
Osmani Ridva liegt damit ganz auf Regierungslinie. Denn die sozialdemokratisch geführte Koalition von Regierungschef Zoran Zaev wünscht sich ein Ja bei der Namensabstimmung am Sonntag. Vor fast genau vier Monaten hat er in der Grenzregion Prespa das historische Abkommen mit Griechenland feierlich unterzeichnet. Live im Fernsehen übertragen in beiden Ländern.
FYROM steht für Former Yugoslav Republic of Macedonia. Griechenland sorgte dafür, dass Mazedonien nach seiner Unabhängigkeit 1991 unter diesem Namen der UNO beitrat . Die griechische Sorge: Aus dem Namen Mazedonien könnten sich Gebietsansprüche auf die Provinz Makedonien in Griechenland ergeben. Denn in den meisten Sprachen gibt es nur eine Bezeichnung für die geographische Region Mazedonien und für das historische Mazedonien, das im Deutschen oft Makedonien genannt wird.
Die emotionsgeladene "M-Frage" schien unlösbar: Nationalisten auf beiden Seiten verhinderten 27 Jahre lang die Beilegung des Konflikts. Doch dann bewegte sich etwas.
Zwei Hürden bleiben noch: Zum einen das Referendum am Sonntag und dann auch noch eine Verfassungsänderung. Dafür ist eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament erforderlich, die Ministerpräsident Zaev und seine Sozialdemokraten alleine nicht aufbringen können. Vorsorglich macht er deshalb jetzt schon Druck auf die größte Oppositionspartei, die nationalkonservative VMRO.
Das anstehende Namensreferendum sei für die Regierung nicht bindend, ließ Zaev inzwischen allerdings durchblicken. Denn die Regierung befürchtet, dass die nötige Wahlbeteiligung von 50 Prozent nicht erreicht werden könnte. Dass also nicht genügend Wahlberechtigte zur Abstimmung gehen.
Dabei erhält die mazedonische Regierung breite internationale Unterstützung bei ihren Bemühungen, die Namensänderung durchzusetzen. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz sendet den Mazedoniern sogar eine Videobotschaft:
"Wir haben das Ziel, dass alle Staaten des Westbalkans und insbesondere natürlich auch Mazedonien eine europäische Perspektive haben. Dafür ist die Lösung des Namensstreits Grundvoraussetzung."
Die Aussicht auf einen neuen Namen bringt eine regelrechte diplomatische Offensive in die Region. In Skopje geben sich hochrangige Amtsträger die Klinke in die Hand: Vom EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, über Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bis zur Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie stärkte Ministerpräsident Zaev bei einer gemeinsamen Pressekonferenz demonstrativ den Rücken:

Die Perspektive, der NATO und der Europäischen Union beizutreten: Beides war bislang wegen des Namensstreits nicht möglich.
Doch trotz der vielen Chancen, die die Befürworter einer Namensänderung anführen:– viele Mazedonier sind dennoch nicht überzeugt und denken so wie ein Landwirt aus Kumanovo:
300 Kilometer südlich, im griechischen Ferienort Nea Plagia - in der griechischen Region Makedonien. Im Sommer ein beliebter Urlaubsort auch für mazedonische Touristen. Jetzt im Herbst sind die Griechen wieder unter sich, viele kommen aus der Nachbarstadt Thessaloniki für einen kurzen Abstecher an den Strand. So auch der 37-jährige Kostas. Ob das Nachbarland "Nordmazedonien" heißen soll? Auf keinen Fall, sagt er:
Kosta ist mit seiner Meinung nicht alleine. Sieben von zehn Griechen wollen – Umfragen zufolge- nicht, dass ihre nördlichen Nachbarn einen Namen aus der griechischen Antike tragen. Viele Griechen argumentieren, dass die Bevölkerung des Nachbarstaates größtenteils slawischstämmig sei. Und die Slawen seien Jahrhunderte später in die Region eingewandert. Mit der Geschichte Makedoniens haben sie ihrer Ansicht nach nichts zu tun.
Auch der provisorische Name "Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien" wird vermieden. Viele Griechen bezeichnen ihr Nachbarland mit dem Kürzel Fyrom oder indem sie das ganze Land "Skopia" nennen - nach dessen Hauptstadt Skopje. Dass die meisten Länder der Welt Mazedonien schon mit seinem konstitutionellen Namen anerkannt haben, trage nichts zur Sache bei, sagt Kostas:
Eine durch und durch unverantwortliche Haltung, kritisiert der griechische Syriza-Politiker Giorgos Chondros vom Vorstand der linken Partei. Alle politischen Kräfte Griechenlands sollten sich der Verantwortung stellen und somit letzten Endes zur Stabilität in der Region beitragen. Außerdem: Geographisch gesehen, haben die Mazedonier durchaus das Recht, sich so zu nennen, sagt der griechische Politiker Chondros. Denn das historische Mazedonien, das oft auch Makedonien genannt wird, erstrecke sich nun mal heutzutage auf mehrere Länder und nicht nur auf das griechische Gebiet Makedonien.

