An Südfrankreichs Küste rauschen die Wellen des Mittelmeers an den Strand. Vielen gilt die Region Provence-Alpes-Cote-d´Azur mit ihren Metropolen Marseille und Nizza als ideales Urlaubsziel. Aber bei den Regional- und Départemenwahlen richtet sich die Aufmerksamkeit auf diese Region, weil der Rassemblement National hier die besten Chancen hat, zu gewinnen. Es wäre das erste Mal, dass die extrem rechte Partei eine Region regieren würde. Und das hätte Auswirkungen auf das politische Klima im ganzen Land, glaubt der Pariser Politikwissenschaftler Bruno Cautrès.
"Es wird das Gefühl vermittelt, dass es eine Dynamik für Marine Le Pen gibt. Und das wird für sie nur gut sein."
"Es wird das Gefühl vermittelt, dass es eine Dynamik für Marine Le Pen gibt. Und das wird für sie nur gut sein."
Damit ist der Ton für diesen Urnengang gesetzt: Er steht bereits im Zeichen der Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2022. Umfragen sagen eine Neuauflage des Duells zwischen dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron und der Chefin des Rassemblement National, Marine Le Pen, voraus. Ein Szenario, das vor allem Frankreichs bürgerlich Rechte und die Präsidentenpartei "La République en Marche" bereits bei dieser Regionalwahl unter Druck setzt, sagt der Politologe Cautrès.
"Die essenzielle Frage in dieser Kampagne ist die nach den Allianzen vor der ersten Runde am 20. Juni oder vor der zweiten Runde eine Woche später. Es geht vor allem um mögliche Zusammenschlüsse zwischen ‚La République en Marche‘ und den konservativen Republikanern."
Gemeinsame Wahlliste von Republikanern und Le Pens Partei
Eigentlich versucht die bürgerliche Rechte, die sich vor allem in der Partei der Republikaner findet, sich sowohl von "La République en Marche", kurz LREM, als auch vom Rassemblement National abzusetzen. Zumindest in der Parteispitze der Republikaner fährt man diesen Kurs. In der südlichen Region Provence-Alpes-Côte-d´Azur sah man das anders: Dort ließ sich der republikanische Regionalpräsident, Renaud Muselier, Anfang Mai auf eine gemeinsame Wahlliste mit LREM ein – als Bollwerk gegen den Rassemblement National. Für die Republikaner war das ein politisches Erdbeben. Daraus machte Bruno Retailleau, Präsident der Republikaner im Senat in Paris, keinen Hehl:
"Das ist das Schlimmste in der Politik. Ein absolut beklagenswertes Spektakel. Das, was man in der Politik am wenigsten mag, ist, keine Überzeugung zu haben. Das ist ein politisches Manöver. Eine Kombination aus der Waschküche. Die Demokratie ist der große Verlierer."
Da halfen auch die Beschwichtigungsversuche von Renaud Muselier nichts. Der Regionalpräsident der Region Provence-Alpes-Côte d´Azur sprach von lediglich einer "Ansammlung von Talenten" auf der gemeinsamen Liste und bestritt jegliche Allianz mit der Präsidentenpartei LREM. Seiner eigenen Partei, den Republikanern, warf er vor:
"Es hat sich eine Form kollektiver Hysterie ausgebreitet – seitdem der Premierminister erklärt hat, dass es diese politische Zusammensetzung geben wird. Ich musste ständig meiner politischen Familie sagen: ich gehöre zu den Republikanern. Es gibt keine Übereinkunft mit "La République En Marche".
"Das ist das Schlimmste in der Politik. Ein absolut beklagenswertes Spektakel. Das, was man in der Politik am wenigsten mag, ist, keine Überzeugung zu haben. Das ist ein politisches Manöver. Eine Kombination aus der Waschküche. Die Demokratie ist der große Verlierer."
