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Der Schutz des Trinkwassers

Maude Barlow ist eine der weltweit führenden Aktivistinnen beim Wasserschutz. Mit dem Buch "Blaue Zukunft" hat sie nun einen weiteren Band über die globale Wasserkrise vorgelegt. Dabei blickt sie gar nicht so pessimistisch in die Zukunft.

Von Dagmar Röhrlich | 22.12.2014
    Eine Satellitenaufnahme des Mississippi-River-Deltas, Louisiana, USA
    Trinkwasser ist eine knappe Ressource (imago / UIG)
    Wie jedes andere Landlebewesen hängen auch die Milliarden Menschen von weniger als einem Prozent der gesamten Wasservorräte der Erde ab: Das erreichbare Süßwasser macht nur einen winzigen, aber alles entscheidenden Bruchteil aus. Schon heute geht in vielen Regionen der Welt das Trinkwasser zur Neige, schreibt Maude Barlow in "Blaue Zukunft". Es sterben mehr Menschen durch verseuchtes Wasser, als durch Krieg und Gewalt: Jahr für Jahr fordern Typhus, Cholera oder Ruhr 3,6 Millionen Tote. Und die Prognosen, sie sind düster: Schon die übernächste Generation werde sich einer ernsten Knappheit gegenüber sehen.
    "Inzwischen geht man davon aus, dass durch den Anstieg der Weltbevölkerung und den verstärkten Konsum in praktisch allen Ländern der Erde die weltweite Nachfrage nach Wasser das Angebot schon im Jahr 2030 um 40 Prozent übersteigen wird."
    Dann werde mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Gebieten leben, in denen weniger als die Hälfte des eigentlich benötigten Wassers zur Verfügung stehe. Wasser, das sei ein zutiefst politisches Thema:
    "Die zunehmende Kommerzialisierung erschwert den Zugang zu Wasser vor allem für jene, die kein Geld haben. Viele arme Länder sind von der Weltbank gedrängt worden, die Wasserversorgung vertraglich privaten, gewinnorientierten Unternehmen zu überlassen."
    Staaten und Investmentfonds kauften Land, um sich Wasser und landwirtschaftliche Nutzflächen zu sichern, schreibt die Autorin, die als UN-Chefberaterin für Wasserfragen tätig war.
    "Manche Länder versteigern ihre Wasserrechte sogar an internationale Bergbaukonzerne, die dann das Wasser besitzen, das zuvor allen gehörte. Und viele Länder etablieren Wassermärkte, in denen Wasserlizenzen gehortet und gehandelt werden, auch auf dem internationalen Markt."
    Maude Barlow: "In einer Welt, wo der Bedarf steigt und der Vorrat sinkt, wird Wasser in den Augen einiger eine sehr wertvolle Ware."
    Konkurrenz zwischen Durst und wirtschaftlichen Interessen
    Gedankenlosigkeit in Bezug auf Wasser
    Maude Barlow schreibt über die Konkurrenz, die besteht zwischen den durstigen Menschen und wirtschaftlichen Interessen: ob es nun um das Abfüllen von Mineralwasser geht oder die industrielle Nahrungsmittelproduktion, um die Förderung von Bodenschätzen oder die Stromerzeugung. Und sie schreibt über die Gedankenlosigkeit, die im 21. Jahrhundert in Bezug auf das Wasser herrscht. Die Schonung dieser Ressource werde selbst bei alternativen Energiequellen nicht unbedingt beachtet:
    "Manche große Solarwärmekraftwerke benötigen genauso viel Wasser wie die Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke, die sie ersetzen sollen, oder sogar noch mehr. Die beiden Kraftwerke, die gerade in der Mojave-Wüste entstehen, würden jährlich sechs Milliarden Liter Grundwasser benötigen."
    Dabei könnten sie auch mit Luft gekühlt werden und mit gebrauchtem Wasser, aber das erscheint den Investoren als zu teuer. Ein anderes Beispiel: Biotreibstoff.
    "In den Vereinigten Staaten benötigt man 1700 Liter Wasser für die Produktion eines einzigen Liters Mais-Ethanol."
    So kostet bis 2015 in den Vereinigten Staaten die Produktion von 60 Milliarden Liter Mais-Ethanol mehr Wasser, als der gesamte Bundesstaat Iowa im Jahr verbraucht.
    "Wir sehen, wie Seen und Flüsse und Grundwasserschichten verschwinden. Und ich habe keine Ahnung, wie sich die Leute vorstellen, dass wir sie ersetzen können. Wir haben noch keinen zweiten Planeten besiedelt. Und mit Meerwasserentsalzung werden wir niemals die Mengen an Süßwasser ersetzen, die wir verlieren. Glauben Sie mir, es gibt keine Technologie, die plötzlich übernimmt und alle Probleme löst."
    Hervorragende Erzählerin
    "Blaue Zukunft" ist das wohl umfassendste Buch dieser Trilogie über den Wassernotstand des Planeten: Ein Jahrzehnt an Forschung und politischer Diskussion sind eingeflossen. Barlow legt Wert darauf, dass ihre Bücher einerseits für jeden interessant sowie leicht und flüssig zu lesen sein sollen - und dass sie andererseits auch Experten eine wertvolle Materialsammlung bieten. Als hervorragende Erzählerin setzt sie dafür nüchterne Fakten in Bezug zu den Menschen, die mit Wasserknappheit leben. Dabei ist der Ton von "Blaue Zukunft" keineswegs pessimistisch. Unter anderem, weil sie und ihre Mitstreiter am 28. Juli 2010 einen wichtigen Etappensieg errungen haben:
    "Die Vereinten Nationen erkannten den Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht an. Ehrlich gesagt: Ich kann es immer noch kaum fassen, dass das passiert ist. Seit der Annahme der UN-Resolution gab es sogar schon einige Prozesse. Der Spannendste war der in Botswana, in dem die San, die Kalahari-Buschleute, die Deklaration nutzten, um ihre Wasserrechte zurückzubekommen. Denn nachdem Diamanten in der Wüste gefunden worden waren, hatte die Regierung die San umsiedeln lassen und ihre Wasserbohrlöcher zerstört. Das Gericht erkannte das Grundrecht der San auf Wasser an, und die Regierung musste die Bohrlöcher wieder öffnen."
    Plädoyer gegen die Wasserprivatisierung
    Die Autorin wendet sich in ihrem Buch vehement gehen die Privatisierung und Kommerzialisierung des Wassers. Die Lösung sieht sie darin, das Management dieser lebenswichtigen Ressource in den Kommunen selbst anzusiedeln. Und sie fordert, dass sich alle Politiker vor jeder Entscheidung fragen, ob - und wenn ja - welche Auswirkungen ihre Pläne auf das Wasser haben.
    Maude Barlow: "Blaue Zukunft. Das Recht auf Wasser und wie wir es schützen können", Übersetzung: Thomas Wollermann; Gabriele Gockel, Antje Kunstmann Verlag, 351 Seiten, Preis: 22,95 Euro, ISBN: 978-3-888-97975-0