Donnerstag, 25. April 2024

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Richtungsstreit in der CDU
Gespalten in der AfD-Frage

Der Richtungsstreit innerhalb der CDU spielt sich auch auf Landesebene ab. Ein Knackpunkt in den Ost-Landesverbänden ist das Verhältnis zur AfD: Soll man mit den Rechten ein Bündnis schmieden oder sie doch lieber ächten und stattdessen ungeliebte Bündnisse mit SPD, Linken oder Grünen eingehen?

Von Christoph Richter | 22.11.2019
Ein abgerissenes Wahlplakat der CDU hängt an der Wand eines leerstehenden Hauses im Stadttreil Griesen. Auf den verbliebenen Fetzen sind noch der Parteiname und das Wort "Heimat" zu lesen.
Zerrupft: das derzeitige Erscheinungsbild der CDU in Sachsen-Anhalt (picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
"Richtig ist, dass die CDU um den richtigen Kompass ringt."
Sachsen-Anhalts CDU-Bildungsminister Marco Tullner steht im Landtag mit Blick auf den Magdeburger Dom. Die heile Weihnachts-Glitzerwelt auf dem Domplatz blinkt und leuchtet. Ein trügerisches Bild. Denn in der CDU herrscht Unruhe, Rat- und Orientierungslosigkeit.
"Also wir sind eine Volkspartei, deshalb haben wir immer verschiedene Strömungen. Aber: Es herrschte schon mal weniger Diskussion und mehr Konsens in der Union. Das muss man zugeben."
Kritik aus eigenen Reihen: "CDU inhaltlich insolvent"
Baden-Württembergs CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart beschrieb den Zustand der CDU vor wenigen Tagen als – Zitat – "inhaltlich insolvent". Mit derlei Worten kann sein Kollege Siegfried Borgwardt, der CDU-Fraktionschef im Magdeburger Landtag, wenig anfangen.
"Teile mehrere Einschätzungen vom Kollegen Reinhart nicht. Die auch nicht. Das habe ich ihm auch schon gesagt. Ich sitze ja gelegentlich in den 18er-Runden sonntags zu nächtlicher Zeit mit ihm und der Bundeskanzlerin zusammen. Ich teile auch die Meinung von Herrn Günther nicht, dass wir uns stärker auf die Linken konzentrieren sollten."
Streitfrage Annäherung an AfD
Nichtsdestotrotz: In Sachsen-Anhalt befinden sich die Christdemokraten weiter in Turbulenzen. Wohin die Reise geht, keiner weiß es genau. Ein sogenanntes Positionspapier der stellvertretenden sachsen-anhaltischen CDU-Fraktionsvorsitzenden wirkt bis heute nach.
Zur Erinnerung: Im Sommer ist ein CDU-Papier an die Öffentlichkeit gelangt. Für bundesweites Aufsehen hat die Formulierung gesorgt, dass es wieder gelingen müsse "das Soziale mit dem Nationalen" zu versöhnen. Und künftige Koalitionen mit der AfD dürften nicht ausgeschlossen werden.
"Grundsätzlich geht es darum, dass Profil der CDU wieder zu schärfen. Wir haben feststellen müssen, dass unser Profil in den letzten Jahren verloren gegangen ist. Dass die Leute nicht erkennen, wofür steht die CDU. Deshalb waren wir der Meinung, wir müssten eine Profilbestimmung vornehmen."
So der Quedlinburger Ulrich Thomas, einer der Verfasser der sogenannten Denkschrift.
Vom Tonfall sind so manche Mitglieder in der CDU Sachsen-Anhalts nachhaltig irritiert. Auch Antonia Fritsche. 32 Jahre alt, Designerin und Mitglied der Jungen Union.
"Über Formulierungen kann man sich immer streiten. Aber das ist eine Sprache - da finde ich keine Worte für."
Antonia Fritsche will eine jüngere, weiblichere, weltoffenere, ja modernere CDU. Mit der AfD, sagt sie, sieht sie da keine Schnittmengen.
Denkschrift-Verfasser Thomas: "Nicht mehr mein Generalsekretär"
Erst kürzlich hat Ulrich Thomas im Streit um eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD nachgelegt. Als Generalsekretär Paul Ziemiak kürzlich Gedankenspiele der Thüringer CDU einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD als "irre" bezeichnet hatte, ging der Vorsitzende der Harz-CDU erneut in den Attacken-Modus über und schrieb auf Twitter:
"Irre ist ein medizinischer Befund. Ist Paul Ziemiak Mediziner? Nicht mehr mein Generalsekretär."
Mit mir werde es keine Koalition mit der AfD geben, sagt dagegen das CDU-Mitglied und Ministerpräsident Reiner Haseloff. "Die CDU sollte da nicht wackeln", meint der Regierungschef. Ähnlich formuliert es der CDU-Landesvorsitzende und Innenminister Holger Stahlknecht. An der Basis werden diese Standpunkte allerdings nicht gleichermaßen geteilt. Eine CDU-Minderheitsregierung - toleriert durch die AfD – könne in Zukunft durchaus das Mittel der Wahl sein, hört man immer wieder.
"Also, man sollte aus meiner Sicht nie Grundsätzliches ausschließen. Weil man auch nicht weiß, wie die Entwicklung sich in der Zukunft gestaltet."
Sagt das Magdeburger CDU-Mitglied Stefan Hörold. Ähnlich sieht es der Bitterfelder Ingo Gondro. Er ist der Landeschef der Werte-Union in Sachsen-Anhalt und trägt gerne schwarz-rot-goldene Krawatten, das Handy-Klingeln ist die Nationalhymne.
"Ich meine, wenn man sich mal die Mühe machen würde und bestimmte Überlegungen anschaut, die die AfD anstellt, zu den Themen der Familie, der Flüchtlingsproblematik, dann wird man feststellen, dass das Themen sind, die auch Konservative in der CDU unterschreiben würden."
Zerrissenheit der CDU im Osten
Deutlich wird am Beispiel Sachsen-Anhalts, die CDU in Ostdeutschland ist zerrissen.
Mitgliederversammlung beim Ortsverband Magdeburg-Süd. Hier mahnen die Christdemokraten zu Gelassenheit. Zusammenarbeit mit der AfD? Nein, bitte nicht, sagt die 42-Jährige Julia Steinecke.
"Sicherlich gibt es Versuche des einen oder anderen in der CDU in Richtung AfD. Ich bin auf alle Fälle dagegen. Das funktioniert einfach nicht. Das geht nicht. Mit anderen Parteien, ja. Aber mit der AfD? Nee."