wahlen immer wieder einen Stimmenanteil von 12, 13 Prozent erreicht, absorbiert die Stimmung im Volk, die Zuwanderung und fremden Kulturen gegenüber skeptisch ist. Die Volkspartei gibt diesen Bürgern eine Stimme und kanalisiert deren Unmut hinein in die öffentlich-demokratische Debatte. Ich meine, das ist gesund, denn – ob wir es nun gut finden oder nicht – diese Haltungen sind in der Bevölkerung vorhanden."