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Rechtsstaatsmechanismus
EU-Parlament fordert mehr Druck auf Polen und Ungarn

Kein EU-Geld bei Verstößen gegen rechtsstaatliche Prinzipien: Das sieht der Rechtsstaatsmechanismus vor, den die EU im letzten Jahr beschlossen hat, allerdings unter Vorbehalt. Der Europäische Gerichtshof prüft das Instrument noch - und das dauert lange, meinen EU-Parlamentarier.

Von Paul Vorreiter |
Eine Figur der Justitia vor der Fahne der Europäischen Union.
Polen und Ungarn meinen, dass die Auszahlung von EU-Geld an keine Rechtsstaatlichkeitsklausel geknüpft werden kann. (dpa-Zentralbild)
Wochenlang haben Polen und Ungarn im vergangenen Jahr das 1,8 Billionen Euro schwere Haushaltspaket inklusive Corona-Wiederaufbaufonds blockiert, weil sie gegen die neue Rechtsstaatsklausel sind. Dann handelte die deutsche Ratspräsidentschaft einen Kompromiss aus, der EU-Parlament, Ungarn und Polen und die anderen Mitgliedsländer zufrieden stimmte. Alle Seiten sahen sich danach als Sieger. Das Parlament, das sich freute, dass erstmals ein solches Instrument im Rahmen des EU-Haushaltes und des Corona-Wiederaufbaupaketes eingeführt wurde.
Aber auch Polen und Ungarn sahen sich als Sieger, weil sie sich sicher sind, dass der Mechanismus nie gegen sie eingesetzt wird. Denn: Gemäß der damals vereinbarten Zusatzerklärung wollen sie erst vor dem EuGH prüfen lassen, ob der Mechanismus EU-rechtskonform ist, und das tun sie gerade auch.

Überall nur Gewinner?

Die beiden Länder sind der Meinung, dass die Auszahlung von EU-Geld an keine Rechtsstaatlichkeitsklausel geknüpft werden kann, auf diese Weise ihnen also kein Geld gestrichen oder gekürzt werden darf. Und die EU-Kommission, die den Mechanismus in Gang setzen muss, betrachtet ihn zwar seit Januar in Kraft, will ihn aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht auslösen:
"Wir werden das Ergebnis des EuGH-Urteils abwarten, bevor wir in den nötigen Fällen handeln werden, seitdem der Mechanismus in Kraft ist. Kein Fall geht also auf diese Weise verloren, und wir sind auch sehr zuversichtlich, dass das Instrument rechtlich wasserdicht ist", so ein Sprecher der Kommission: Wenn dem aber so ist, dann könnte der Mechanismus bereits jetzt angewendet werden, finden Christ-, Sozialdemokraten, Grüne und Liberale, die deswegen in einer Entschließung die Kommission zum sofortigen Handeln auffordern.
"Die Kommission verhält sich wie eine Feuerwehr, die mit dem Löschfahrzeug zum Brand fährt und dann erstmal diskutiert, wie man den Schlauch hält um ihn zum Feuer zu bringen. Der Rechtstaat in Europa brennt, die Europäische Kommission muss jetzt endlich löschen."
findet der FDP-Abgeordnete Moritz Körner. Die Probleme mit dem Rechtstaat in Polen und Ungarn sind nicht erst über Nacht entstanden. Beide Länder bekommen hohe Milliardenbeträge aus dem EU-Haushalt, zugleich laufen gegen sie bereits Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge. Die Beweislage sei erdrückend, finden die Parlamentarier, die sich der Resolution angeschlossen haben. Und ohne jetziges Handeln, sei Gefahr in Verzug. Daniel Freund von den Grünen:
"Denn in Ungarn werden ja täglich neue Fakten geschaffen, Radiosender müssen abschalten, Zeitungen werden nicht mehr ausgetragen und gleichzeitig entwickelt die Fidesz Regierung immer ausgeklügeltere Systeme, um EU-Gelder zu entwenden. Vieles davon ist auch gar nicht mehr rückgängig zu machen"

Barley: Betroffene sollen nicht jahrelang auf den EuGH warten

Ein Schaden entstehe aber nicht nur für den Haushalt, sondern auch real für die Menschen. Trotz eines EuGH-Urteils gegen die von der polnischen Regierung eingerichteten Disziplinarkammern würden nach wie vor polnische Richterinnen und Richter sowie Staatsanwälte bestraft, ohne Konsequenten für Polen, kritisiert die SPD-Abgeordnete Katarina Barley:
"Wir haben mit Betroffenen gesprochen, die von heute auf morgen strafversetzt werden, die über Monate ihre Familie nicht zu Gesicht bekommen. Wenn die Kommission sagt, die Verstöße müssen geahndet werden, nur eben nicht jetzt. Sie können den Familien diese Zeit nicht zurückgeben, in denen sie einander nicht gesehen haben."
Während der EuGH monatelang, wenn nicht sogar über ein Jahr den Mechanismus prüfen dürfte, arbeitet die EU-Kommission an Richtlinien, die die Anwendung der Rechtstaatsverordnung konkretisieren sollen.
"Es braucht keine Guidelines, um eine Vorordnung umzusetzen, auch bei der Verordnung gegen Rechtstaatlichkeit nicht. Sonst hätte die Kommission ja ihren eigenen Vorschlag, diese Guidelines selbst vornehmen können. Diese Verordnung hat sie nämlich vor drei Jahren vorgeschlagen."
so Moritz Körner. Mit der Resolution soll nun also Druck aufgebaut werden. Und die Abgeordneten setzen der Kommission auch eine Frist bis zum Sommer. Katarina Barley:
"Wenn die Kommission weiterhin nicht bereit ist, diesen Mechanismus anzuwenden, dann wird das EU-Parlament gegebenenfalls gegen die Kommission klagen, wegen Untätigkeit."