Da halfen auch die Beschwichtigungsversuche von Renaud Muselier nichts. Der Regionalpräsident der Region Provence-Alpes-Côte d´Azur sprach von lediglich einer "Ansammlung von Talenten" auf der gemeinsamen Liste und bestritt jegliche Allianz mit der Präsidentenpartei LREM. Seiner eigenen Partei, den Republikanern, warf er vor:
"Es hat sich eine Form kollektiver Hysterie ausgebreitet – seitdem der Premierminister erklärt hat, dass es diese politische Zusammensetzung geben wird. Ich musste ständig meiner politischen Familie sagen: ich gehöre zu den Republikanern. Es gibt keine Übereinkunft mit "La République En Marche".
Der lokale Vertreter des Rassemblement National, Thierry Mariani, triumphierte über die Zerwürfnisse bei den Bürgerlichen. Mariani führt die Liste seiner Partei in der Region Provence-Alpes-Côte d´Azur an. Der langjährige Politiker war selbst einmal Mitglied der Republikaner.
"Mir geht es wie vielen Wählern in der Region, die mal an die bürgerlich Rechten geglaubt haben, aber gesehen haben, dass sie im Amt nichts von ihren entschlossenen Reden einhalten. Diese Wähler finden sich heute bei Marine Le Pen – so wie ich."
Mariani hat beste Chancen auf einen Sieg in Südfrankreich. Verhindern könnte das nur die sogenannte "Front Républicain". Seit der Präsidentschaftswahl 2002 hat diese Strategie Wahlsiege der extrem Rechten verhindert. In die Stichwahl gegen den konservativen Amtsinhaber Jacques Chirac kam damals überraschend der extrem rechte Jean-Marie Le Pen, Vater von Marine Le Pen und Chef des Front National – wie der Rassemblement National zu dieser Zeit noch hieß.
Chirac konnte schließlich, unterstützt von linken Parteien, den Wahlsieg mit 82 Prozent der Stimmen davontragen. Auch bei den letzten Regionalwahlen 2015 kam diese republikanische Front gegen die extrem Rechten zustande. In der nordöstlichen Region Hauts-de-France verhinderte sie Marine Le Pen als Regionalpräsidentin und in der südlichen Region Provence-Alpes-Côte d´Azur deren Nichte. Der Grund: linke Parteien zogen ihre Listen für die Stichwahl zurück und verhalfen so den konservativen Kandidaten zum Wahlsieg. Für die Regional- und Départementwahlen morgen glaubt die Meinungsforscherin Adélaide Zulfikarpasic allerdings:
"Der Reflex für eine republikanische Front hat eher ausgedient. Er funktioniert weniger gut als in der Vergangenheit. Sowohl bei den lokalen Politikern als auch bei linken Wählern. Umfragen in der Region Provence-Alpes-Cote d´Azur zeigen: Wenn sich die Linke für die Stichwahl zurückzieht, würde eine Mehrheit der linken Wähler trotzdem nicht für den konservativen Renaud Muselier stimmen, sondern sich enthalten. Allerdings können sich die Dinge zwischen den zwei Wahlgängen ändern. Wenn gewichtige Politiker der Regierung oder z. B. Ex-Präsident Francois Hollande sagt: Vorsicht! Es gibt hier eine Gefahr! Geht wählen! Und wenn sie es schaffen, die Leute zu mobilisieren, kann das die Lage ändern."
"Der Reflex für eine republikanische Front hat eher ausgedient. Er funktioniert weniger gut als in der Vergangenheit. Sowohl bei den lokalen Politikern als auch bei linken Wählern. Umfragen in der Region Provence-Alpes-Cote d´Azur zeigen: Wenn sich die Linke für die Stichwahl zurückzieht, würde eine Mehrheit der linken Wähler trotzdem nicht für den konservativen Renaud Muselier stimmen, sondern sich enthalten. Allerdings können sich die Dinge zwischen den zwei Wahlgängen ändern. Wenn gewichtige Politiker der Regierung oder z. B. Ex-Präsident Francois Hollande sagt: Vorsicht! Es gibt hier eine Gefahr! Geht wählen! Und wenn sie es schaffen, die Leute zu mobilisieren, kann das die Lage ändern."
