Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Rettungsaktion für 'Mars-Maulwurf'
"Ich bin optimistisch, dass das funktionieren wird."

Anfang des Jahres setzte die Mars-Sonde 'Insight' einen Bohrer auf der Marsoberfläche aus, der sich dort fünf Meter in den Boden graben soll. Doch bereits nach 30 Zentimetern steckte der 'Mars-Maulwurf' fest. Nun versuchen seine Entwickler die Mission zu retten. Im DLF-Interview erklärt Prof. Tilman Spohn wie das gehen soll.

Prof. Tilman Spohn im Gespräch mit Ralf Krauter | 24.06.2019
Der Maulwurf genannte Schlagbohrer soll 2018 in die Marsoberfläche eindringen
Bis zu fünf Meter tief soll sich die Rammsonde mit dem Spitznahmen 'Mars-Maulwurf' in den Marsboden bohren. Doch nach etwa 30 Zentimetern war Schicht im Schacht. Nun versuchen die Entwickler vom DLR mit Kollegen von der NASA, die Mission zu retten. (DLR)
Ralf Krauter: Auf dem Mars hat am Wochenende eine spannende Rettungsaktion begonnen - und zwar für ein Stück Hightech aus Deutschland. Es geht um HP3, ein Messgerät, das der Roboterarm der NASA-Sonde Insight Anfang des Jahres auf dem Boden des roten Planeten abgestellt hat. Besser bekannt ist HP3 unter dem Namen Mars-Maulwurf. Denn es handelt sich um eine Rammsonde, die sich bis zu fünf Meter tief in den Mars-Boden hämmern soll, um rauszufinden, wie stark die Temperatur da unten zunimmt. Doch Ende Februar, kurz nach dem Start der Bohraktion, war nach 30 Zentimetern schon Schicht im Schacht: Der Mars-Maulwurf blieb stecken. Nach monatelanger Fehleranalyse versuchen Forscher um Professor Tilman Spohn, der die Rammsonde entwickelt hat, nun, sie wieder flott zu kriegen. Ich habe den Experten vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, vorhin gefragt, wie optimistisch er ist, dass der Mars-Maulwurf seine Mission doch noch erfüllen kann?
Tilman Spohn: Ich bin zunächst mal optimistisch, dass das funktionieren wird. Natürlich muss man dazusagen, dass die Chancen schwer zu bewerten sind. Wir haben drei Möglichkeiten, was da schief gegangen sein könnte. Erstens: Der Mars-Maulwurf könnte sich in dem Gestell verhakt haben. Aber das ist nicht sonderlich wahrscheinlich. Das zweite ist das, was am Unangenehmsten wäre: Dass sich in der Tiefe von etwa 35 Zentimetern ein Stein verbirgt, der groß genug ist, um den Weg des Maulwurfs zu blockieren. Das haben wir für relativ unwahrscheinlich gehalten, weil man die Wahrscheinlichkeit, dass da so ein großer Stein liegt, anhand der Größe der Steine, die man auf der Oberfläche sieht, abschätzen kann. Dennoch ist dieses Szenario nicht auszuschließen. Und drittens haben wir das Problem, das der Maulwurf sich sozusagen freigerüttelt haben könnte von dem Sand in seiner Umgebung. Er braucht aber die Reibung von diesem Sand, um den Rückschlag aufzufangen, den er bei jedem Schlag des Hammers nach unten auslöst. Und wenn diese Reibung nicht vorhanden ist, haben wir da ein Problem. Das ist aber auch ein Problem, wogegen wir etwas tun können. Das wollen wir jetzt machen. Deshalb haben wir diese Rettungsaktion gestartet.
"Wenn diese Reibung nicht vorhanden ist, haben wir ein Problem."
Wir wollen also jetzt eine Last auf der Oberfläche aufbringen, um den Druck auf den Maulwurf in der Tiefe zu erhöhen - und damit dann die Reibung auf seiner Oberfläche.
Krauter: Wie genau muss man sich das vorstellen?
Spohn: Sie müssen sich vorstellen: Der Maulwurf sieht aus wie ein großer Nagel. Der ist 40 Zentimeter lang, hat drei Zentimeter im Durchmesser und steckt jetzt also so 35 Zentimeter tief im Boden und hüpft da beim Schlagen halt leider auf und nieder, statt dass er nach vorne geht. Das ist unserer Hypothese zufolge der fehlenden Reibung geschuldet.
