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Rede im Parlament
Rajoy will zügig Klarheit von Puigdemont

Hat der katalanische Ministerpräsident Puigdemont nun die Unabhängigkeit ausgerufen oder nicht? Inzwischen steht fest: Katalonien will sich loslösen von Spanien – aber nicht sofort. Spaniens Ministerpräsident Rajoy ist das zu ungenau: Er will von Puigdemont Klarheit und das schnell.

Von Oliver Neuroth | 11.10.2017
    Spaniens Ministerpräsident spricht vor dem Parlament in Madrid.
    Spaniens Ministerpräsident spricht vor dem Parlament in Madrid. (imago /Agencia EFE)
    Im politischen Madrid dreht sich alles um eine Zahl: 155. Dieser Paragraph der spanischen Verfassung könnte eine Schlüsselrolle in der Katalonien-Krise spielen. Mit ihm kann die Zentralregierung das Regionalparlament auflösen, Politiker absetzen und die Kontrolle über die lokale Polizei übernehmen. Ministerpräsident Rajoy hat den Mechanismus dieses Paragraphen heute in Gang gesetzt – mit der Frage an Kataloniens Regierungschef Puigdemont, ob er gestern die Unabhängigkeit tatsächlich ausgerufen hat oder nicht. Nach den Worten Rajoys war das nämlich nicht eindeutig.
    "Die Antwort, die Herr Puigdemont auf unsere Anfrage geben wird, markiert die Zukunft der nächsten Tage. Es liegt in seiner Hand, zurückzukehren zur Rechtmäßigkeit und den Normalzustand der Institutionen wiederherzustellen, so wie es die ganze Welt fordert. Oder er beginnt eine Phase der Instabilität, der Spannungen und riskiert, dass das Zusammenleben der Menschen in Katalonien nicht mehr funktioniert."
    Rajoy droht mit Artikel 155
    Rajoy macht ernst: Er droht der katalanischen Regierung damit, den Artikel 155 anzuwenden, wenn sich die Region tatsächlich für unabhängig erklärt. Dafür habe Ministerpräsident Puigdemont keine Kompetenz, wie Rajoy ein weiteres Mal klarstellt.
    "Sie sind gewählt, um die autonome Region zu regieren. Aber nicht, um eine einseitige Unabhängigkeit auszurufen oder das Autonomiestatut aufzulösen."
    Der Konservative Rajoy hat bei seinen geplanten Schritten die Unterstützung einiger politischer Gegner, zum Beispiel der Sozialisten. Auch sie befürworten den Artikel 155 – und zwar, um Neuwahlen in Katalonien zu erzwingen. Parteichef Sanchez schlägt außerdem vor, die spanische Verfassung zu überarbeiten – um Konflikte wie den in Katalonien in der Zukunft zu verhindern. Denn die aktuelle spanische Verfassung sieht Referenden wie am 1. Oktober in Katalonien nicht vor. Sanchez möchte eine Kommission gründen, zur – wie er sagt - "Modernisierung der Autonomen Gemeinschaften" in Spanien.
    "Die Kommission soll das Modell unserer Autonomen Gemeinschaften auf den Prüfstand stellen – sechs Monate lang. Sie bewertet die politische Situation in Katalonien. Danach beginnen wir eine Debatte im Parlament, wie die Verfassung modernisiert werden könnte."
    Ohne Gespräche rücken harte Konsequenzen näher
    Soweit will Ministerpräsident Rajoy bisher nicht denken. Er wirft dem katalanischen Regierungschef Puigdemont im Parlament vor, für die schwerste Krise der jüngeren spanischen Demokratie gesorgt zu haben. Und er reagiert auf die Forderung, die er in den vergangenen Tagen von vielen Seiten gehört hat – nämlich mit der Regionalregierung Kataloniens zu reden, in Verhandlungen zu treten. Doch das lehnt Rajoy weiter ab. Er beruft sich auf Artikel 2 der spanischen Verfassung, der verbiete:
    "Über die Souveränität Spaniens zu verhandeln und über die Unteilbarkeit Spaniens."
    Soviel dürfte klar sein: Ohne Gespräche rückt der Artikel 155 mit all seinen harten Konsequenzen für Katalonien immer näher.