Der zweite Wahlgang am 27. Juni
Vorhersagen für den zweiten Wahlgang am Sonntag in einer Woche sind schwierig. Darüber sind sich Analysten einig. Während die Politik schon die mögliche Wiederholung des Szenarios der Präsidentschaftswahl 2017 beschäftigt, als Marine Le Pen gegen Emmanuel Macron in die Stichwahl einzog, touren die beiden Kontrahenten während des Wahlkampfs zu den Regionalwahlen durch das Land.
Le Pen unterstützt ihre Spitzenkandidaten vor Ort. Auch bei einer Pressekonferenz im historischen Schloss von Villandry in der Region Centre-Val de Loire in der Mitte Frankreichs äußert sie sich zu der nationalen Abstimmung in weniger als einem Jahr.
"Die Präsidentschaftswahl ist eine ganz besondere Wahl, die gar nicht derselben Logik folgt wie regionale Wahlen. Aber sicher ist: man kann die Dynamik messen, die heute die Ideen des Rassemblement National und seine Kandidaten begleiten."
Diese Ideen, von denen Le Pen spricht, drehen sich weniger um lokale Fragen, sondern um ein Thema, für das die Regionen und Départements gar nicht zuständig sind: die innere Sicherheit. Dazu gab Marine Le Pen schon vor Wochen die Linie vor:
"Emmanuel Macron bedeutet Chaos. Chaos seit vier Jahren. Die Sicherheitslage in unserem Land war noch nie so schlimm. Die Franzosen waren noch nie so umzingelt von der Kriminalität."
Statistiken belegen das Gegenteil dieser Behauptung: gerade schwere Verbrechen gehen seit Langem zurück. Das Wahlprogramm des RN spricht dennoch eine andere Sprache. In der Region Île de France um Paris ist der Vize-Präsident des Rassemblement National, Jordan Bardella, Spitzenkandidat seiner Partei. Auf dem Flyer, der für ihn wirbt und in den Briefkästen der Wählerinnen und Wähler landet, steht in Großbuchstaben:
"Jeden Tag in Frankreich: eine Aggression gratis – alle 44 Sekunden."
Darunter heißt es, die elf Millionen Einwohner der Region seien täglich Gewalt und Belästigung auf den Straßen und im öffentlichen Nahverkehr ausgesetzt. Diese äußerst brutale Gewalt, die keine Region schone, sei das Resultat eines Scheiterns der Justiz, die Kriminelle nicht mehr abschrecke, und einer nicht regulierten Migrationspolitik. Bardella verspricht, zwei bewaffnete Polizisten dauerhaft in jedem Bahnhof der Region zu stationieren und massiv in Videoüberwachung sowie die Ausrüstung der Sicherheitskräfte zu investieren.
"Die Präsidentschaftswahl ist eine ganz besondere Wahl, die gar nicht derselben Logik folgt wie regionale Wahlen. Aber sicher ist: man kann die Dynamik messen, die heute die Ideen des Rassemblement National und seine Kandidaten begleiten."
Diese Ideen, von denen Le Pen spricht, drehen sich weniger um lokale Fragen, sondern um ein Thema, für das die Regionen und Départements gar nicht zuständig sind: die innere Sicherheit. Dazu gab Marine Le Pen schon vor Wochen die Linie vor:
"Emmanuel Macron bedeutet Chaos. Chaos seit vier Jahren. Die Sicherheitslage in unserem Land war noch nie so schlimm. Die Franzosen waren noch nie so umzingelt von der Kriminalität."
Statistiken belegen das Gegenteil dieser Behauptung: gerade schwere Verbrechen gehen seit Langem zurück. Das Wahlprogramm des RN spricht dennoch eine andere Sprache. In der Region Île de France um Paris ist der Vize-Präsident des Rassemblement National, Jordan Bardella, Spitzenkandidat seiner Partei. Auf dem Flyer, der für ihn wirbt und in den Briefkästen der Wählerinnen und Wähler landet, steht in Großbuchstaben:
"Jeden Tag in Frankreich: eine Aggression gratis – alle 44 Sekunden."
