Donnerstag, 28. März 2024

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Regulierungen für Facebook und Co. gefordert
Stimmungswandel beim SXSW-Festival 2019

Die US-Demokraten haben beim SXSW-Festival in Texas in der Vergangenheit gerne den Schulterschluss mit Hightech-Unternehmen gesucht. Auf der diesjährigen Ausgabe hat sich die Stimmung deutlich geändert: Diskussionteilnehmer gaben Google und Youtube eine Mitschuld an der Radikalisierung junger Männer.

Sören Brinkmann im Gespräch mit Reporter Florian Schairer | 18.03.2019
Cyber Schloss Symbol auf einem Android Smartphone, im Hintergrund das Facebook Logo
Facebook und Big Data wurden auf dem SXSW-Festival 2019 deutlich kritischer gesehen als früher. (imago stock&people / Omar Marques)
Sören Brinkmann: Herr Schairer, Sie sind heute morgen wieder aus Austin zurückgekehrt. Was waren denn die wichtigsten Themen auf dieser Musik- und Technologiemesse?
Florian Schairer: Es war sehr spannend dieses Jahr. Es hat sich einiges getan, denn als ich vor fünf Jahren zum ersten Mal da war, wurde jede technische Neuerung begeistert beklatscht. Und wenn man gefragt hat, ist Big Data denn nicht auch gefährlich, war man gleich der Spielverderber. Das hat sich total geändert, denn bei den großen Versprechen - zum Beispiel bei Facebook: "Wir vernetzen die Welt friedlich" - ist leider die Cambridge Analytica, Russland- Affäre hinten raus gekommen. Und deshalb ist Facebook wirklich eine der unbeliebtesten Firmen dieses Jahr dort gewesen auf der SXSW. Oder auch Google: beim Panel zu Verschwörungstheorien und Hatespeech waren sich die vier Teilnehmer einig, dass die allermeisten Menschen durch Youtube, was ja zu Google gehört, radikalisiert werden. Ich habe dann mit Kelly Weill gesprochen. Sie arbeitet für die Online-Zeitung "The Daily Beast", und ihr Schwerpunkt sind Verschwörungstheorien und Rechtsextremismus.
Millionengeschäfte mit Verschwörungstheorien
Kelly Weill: Ich beobachte, dass viele Menschen, die rechtsextrem geworden sind - haben zunächst relative harmlose Videos geschaut, die zum Beispiel Feminismus kritisieren. Und der youtube Algorithmus empfiehlt ihnen dann immer extremere Videos. Am Anfang sind sie noch gar nicht voller Hass, aber anfällig für rechtes Gedankengut und dann konsumieren sie sehr viele Videos und Texte, die ihre Meinung immer weiter formen. Ich habe grade erst mit drei Aussteigern gesprochen, die mit Computerspiel-Videos angefangen haben. Das ist so ein Jungs-Ding wo oft blöde Witze über Frauen gemacht werden. Und dann sind sie über anti-feministische Videos in der rechtsextremen Ecke gelandet. Oft haben Menschen, die da reingezogen werden nicht so viele Kontakte in der echten Welt und suchen dann im Netz nach Menschen mit denen sie sprechen können. Das ist natürlich an und für sich total ok. Aber wenn sie dann in eine Community geraten, die für sich beansprucht die einzige Wahrheit zu kennen, dann kann man schon von Indoktrination sprechen.
Schairer: Was ich wirklich nicht wusste, ist, dass diese Verschwörungstheorien so ein Millionenbusiness sind. Jeder Klick auf Youtube bringt natürlich Geld. Aber es gibt auch ganze Webshows, wo stundenlang über total abstruse Theorien gesprochen wird, und die Zuschauer spenden dann auch Geld. Es gibt sogar Merchandise, Ohrringe, T-Shirts und solche Sachen. Bücher stehen auf der Verkaufsliste von Amazon ganz oben. Manche Sachen klingen erstmal lustig, Echsenmenschen oder so, aber wenn dann tatsächlich der eine Bruder den anderen umbringt, da gibt es gerade einen Fall, wo einer entsprechend angeklagt wurde, weil er dachte, das sein Bruder ein Echsenmensch wäre, dann wird das natürlich plötzlich total schrecklich. So schrecklich, wie wir es gerade in Neuseeland erlebt haben.
Internet-Plattformen in die Pflicht nehmen
Brinkmann: Was schlagen denn die Experten vor, was ist zu tun?
