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Cap-Anamur-Mitgründerin Neudeck
"Retter zu kriminalisieren, ist der Untergang des Abendlandes"

Es sei blamabel, dass heute Private die Seenotrettung übernehmen müssten, kritisierte Cap-Anamur-Mitgründerin Christel Neudeck gut 40 Jahre nach ihrer ersten Rettung von Bootsflüchtlingen. Zivilen Ungehorsam hält sie unter bestimmten Umständen für notwendig. "Man kann sich nicht immer an die Regeln halten", sagte sie im Dlf.

Christel Neudeck im Gespräch mit Stephanie Rohde |
Ankunft des Flüchtlingsschiffes Cap Anamur II am 5. September 1986 im Hamburger Hafen
Die Hilfsorganisation Cap Anamur rettete zwischen 1979 und 1987 nach eigenen Angaben 11.300 Menschen aus Seenot (picture alliance / radio tele nord / Peter Wuest)
Rund 11.300 Bootsflüchtlinge hat Cap Anamur nach eigenen Angaben gerettet. 40 Jahre später erinnert die Hilfsorganisation mit einem Festakt an ihre Gründung.
An der Feier in Köln nimmt auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Laschet teil. Cap Anamur wurde 1979 vom Ehepaar Rupert und Christel Neudeck sowie dem Schriftsteller Heinrich Böll gegründet. Die Organisation rettete Menschen, die vor der kommunistischen Herrschaft in Vietnam geflohen waren, im Südchinesischen Meer vor dem Ertrinken.
Christel Neudeck sagte im Dlf, aus heutiger Sicht seien sie verrückt und sehr naiv gewesen. Das hätten sie aber vielleicht auch sein müssen, um ein solches Projekt zu beginnen. Schon damals habe man in den Bundesländern für die Aufnahme der Geflüchteten kämpfen müssen, erläuterte Neudeck. Und sie hätten sich auch schon 1979 mit dem Vorwurf auseinandersetzen müssen, dass sie die Flucht der Menschen erst verursacht hätten.
"Manche Regeln sind einfach dämlich"
Wo es um die Rettung Ertrinkender geht, sprach sich Neudeck für zivilen Ungehorsam aus. Man könne sich nicht immer an Regeln halten. Manchmal müsse man die Ampel auf Grün stellen, wenn sie auf Rot stehe. Neudeck sagte, sie lasse sich lieber von Menschen beeindrucken, die etwas tun, statt von "Meckerern", die meistens nichts täten.
Die Cap-Anamur-Mitgründerin nannte es blamabel, dass derzeit wieder private Organisationen die Aufgabe der Seenotrettung übernehmen müssten und auch noch kriminalisiert würden. In der Bevölkerung sei die Zustimmung zur Aufnahme von Flüchtlingen ihrer Meinung nach aber aber immer noch hoch. Das sehe man auch daran, dass Cap Anamur die Projekte noch immer mit Spenden finanzieren könne.
Unterschiede zur Situation 1979 sieht Neudeck allerdings auch. So sei es bei den "Boat People" aus Vietnam um eine viel kleinere Anzahl Geflüchteter gegangen als heute. Zudem hätten diese keinen Asylantrag stellen müssen. Es sei klar gewesen, dass sie in Deutschland bleiben dürften.