Darunter heißt es, die elf Millionen Einwohner der Region seien täglich Gewalt und Belästigung auf den Straßen und im öffentlichen Nahverkehr ausgesetzt. Diese äußerst brutale Gewalt, die keine Region schone, sei das Resultat eines Scheiterns der Justiz, die Kriminelle nicht mehr abschrecke, und einer nicht regulierten Migrationspolitik. Bardella verspricht, zwei bewaffnete Polizisten dauerhaft in jedem Bahnhof der Region zu stationieren und massiv in Videoüberwachung sowie die Ausrüstung der Sicherheitskräfte zu investieren.
Die Strategie der "Ent-Teufelung" der extremen Rechten
Ein anderes Thema gibt es auf Bardellas Broschüre nicht. Dass der extrem rechte Rassemblement National mittlerweile für viele wählbar ist, liege an seiner langen Strategie der sogenannten "Ent-Teufelung", erklärt der Politikwissenschaftler Bruno Cautrès:
"Marine Le Pen wollte immer zeigen, dass sie ganz anders ist als ihr Vater. Sie hat zum Beispiel Mitglieder ausgeschlossen, die den Hitlergruß gezeigt hatten. Aber der Rassemblement National hat immer noch Leute mit einer politischen Botschaft von sehr großer politischer Radikalität, vor allem gegenüber Minderheiten und in der Frage der Migration. Unter diesem Aspekt ist es keine Partei wie jede andere. Was den demokratischen Wahlprozess dagegen anbelangt, ist es eine Partei wie jede andere. Der Rassemblement National ist keine aufrührerische politische Formation, die die Macht anders als durch eine Wahl ergreifen will. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Partei nicht mehr die aus den 1970er-Jahren."
"Marine Le Pen wollte immer zeigen, dass sie ganz anders ist als ihr Vater. Sie hat zum Beispiel Mitglieder ausgeschlossen, die den Hitlergruß gezeigt hatten. Aber der Rassemblement National hat immer noch Leute mit einer politischen Botschaft von sehr großer politischer Radikalität, vor allem gegenüber Minderheiten und in der Frage der Migration. Unter diesem Aspekt ist es keine Partei wie jede andere. Was den demokratischen Wahlprozess dagegen anbelangt, ist es eine Partei wie jede andere. Der Rassemblement National ist keine aufrührerische politische Formation, die die Macht anders als durch eine Wahl ergreifen will. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Partei nicht mehr die aus den 1970er-Jahren."
Dazu kommt, dass Sicherheitsthemen auch für viele Wählerinnen und Wähler die wichtigste Frage in dieser Kampagne sind. Obwohl die Sicherheitspolitik nicht zu den Kern-Kompetenzen der Regionen und Départements gehört. Die Regionen sind zuständig für öffentlichen Personenverkehr außerhalb der Städte, für die Gymnasien, die berufliche Bildung oder die finanzielle Unterstützung von Unternehmen – was gerade in der Corona-Krise eine wichtige Frage geworden ist. Die Départements kümmern sich um die Sozialpolitik für Kinder, alte Menschen und Menschen mit Behinderung sowie finanzielle Sozialleistungen. Außerdem fällt in ihren Kompetenz-Bereich die Unterhaltung der Gesamtschulen oder der Straßenbau. Themen, die in den Wahldebatten wenig vorkommen. Es dominieren Unsicherheiten, mit denen Wählerinnen und Wähler in ihrem Alltag konfrontiert sind.
Im Mai letzten Jahres demonstrierten Tausende Renault-Mitarbeiter in der nördlichen Stadt Maubeuge. Die Unternehmensführung hatte angekündigt, etliche Stellen zu streichen. Dass die Menschen in der nordöstlichen Region Hauts-de-France unter dem Abbau von Arbeitsplätzen leiden, ist ein Grund, warum auch hier der Rassemblement National stark ist, sagt der Politikwissenschaftler Tristan Haute.
"Es sind nicht diejenigen mit den prekärsten Lebensumständen, die vor allem den RN wählen, sondern diejenigen, die am meisten von Unsicherheiten bedroht sind. Qualifizierte Arbeiter oder Angestellte, die sich von einer steigenden Arbeitslosigkeit bedroht fühlen oder von unsicheren Vertragsverhältnissen. Sie sorgen sich um ihre wirtschaftliche Situation, die relativ stabil ist, aber jeden Moment kippen kann."
