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Rohingya
Angst vor der Rückkehr

Myanmar und Bangladesch wollen in der kommenden Woche mit der Rückführung von Rohingya-Flüchtlingen beginnen, die in den Flüchtlingslagern in Süd-Bangladesch leben. Aber die Menschen dort wollen nicht zurück, zumindest nicht jetzt. Zu tief sitzen die Wunden, zu groß ist das Misstrauen.

Von Jürgen Webermann | 19.01.2018
    Kinder der muslimischen Rohingya im Thankhali Flüchtlingslager in Bangladesch
    Bangladesch ist mit der Versorgung der Flüchtlinge überfordert und drängt seit langem auf eine Rückkehr der Rohingya (AFP / Uz Zaman)
    Sie bauen auf. Neue Latrinen, kleine Schulen. In den Flüchtlingslagern in Süd-Bangladesch stellen sie sich darauf ein, erst einmal zu bleiben. Eine Rückkehr nach Myanmar? Sayadur, der beim Aufbau mithilft, sagt, er würde gerne zurück in sein Heimatdorf. Nur – vorstellen kann er sich das nicht.
    "Wenn wir dort nicht schon wieder gefoltert werden, dann würden wir zurück gehen. Aber ich glaube nicht, dass sich an der Lage dort etwas ändert. Ich erlebe die Unterdrückung seit 45 Jahren, seit ich ein kleines Kind war. "
    Die Bilder der Gewalt, sie sind noch zu präsent. Sayadur hat im Spätsommer einen Bruder und eine Schwester verloren, er sagt, sein Bruder sei erschossen worden und seine Schwester in der Hütte der Familie verbrannt.
    Fatema hat ihren Ehemann verloren. Als die Angreifer kamen, hätten sich Kinder und Frauen draußen in den Feldern versteckt. Ihren Mann habe sie später tot aufgefunden. Erschossen, sagt sie. Fatema hat drei kleine Kinder.
    "Wie können wir zurück in die Heimat gehen, wenn dort das Morden und Plündern weiter geht?"
    Fatema zieht vorerst das Leben im behelfsmäßigen Flüchtlingslager vor, in dem sie sich mit ein paar Holzlatten und einer Plane einen Unterstand an einem Hang gebaut hat – die Bedingungen sind katastrophal.
    Keine Zukunft in Bangladesch
    Aber Bangladesch will die Flüchtlinge schnell wieder los werden. Offiziell gibt das niemand zu, und Premierministerin Sheikh Hasina gibt sich hier auf Plakaten als Wohltäterin, wörtlich steht da, sie sei die "Mutter der Mitmenschlichkeit". Sogar ein paar Tränen hat sie bei einem Besuch in den Lagern verdrückt. Ihre Regierung prangerte die Vertreibung der Rohingya als Genozid an.
    Aber hat sich an der Lage der Rohingya in Myanmar wirklich etwas grundlegend geändert, so dass Bangladesch sie auch guten Gewissens zurück schicken kann? Vier bis fünf Großfamilien kommen nach Angaben lokaler Helfer immer noch täglich über den Grenzfluss, im Dezember waren es täglich bis zu tausend Menschen. Sie berichteten von Schlägen und Enteignungen.
    Bis zu einer Million Rohingya sind geflohen, die meisten im vergangenen Spätsommer. Mindestens 650.000 leben in den Lagern entlang des Grenzflusses zu Myanmar. Hilfsorganisationen können inzwischen eine notdürftige Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten gewährleisten, mehr nicht. Aber das sei immer noch besser als eine Rückkehr, sagt Abur Rahim, einer der Flüchtlinge.
    "Die Vereinten Nationen garantieren für unsere Sicherheit. Wir wollen in Myanmar als Bürgerinnen und Bürger anerkannt werden. Wir wollen unsere Häuser zurück haben, unseren Besitz. Wir wollen uns in Myanmar genauso frei bewegen können wie alle anderen Menschen auch."
    In dem Abkommen zwischen Bangladesch und Myanmar ist von alldem, was Abur Rahim fordert, keine Rede. Statt in ihre Dörfer zurückzukehren, sollen die Rohingya erst einmal in Auffanglager kommen. Offen ist auch, ob sie als Volksgruppe anerkannt werden. Das Abkommen geht auch nicht auf die wohl wichtigste Frage ein: Wer soll den Schutz der Menschen garantieren oder zumindest überwachen, ob sie auch menschenwürdig behandelt werden? Und so schaltete sich UN-Generalsekretär Antonio Guterres ein.
    "Wir glauben, dass die Vereinten Nationen in die Rückführung einbezogen werden müssen. Nur so können wir garantieren, dass internationale Standards eingehalten werden. Wir müssen sicherstellen, dass die Menschen freiwillig zurückkehren, dass sie in Sicherheit sein werden und nicht ihrer Würde beraubt werden. Dass sie in ihre Dörfer zurück dürfen. Das alles würde bedeuten, viel Geld zu investieren, um alles wieder aufzubauen, und viel Willen, um eine Versöhnung zu erreichen. Das Schlimmste wäre, die Menschen von einem Lager in Bangladesch in ein Lager in Myanmar zu verfrachten und sie dauerhaft daran zu hindern, wieder ein normales Leben zu führen."
    Rückführungen ab kommender Woche
    Die Unterhändler aus Bangladesch und Myanmar kennen diese Bedenken, sowohl UN-Vertreter als auch beispielsweise die US-Regierung haben sie schon mehrfach geäußert. Dennoch sieht der Zeitplan vor, schon in der kommenden Woche mit Rückführungen zu beginnen.
    Aber von Aufbruchsstimmung ist in den Flüchtlingslagern nichts zu spüren. Im Gegenteil: Helfer berichten – sobald das Mikrofon ausgeschaltet ist – von Furcht und Panik, vor allem bei Frauen, nachdem sie von den Rückführungsplänen erfahren haben. Auch für Noor Hussain, einem Geistlichen, ist eine erneute Bootsfahrt über den Grenzfluss, zurück nach Myanmar, zumindest derzeit ausgeschlossen.
    "Myanmar muss uns zusagen, dass wir für die Opfer, für die zerstörten Häuser und Felder, die Tiere, die man uns genommen hat, entschädigt werden. Dass wir in unsere Häuser zurück dürfen. Wir wären bereit, zurückzukehren. Aber nur, wenn wir auch als Rohingya anerkannt werden und Grundrechte erhalten.