Mittwoch, 01. Mai 2024

Archiv

Risiko Geflügelpest
Freiland-Gänsehaltung steht auf dem Spiel

Gänse müssen unter dem Dach bleiben: Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld hat die Freilandhaltung untersagt – das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat es bestätigt. Das Risiko einer Geflügelpest sei zu hoch. Die Entscheidung könnte bundesweite Folgen haben und die Existenz vieler Gänsehalter gefährden.

Von Christoph Richter | 19.09.2018
    Gänse leben am 15.11.2016 im Ruhrgebiet (Nordrhein-Westfalen) nach der angeordneten Stallpflicht im Stall. In bestimmten Teilen Nordrhein-Westfalens gilt seit heute wegen der Vogelgrippe eine Stallpflicht für Geflügel.
    Ein Landwirt kämpft dafür, dass seine Gänse draußen sein können (dpa / picture alliance / Roland Weihrauch)
    "Wir haben die Wassertränken abgedacht, an die Futterautomaten kommen keine Wildvögel ran. Aber leider stoßen wir auf Granit."
    Mathias Mösenthin ist Landwirt in Deetz, einem Ortsteil von Zerbst bei Dessau. Und präsentiert einer Besuchergruppe seine Gänse. Sie schnattern fröhlich, grasen auf einem Feld und tummeln sich im Grün-Mais.
    "Damit sie ein gutes Leben haben. Gerade jetzt in der Sommerhitze haben sie da auch Schatten gefunden, da drunten ist es kühl. Ein wunderbarer Schutz, der für die Freiland-Gänse zur Verfügung steht."
    Prophylaktisches Verbot aus Angst vor Geflügelpest
    Doch damit dürfte es bald zu Ende sein. Denn der Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt hat der Mösenthin Gbr die Freilandhaltung untersagt. Die Begründung: Der Betrieb befinde sich in einem, wie es heißt "Einstandsgebiet für Wildvögel". Das heißt, das Risiko, dass Wildvögel die dort lebenden Gänse mit der Geflügelpest infizieren sei "wahrscheinlich". Nachzulesen in der Verfügung mit dem Aktenzeichen 39 61 26/01 – Ce. Im Klartext: Weil die Geflügelpest jeden Moment ausbrechen könnte, habe man prophylaktisch schon mal ein ganzjähriges Verbot der Freilandhaltung erlassen. Mösenthin ist erbost.
    "Kann man vergleichen, als ob der Straßenverkehr verboten wird, weil die Gefahr besteht, dass Unfälle passieren. Und mit dieser Herangehensweise sagt der Landkreis, wir verbieten ganzjährig die Freiland-Gänsehaltung, um so die Ausbreitung von Tierseuchen zu verhindern."
    Die Ausbreitung von Tierseuchen müsse verhindert werden, ganz klar sagt Mösenthin. Aber: "Was hier vonstattengeht ist, dass eine Geflügelhaltungsform ausgeschaltet wird. Das führt im nächsten Schritt zur Ausschaltung nicht nur der Gänsefreilandhaltung, sondern auch der Freiland-Legehennenhaltung und so weiter."
    Ende der Freiland-Geflügelhaltung in Deutschland?
    Landwirt Mösenthin soll seine sechs Hektar, also 60.000 Quadratmeter komplett überdachen. Damit könne man die Einschleppung der Geflügelpest verhindern.
    "Es ist aus baurechtlicher Sicht unrealisierbar, diese Flächen zu überdachen."
    Vom Landkreis Anhalt-Bitterfeld haben wir bis jetzt keine Reaktion erhalten. Lorenz Eskildsen, der Vorsitzende des Bundesverbandes Bäuerliche Gänsehaltung, kritisiert das harsche Vorgehen der Behörden.
    "Wenn die Fressflächen, die Felder in dem Maße überdacht werden müssen, dann wäre das das Ende der Freiland-Geflügelhaltung in Deutschland."
    Eskildsen ist auch Gänsewirt - in Wermsdorf bei Leipzig. Sein Betrieb liegt ebenso im Einzugsgebiet der Elbe, ähnlich wie im Fall des Landwirts Mösenthin. Nur: Dass Eskildsen keine Auflagen erfüllen, seine Fläche gegen Wildvögel nicht schützen muss.
    Friedrich-Loeffler-Institut rät bundesweit zur Vorsicht
    Die Geflügelpest-Verordnung müsse dringend überarbeitet werden, sagt Eskildsen noch. "Jeder Gänsehalter in Deutschland würde mit der aktuellen Verordnung in Konflikt geraten."
    Auf Nachfrage beim Friedrich-Loeffler-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, heißt es, die Geflügelpest sei zwar grundsätzlich deutschlandweit möglich. Aber es gebe keine Gebiete, also rote Zonen, wo jederzeit eine Infizierung möglich sei. Ein komplettes und bundesweites Verbot der Gänse-Freilandhaltung sei daher nicht nötig. Man solle lediglich Vorsicht walten lassen, so Kristin Schalkowski vom Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald. Dennoch hat das Oberverwaltungsgericht Magdeburg Anfang September den Widerspruch von Landwirt Mathias Mösenthin abgelehnt.
    "Das ist ein einmaliger Vorgang in Deutschland. Ich kenne keinen Gänsehalter, der über zwölf Monate im Jahr seine Fläche abdecken muss."
    Politik verweist auf zuständige Behörden
    Die grüne Landwirtschaftsministerin in Sachsen-Anhalt, Claudia Dalbert beziehungsweise deren Staatssekretär Klaus Rehda sind zu keinem Interview bereit. Man lässt lediglich schriftlich mitteilen, dass man die Freilandhaltung für "ganz wunderbar" halte, über die Haltung von Gänsen müsse die jeweils zuständige Behörde entscheiden. Eine Petition von Landwirt Mösenthin im Magdeburger Landtag hat auch keinen Erfolg gebracht. Den Fall dürfe man aber nicht aus den Augen verlieren, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Dietmar Krause, Mitglied im Magdeburger Landwirtschaftsausschuss.
    "Wir werden prüfen, ob eventuell vom Gesetzgeber her Konsequenzen eingefordert werden können, um die Freilandhaltung nicht weiter in Frage zu stellen."
    Eine Abdeckung der Haltungsflächen, wie sie der Landkreis Anhalt-Bitterfeld fordert, sei allerdings nicht nachvollziehbar, für einen Landwirt nicht leistbar, so Krause weiter.
    Jetzt hat sich eine Solidargemeinschaft von Gänse- und Geflügelhaltern gegründet, um Mösenthin bei seinen juristischen Schritten zu unterstützen. Aufgeben, dass wolle er nicht, sagt Mösenthin fast etwas trotzig, als das Mikrofon schon aus ist. Und ergänzt: Die Verfügung des Landkreises Anhalt-Bitterfeld setze seine Existenz aufs dem Spiel.