Hinzu kommt, dass sich in der Region Hauts-de-France mit der nördlichen Hafenstadt Calais und der belgischen Grenze die Probleme der Migration besonders deutlich zeigen. Auch das ist ein Hauptthema der extrem Rechten. In Haute-de-France führt Sebastien Chenu die Liste des Rassemblement National an. In Umfragen liegt er in der ersten Wahlrunde nur knapp hinter dem amtierenden Regionalpräsidenten, dem konservativen Xavier Bertrand. Chenu ist kein Unbekannter. Früher gehörte der 48-Jährige bürgerlich-rechten Parteien an. 2005 war Chenu Mitarbeiter der damaligen konservativen Regierung. Er ist ein Beispiel für die Strategie des Rassemblement National bei dieser Regionalwahl, glaubt Tristan Haute von der Universität der Picardie.
"Man stellt Persönlichkeiten in den Vordergrund, die aus der parlamentarischen Rechten kommen: Sebastien Chenu oder Thierry Mariani in der Region Provence Alpes-Côte-d´Azur, der ein ehemaliger Minister in der Regierung des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy war. Der Rassemblement National will also wirklich die Mauer zur parlamentarischen Rechten einreißen, indem er Politiker nach vorn bringt, die einen konsensfähigen Eindruck machen und politische Debatten gewöhnt sind."
Zudem sind die Kandidaten des Rassemblement National in manchen Regionen mittlerweile gut verankert. Diese Verwurzelung fehlt Emmanuel Macrons Partei, LREM, sagt die Meinungsforscherin Adélaide Zulfikarpasic.
"‘La République En Marche‘ ist ein Mann, dem es gelungen ist, Wähler für eine Präsidentschaftswahl hinter sich zu sammeln. Aber es ist schwierig, das in eine Partei umzuwandeln und lokal zu verankern. Wenn Wähler sagen: Ich werde ‚La République En Marche‘ wählen, meinen sie oft Kandidaten, die wenig bekannt sind. Man nennt das eine Wahl auf Ticket. Die Leute wählen auf das Ticket ‚La République en Marche‘, was ein Synonym für Emmanuel Macron ist."
Um die Wählerinnen und Wähler auf sich aufmerksam zu machen, findet man auf manchen Listen der Regierungspartei neben den weitgehend unbekannten Spitzenkandidaten die Namen von Ministern. Auch der Präsident selbst reist gerade durch die Republik. Er wolle den Puls des Landes fühlen, sagt Emmanuel Macron über seine Gespräche mit Menschen auf den Straßen. Die politische Konkurrenz kritisiert, Macron breche politische Regeln: während der Kampagne zu lokalen Wahlen müsse er sich zurückhalten. Über Wahlen spricht Macron nur, als er in einem Interview zur Fußball-Europameisterschaft gefragt wird, wann er seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahl erkläre. Obwohl diese als sicher angenommen wird, hat der Amtsinhaber sie noch nicht offiziell verkündet und sagt dazu:
"Das ist wie bei einer Meisterschaft. Wenn man an das Halbfinale oder an das Finale denkt, bevor man das erste Gruppenspiel gespielt hat, verfehlt man normalerweise schon das erste Spiel. Die Französinnen und Franzosen haben mir für fünf Jahre eine Aufgabe gegeben. Und ich werde sie bis zur letzten viertel Stunde erledigen. Zu einem Zeitpunkt wird sich die Frage nach meiner persönlichen Zukunft stellen. Und ich werde eine Antwort in aller Offenheit geben."
In welchem politischen Klima das sein wird, hängt vom Ergebnis der Regionalwahlen ab. Wie fallen die für den Rassemblement National aus? Und wie für die bürgerlich Rechten, für die diese lokalen Wahlen so etwas wie die Urabstimmung für einen Präsidentschaftskandidaten sein könnten. Der konservative Regionalpräsident der Region Hauts-de-France, Xavier Bertrand, will für den Elysée kandidieren, wenn er im Amt bestätigt wird. Auch der bürgerlichen Valérie Pécresse, Regionalpräsidentin der Île de France, werden bei einem Wahlerfolg Ambitionen auf die Präsidentschaft nachgesagt. Obwohl der Fokus auf der Rechten liegt, hat auch die Linke ihre Rolle bei dieser Wahl. Allein schon, weil auch sie zur Republikanischen Front gegen den Rassemblement National beitragen könnte, wenn sie ihre Listen für die Stichwahl zurückzieht. Für die Region Hauts-de-France, wo es die einzige gemeinsame Regional-Liste linker Parteien gibt, hält Politikwissenschaftler Tristan Haute das aber für wenig wahrscheinlich.