Krauter: Da fehlt eine Gegenkraft von außen. Und dieses Problem wollen Sie jetzt mit der Rettungsaktion, die am Samstag gestartet ist - in Kooperation mit den Kollegen von der NASA, die die Sonde 'Insight' betreiben - in den Griff bekommen, indem sie den Roboterarm von 'Insight' nutzen?
Spohn: Ja. Zunächst mal haben wir damit begonnen, die Haltestruktur, mit der der Maulwurf auf den Boden gesetzt worden ist, wegzuziehen. Er hat sich selbst aus dieser Haltestruktur nach unten bewegt, aber die sitzt immer noch über ihm und blockiert die Sicht auf den Maulwurf. Die heben wir jetzt also weg und können dann mit dem Roboterarm nahe an den Nagel sozusagen herankommen und in unmittelbarer Nähe auf den Boden drücken. Da er etwas schräg im Boden drin sitzt, können wir sogar direkt über dem Maulwurf auf den Boden drücken und damit eine Last auf ihn ausüben.
Der Roboterarm soll neben dem Maulwurf auf den Boden drücken
Krauter: Wie sind Sie vorgegangen, um sich diese Rettungsaktion zu überlegen? Das hat ja Monate gedauert.
Spohn: Ja, das hat lange gedauert. Das ist in der Raumfahrt so, weil man ist ja weit weg und man hat wertvolle Gerätschaften dort oben stehen. Deshalb werden alle Schritte intensiv diskutiert, geplant und auch vorher geübt. Wir haben eine Reihe von Modellrechnungen durchgeführt. Dann haben wir im Labor verschiedene Experimente gemacht. Wir haben ihn hämmern lassen in einem Loch drin, im normalen Zustand, wenn also Sand da ist. Wir sind dann zu dem Entschluss gekommen, dass wir diese Haltestruktur wegnehmen sollten. Das haben die NASA-Kollegen vom Jet Propulsion Lab in Pasadena intensiv geübt. Wir haben zwischendurch auch mal so genannte diagnostische Hammer-Sitzungen durchgeführt. Das heißt, wir haben ihn unter kontrollierten Bedingungen hämmern lassen und mit dem Seismometer, was auch auf der Mission drauf ist, zugehört, um seinen Zustand zu diagnostizieren. Das ist so ähnlich, wie wenn der Mediziner Ultraschall macht. Und seit einem Monat planen wir jetzt also diese Aktion, dass wir das jetzt versuchen wollen, weil das aus unserer Sicht das wahrscheinlichste Problem ist. Und auch weil es das einzige Problem ist, bei dem wir etwas tun können, um es zu beheben.
"Wir haben diagnostische Hammer-Sitzungen durchgeführt."
Krauter: Wenn tatsächlich ein großer Stein den Weg blockieren würde, könnten Sie letztlich nichts machen, weil die Hammerkraft nicht reicht, um da durch zu kommen?
Spohn: Ja.
Krauter: Was sind jetzt die kritischen Phasen bei der aktuellen Rettungsaktion und wie ist es bisher gelaufen?
Spohn: Wir haben jetzt den ersten Schritt gemacht. Weil wir befürchtet haben, dass das Kabel, das der Maulwurf hinter sich in die Tiefe ziehen sollte, sich in der Haltestruktur verfangen hat, sind wir nicht einfach hergegangen und haben gesagt: So jetzt heben wir das einfach weg. Sondern wir machen das in drei Stufen. Zunächst haben wir die Haltestruktur jetzt erstmal zehn Zentimeter angehoben. Wir schauen dann mit einer Fischaugenkamera, die auf dem Lander ist, flach über den Boden. Das ist jetzt am Samstag passiert und am Sonntag haben wir uns die ersten Bilder angeschaut. Und wir sehen da den 'Nagel' aus dem Boden rausgucken. Der ist also schön drin geblieben, hat sich nicht mit rausgezogen. Im nächsten Schritt werden wir die Haltestruktur nochmal 20 Zentimeter höher heben und gucken, ob dann alles in Ordnung ist. In einem dritten Schritt, der Ende der Woche erfolgen soll, werden wir sie dann tatsächlich wegnehmen und neben dem Lander auf den Boden stellen. Wenn das passiert ist, inspizieren wir den Maulwurf mit der Kamera, die auf dem Arm drauf ist und dann auch nah ran fahren kann - um zu sehen, ob da ein Trichter, ein Krater um ihn herum ist. Und werden dann die nächsten Schritte genau planen.
Krauter: Tilman Spohn war das, vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR. So gegen Mitte Juli sollte klar sein, ob die Rettungsaktion für den Mars-Maulwurf tatsächlich Erfolg hatte. Wir drücken natürlich die Daumen!