Sollte der Versuch, den Namensstreit beizulegen, auch diesmal scheitern, könnte es wieder Jahrzehnte dauern, bis die beiden Länder das Thema wieder anpacken, sagt auch Südosteuropa-Experte Konstantinos Filis.
Er ist wissenschaftlicher Leiter des Griechischen Instituts für Internationale Beziehungen. Gerade wenn nach dem Sozialdemokraten Zaev und dem linken Tsipras in beiden Ländern wieder rechte Regierungen an die Macht kommen, würde die Lösung in weite Ferne rücken. Das Abkommen sei aus griechischer Sicht weder ein diplomatischer Triumph noch eine nationale Katastrophe, sagt Filis.
Negativ sei hingegen, dass eben nur der Name des Nationalstaats den Zusatz "Nord" bekommt. Die Bürger werden sich weiterhin einfach Mazedonier nennen dürfen und ihre Sprache "Mazedonisch"- ohne jeglichen Zusatz, was Ansprüche auf die gleichnamige griechische Region nicht ausschließen könne. In den kommenden Jahren sei das zwar unrealistisch, sagt Filis. Aber er warnt: Internationale Verträge sollten immer aus einer langfristiger Perspektive betrachtet werden. Das Argument, Mazedonien sei doch nur ein kleines, schwaches Land, sei in der internationalen Politik zu engstirnig, sagt Filis.

Einerseits sei da Russland als Akteur, der sich als Beschützer der slawischen Bevölkerung profilieren wolle. Auf der anderen Seite stehen die USA und der Westen, sagt der Südosteuropa-Experte Konstantinos Filis:
Je besser die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Ländern nach dem Abkommen würden, desto unwahrscheinlicher sei dieses Szenario, so der Hochschulprofessor.
Offiziell ruft die VMRO ihre Anhänger nicht zum Boykott des anstehenden Referendums auf. Stattessen fährt sie einen Schlingerkurs. Man werde das Ergebnis des Referendums akzeptieren und die darauffolgende Verfassungsänderung unterstützen, sollte das Referendum erfolgreich sein – heißt es einerseits von der Parteiführung.
Andererseits ruft die Partei ihre Anhänger zu einem stillen Boykott auf – denn wenn die Opposition wirklich zuhause bleibt, dürfte das notwendige Quorum von 50 Prozent schwer zu erreichen sein.
Staatspräsident Djordje Ivanov steht der VMRO nahe. Vergangenes Wochenende sprach er vor mazedonischen Auswanderern in den USA davon, dass jeder Bürger das Recht habe zu entscheiden, ob er beim Referendum seine Stimme abgibt, oder eben nicht.
Ministerpräsident Zaev hat mit der Einigung im Namensstreit außenpolitisch viel erreicht. Doch innenpolitisch haben sich viele von ihm weit mehr erhofft: etwa eine längst überfällige Justizreform und damit mehr Korruptionsbekämpfung, gesetzliche Gleichberechtigung für die Albaner im Land oder auch weniger Arbeitslosigkeit.
Zaevs politische Gegner haben also leichtes Spiel, wenn sie das Referendum in eine Abstimmung über die Regierung ummünzen. VMRO Chef Hristijan Mickovki spielt diese Karte aus:
Maja Moracanin kämpft für ein Ja beim Referendum. Die Abgeordnete der grünennahen "dom" Partei im mazedonischen Parlament betont immer wieder, dass es dabei nicht um politische Lager gehe, sondern um die Zukunft des Landes. Die aufgeheizte Debatte möchte sie versachlichen.
Maja Moracanin wurde bei der letzten Wahl erstmals ins Parlament gewählt. Sie erlebte hautnah mit, wie die Vorgängerregierung von Nikola Gruevski gemeinsam mit Präsident Ivanov einen demokratischen Machtwechsel monatelang verhinderte.
Maja Moracanin war damals mit im Raum und sie ist bis heute erschüttert.
"Die Gesellschaft ist gespalten. Das spiegelt sich in der Referendumsfrage und vielen anderen Themen. Nach dem Parlamentssturm war diese Spaltung besonders deutlich. Das habe ich selbst erlebt. Opposition und Regierung haben kaum kommuniziert und jetzt sollten alle, die sich mit Politik befassen versuchen, die beiden Seiten zu versöhnen und konstruktiv zusammenzuarbeiten um die Vergangenheit im Interesse der Bürger zu überwinden."
Marija Beschnewski spielt im Park in Kumaovo mit ihren Kindern. Die 29-Jährige hat in Deutschland gelebt und möchte wie viele ihrer Landsleute auch wieder in den Westen. Sie strebt eine Altenpflegerinnen-Ausbildung in Deutschland an, das Visum hat sie bereits beantragt. Morgen wird sie mit "Ja" abstimmen, sagt sie. Aus ihrer Sicht eine ganz pragmatische Entscheidung:
"Wir wollen in die EU. Schön für junge Leute, die dann in ein anderes Land gehen und Geld verdienen können. Hier in Mazedonien ist ganz schlecht."
Das Referendum werde die wirtschaftliche Lage des Landes beeinflussen. Im Kern geht es am Sonntag aber um die Identität der Menschen in Mazedonien, darum wer sie sind und wie ihr Land in Zukunft heißen wird.