"Aus zwei Gründen. Erstens weil die Linke das 2015 gemacht hat und damit ihre lokalen Mandatsträger verloren hat. Zweitens ist die Bedrohung des Rassemblement National in Hauts-de-France viel schwächer als 2015. Damals gab es die Migrationskrise, es war ein Monat nach dem Attentat auf das Bataclan – eine Wahl also, die damals dem Front National in die Hände spielte – noch dazu mit der bekannten Marine Le Pen als Spitzenkandidatin. Jetzt sind wir in einer anderen Situation. Man sieht in den Umfragen, dass – selbst wenn die Linke sich im zweiten Wahlgang nicht zurückzieht – der konservative Xavier Bertrand bequem wiedergewählt würde. Vor allem, wenn ‚La République En Marche‘ keine zehn Prozent erreicht und von der Stichwahl ausgeschlossen wäre."
"Es sind nicht diejenigen mit den prekärsten Lebensumständen, die vor allem den RN wählen, sondern diejenigen, die am meisten von Unsicherheiten bedroht sind. Qualifizierte Arbeiter oder Angestellte, die sich von einer steigenden Arbeitslosigkeit bedroht fühlen oder von unsicheren Vertragsverhältnissen. Sie sorgen sich um ihre wirtschaftliche Situation, die relativ stabil ist, aber jeden Moment kippen kann."
Hinzu kommt, dass sich in der Region Hauts-de-France mit der nördlichen Hafenstadt Calais und der belgischen Grenze die Probleme der Migration besonders deutlich zeigen. Auch das ist ein Hauptthema der extrem Rechten. In Haute-de-France führt Sebastien Chenu die Liste des Rassemblement National an. In Umfragen liegt er in der ersten Wahlrunde nur knapp hinter dem amtierenden Regionalpräsidenten, dem konservativen Xavier Bertrand. Chenu ist kein Unbekannter. Früher gehörte der 48-Jährige bürgerlich-rechten Parteien an. 2005 war Chenu Mitarbeiter der damaligen konservativen Regierung. Er ist ein Beispiel für die Strategie des Rassemblement National bei dieser Regionalwahl, glaubt Tristan Haute von der Universität der Picardie.
"Man stellt Persönlichkeiten in den Vordergrund, die aus der parlamentarischen Rechten kommen: Sebastien Chenu oder Thierry Mariani in der Region Provence Alpes-Côte-d´Azur, der ein ehemaliger Minister in der Regierung des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy war. Der Rassemblement National will also wirklich die Mauer zur parlamentarischen Rechten einreißen, indem er Politiker nach vorn bringt, die einen konsensfähigen Eindruck machen und politische Debatten gewöhnt sind."
Zudem sind die Kandidaten des Rassemblement National in manchen Regionen mittlerweile gut verankert. Diese Verwurzelung fehlt Emmanuel Macrons Partei, LREM, sagt die Meinungsforscherin Adélaide Zulfikarpasic.
"‘La République En Marche‘ ist ein Mann, dem es gelungen ist, Wähler für eine Präsidentschaftswahl hinter sich zu sammeln. Aber es ist schwierig, das in eine Partei umzuwandeln und lokal zu verankern. Wenn Wähler sagen: Ich werde ‚La République En Marche‘ wählen, meinen sie oft Kandidaten, die wenig bekannt sind. Man nennt das eine Wahl auf Ticket. Die Leute wählen auf das Ticket ‚La République en Marche‘, was ein Synonym für Emmanuel Macron ist."