Schairer: Ich habe mit Charlie Warzel gesprochen, der für die New York Times arbeitet. Er sagt, dass er früher eigentlich alles falsch gemacht hat. Das Wichtigste bei diesen Leuten ist ja die Aufmerksamkeit, das heißt, wenn man sehr viel über diese Verschwörungstheorien berichtet, dann macht man das Schlimmste, was man machen kann: man gibt ihnen nocht mehr Aufmerksamkeit, was sie dann wiederum monetarisieren können. Er sagt, wir Journalisten müssen viel mehr über die Opfer und viel weniger über diese kruden Theorien sprechen. Natürlich sieht er auch die Plattformen in der Verantwortung. Die müssen diese Videos verbannen, so wie es ja auch mit dem IS passiert ist. Das ist praktisch nicht mehr da, und so muss es auch mit diesen rechten Videos passieren. Klar, dann werden die vielleicht irgendwoanders gezeigt, aber dort gibt es weniger Zuschauer und weniger Geld. Die Masse ist nun mal auf youtube.
Brinkmann: Nun weiß man um die Bedeutung des freien Marktes, auch der freien Meinungsäußerung, der Liberalismus wird hochgehalten in den USA. Wird es da wirklich zu Regulierungen kommen, wie ist Ihre Einschätzung?
Schairer: Das hat mich auch überrascht. Es sind immer gerne Politiker bei der SXSW, weil man sich dort einem jungen, liberalen Publikum gut präsentieren kann. Ich habe hier schon Barak Obama und Bernie Sanders gesehen. In diesem Jahr waren tatsächlich acht Präsidentschaftskandidaten und Kandidatinnen da, und einige sagen: Big-Tech, Facebook, das muss reguliert werden. Amy Klobuchar, eine der demokratischen Kandidatinnen hat gesagt, man müsste so eine Art Steuer auf private Daten einführen. Wer sie nutzt, muss dafür bezahlen. Und Elisabeth Warren, der doch recht große Chancen eingeräumt werden, hat gesagt, die großen Techfirmen sind Monopolisten, die zerschlagen werden müssen.
Monopole zerschlagen wie einst Teddy Roosevelt
Elisabeth Warren: Amazon verkauft nicht nur Kaffeemaschinen, sie sammeln auch eine unglaubliche Menge an Daten über ihre Kunden und können mit diesem Wissen, dann selbst Kaffeemaschinen herstellen, die alle Kundenwünsche erfüllt und der kleine Konkurrent ist raus aus dem Business. Sie haben die Daten und manipulieren den Markt indem ihre Produkte immer ganz oben stehen. Ich sehe das wie beim Baseball: Man kann nicht die Liga organisieren und gleichzeitig ein Team in der Liga besitzen. Solche Strukturen müssen zerschlagen werden, dann gibt es wieder einen echten Wettbewerb.
Schairer: Das war Elisabeth Warren, eine der Kandidatinnen. Das fand ich auch super, wie die mit diesen jungen Leuten, naja, so jung sind sie nicht mehr, aber wie sie mit diesen Leuten gesprochen hat, da möchte ich gerne mal einen deutschen Politiker sehen, der dazu auf der "re:publica" so einen Auftritt hinlegt.
Brinkmann: Ist das Wahlkampf-Getöse? Oder wirklich ernst zu nehmen?
Schairer: Das ist ganz interessant, weil Elisabeth Warren da in der amerikanischen Tradition argumentiert und sagt: Ende des 19. Jahrhunderts hatten wir die großen Monopole im Öl- und Stahlbereich, Carnegie und Rockefeller. Und Teddy Roosevelt hat mit seinen Anti-Trust-Gesetzen diese Monopole zerschlagen, damit wieder Wettbewerb entsteht. Und genau in dieser Tradition sagt sie, muss so etwas wie Amazon auch zerschlagen werden, damit es wieder Wettbewerb gibt. Also letzendlich eine sehr kapitalistische Argumentation, die glaube ich schon ziehen wird. Das hat sofort landesweit Schlagzeilen gemacht, das war in jeder News Show drinnen. Und ich denke, dass die Leute im Silicon Valley da doch ganz schön nervös werden. Aber man darf natürlich nicht vergessen: 80 Prozent der Wahlkampfspenden dieser großen Firmen, also Amazon, Facebook, Google, geht an die Demokraten. Das heißt, die müssen schon aufpassen, sonst haben sie am Ende vielleicht für ihren Wahlkampf kein Geld mehr.