Um die Wählerinnen und Wähler auf sich aufmerksam zu machen, findet man auf manchen Listen der Regierungspartei neben den weitgehend unbekannten Spitzenkandidaten die Namen von Ministern. Auch der Präsident selbst reist gerade durch die Republik. Er wolle den Puls des Landes fühlen, sagt Emmanuel Macron über seine Gespräche mit Menschen auf den Straßen. Die politische Konkurrenz kritisiert, Macron breche politische Regeln: während der Kampagne zu lokalen Wahlen müsse er sich zurückhalten. Über Wahlen spricht Macron nur, als er in einem Interview zur Fußball-Europameisterschaft gefragt wird, wann er seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahl erkläre. Obwohl diese als sicher angenommen wird, hat der Amtsinhaber sie noch nicht offiziell verkündet und sagt dazu:
"Das ist wie bei einer Meisterschaft. Wenn man an das Halbfinale oder an das Finale denkt, bevor man das erste Gruppenspiel gespielt hat, verfehlt man normalerweise schon das erste Spiel. Die Französinnen und Franzosen haben mir für fünf Jahre eine Aufgabe gegeben. Und ich werde sie bis zur letzten viertel Stunde erledigen. Zu einem Zeitpunkt wird sich die Frage nach meiner persönlichen Zukunft stellen. Und ich werde eine Antwort in aller Offenheit geben."
In welchem politischen Klima das sein wird, hängt vom Ergebnis der Regionalwahlen ab. Wie fallen die für den Rassemblement National aus? Und wie für die bürgerlich Rechten, für die diese lokalen Wahlen so etwas wie die Urabstimmung für einen Präsidentschaftskandidaten sein könnten. Der konservative Regionalpräsident der Region Hauts-de-France, Xavier Bertrand, will für den Elysée kandidieren, wenn er im Amt bestätigt wird. Auch der bürgerlichen Valérie Pécresse, Regionalpräsidentin der Île de France, werden bei einem Wahlerfolg Ambitionen auf die Präsidentschaft nachgesagt. Obwohl der Fokus auf der Rechten liegt, hat auch die Linke ihre Rolle bei dieser Wahl. Allein schon, weil auch sie zur Republikanischen Front gegen den Rassemblement National beitragen könnte, wenn sie ihre Listen für die Stichwahl zurückzieht. Für die Region Hauts-de-France, wo es die einzige gemeinsame Regional-Liste linker Parteien gibt, hält Politikwissenschaftler Tristan Haute das aber für wenig wahrscheinlich.
"Aus zwei Gründen. Erstens weil die Linke das 2015 gemacht hat und damit ihre lokalen Mandatsträger verloren hat. Zweitens ist die Bedrohung des Rassemblement National in Hauts-de-France viel schwächer als 2015. Damals gab es die Migrationskrise, es war ein Monat nach dem Attentat auf das Bataclan – eine Wahl also, die damals dem Front National in die Hände spielte – noch dazu mit der bekannten Marine Le Pen als Spitzenkandidatin. Jetzt sind wir in einer anderen Situation. Man sieht in den Umfragen, dass – selbst wenn die Linke sich im zweiten Wahlgang nicht zurückzieht – der konservative Xavier Bertrand bequem wiedergewählt würde. Vor allem, wenn ‚La République En Marche‘ keine zehn Prozent erreicht und von der Stichwahl ausgeschlossen wäre."
Die gemeinsame linke Liste
In Hauts-de-France führt die grüne Europa-Abgeordnete Karima Delli die gemeinsame linke Liste an: darauf vertreten sind Grüne, Sozialisten, Kommunisten und das "Unbeugsame Frankreich" des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon. Umfragen sehen Delli mit etwa 20 Prozent an dritter Stelle hinter den bürgerlichen und den extrem Rechten. Nach einer Fernsehdebatte mit den anderen Kandidaten warb Delli für sich.
"Ich bin die einzige Kandidatin, die für ein innovatives Projekt steht. Für das Klima und für die Arbeit. Ein echter Bruch mit der politischen Klasse mit ihren Hintergedanken für die Präsidentschaftswahlen oder ihren politischen Spielen. Unsere Mannschaft ist nicht da, um sich zu bedienen, sondern den Einwohnern von Hauts-de-France zu dienen."
Delli verspricht, aus der Region im Norden eine Avantgarde der ökologischen Wende und der sozialen Gerechtigkeit zu machen – u.a. mit kostenlosem öffentlichen Regionalverkehr und stärkerer finanzieller Unterstützung junger Menschen. Die linke Union in Hauts-de-France sei jedoch keine Blaupause für die Landesebene, glaubt Tristan Haute von der Universität der Picardie.
"Man hat sie nur zustande gebracht, weil man die Linke in die Regionalräte zurückbringen will. Das Ziel ist nicht unbedingt, die Region zu gewinnen. Die beste Möglichkeit, wieder lokale Mandatsträger zu haben, ist es, sich geeint zu zeigen."
Anderswo geht es für linke Parteien durchaus um mehr. Die Grünen, die bei den Kommunalwahlen im letzten Jahr noch Erfolge feierten, hoffen sich als stärkste linke Kraft zu etablieren. Ihre wichtigsten Konkurrenten, die Sozialisten, haben in den letzten sechs Jahren fünf Regionen regiert. Zum Teil stehen ihre Chancen nicht schlecht, im Amt bestätigt zu werden. Auf Landesebene stürzte der "Parti Socialiste" bei der letzten Präsidentschafts- sowie Parlamentswahl dramatisch ab. Regional ist es anders, erklärt der Politologe Bruno Cautrès.
"Die Partei wurde abgestraft für die Präsidentschaft von Francois Hollande. Aber das bedeutet nicht, dass ihre lokalen Mandatsträger sanktioniert wurden. Die Sozialisten sind oft sehr gut vor Ort verwurzelt. Oft haben Départements traditionell starke linke Vertreter."
Auch wenn viele die Regional- und Département-Abstimmung schon als Testlauf für die Präsidentschaftswahl sehen – morgen wird sich zeigen, inwieweit lokale Themen wahlentscheidend sind.
"Ich bin die einzige Kandidatin, die für ein innovatives Projekt steht. Für das Klima und für die Arbeit. Ein echter Bruch mit der politischen Klasse mit ihren Hintergedanken für die Präsidentschaftswahlen oder ihren politischen Spielen. Unsere Mannschaft ist nicht da, um sich zu bedienen, sondern den Einwohnern von Hauts-de-France zu dienen."
Delli verspricht, aus der Region im Norden eine Avantgarde der ökologischen Wende und der sozialen Gerechtigkeit zu machen – u.a. mit kostenlosem öffentlichen Regionalverkehr und stärkerer finanzieller Unterstützung junger Menschen. Die linke Union in Hauts-de-France sei jedoch keine Blaupause für die Landesebene, glaubt Tristan Haute von der Universität der Picardie.
"Man hat sie nur zustande gebracht, weil man die Linke in die Regionalräte zurückbringen will. Das Ziel ist nicht unbedingt, die Region zu gewinnen. Die beste Möglichkeit, wieder lokale Mandatsträger zu haben, ist es, sich geeint zu zeigen."
Anderswo geht es für linke Parteien durchaus um mehr. Die Grünen, die bei den Kommunalwahlen im letzten Jahr noch Erfolge feierten, hoffen sich als stärkste linke Kraft zu etablieren. Ihre wichtigsten Konkurrenten, die Sozialisten, haben in den letzten sechs Jahren fünf Regionen regiert. Zum Teil stehen ihre Chancen nicht schlecht, im Amt bestätigt zu werden. Auf Landesebene stürzte der "Parti Socialiste" bei der letzten Präsidentschafts- sowie Parlamentswahl dramatisch ab. Regional ist es anders, erklärt der Politologe Bruno Cautrès.
"Die Partei wurde abgestraft für die Präsidentschaft von Francois Hollande. Aber das bedeutet nicht, dass ihre lokalen Mandatsträger sanktioniert wurden. Die Sozialisten sind oft sehr gut vor Ort verwurzelt. Oft haben Départements traditionell starke linke Vertreter."
Auch wenn viele die Regional- und Département-Abstimmung schon als Testlauf für die Präsidentschaftswahl sehen – morgen wird sich zeigen, inwieweit lokale Themen wahlentscheidend sind.