Eine junge Truppe US-amerikanischer Ruderer, die aus dem nichts kam und 1936 in Berlin Olympia-Gold im Achter gewann. Darum geht es in dem Hollywoodfilm: “The Boys in the boat”:
„Jetzt richtig. Ein Schlag. Los geht’s. Und durch. Und durch“.
Der Historienfilm von Regisseur George Clooney wurde am Mittwoch dem deutschen Olympia-Team gezeigt – in Ratzeburg. In der Stadt, die wie keine andere für die deutsche Rudergeschichte steht, läuft gerade die UWV – die unmittelbare Wettkampfvorbereitung. Die Spiele können kommen:
„Die Vorfreude ist natürlich auf Paris. Die Aufregung ist auf jeden Fall da. Die steigert sich dann auch je näher wir dann rankommen. Natürlich steigt die Vorfreude. Wir freuen uns, dass es dann demnächst losgehen kann.“
Schon länger in einer schweren Krise
Doch klar ist auch: Weder die Vorfreude, der Hauch von Hollywood oder der Ratzeburger Pathos werden Wunderdinge bewirken können. Der deutsche Rudersport befindet sich nun schon länger in einer schweren Krise, das weiß auch Chef-Bundestrainerin Brigitte Bielig:
„Wenn man da zu so einem Event fährt, will man natürlich auch Medaillen mit nach Hause bringen. Aber wir sind noch nicht so weit. Da brauchen wir noch unsere Zeit, um das wirklich wieder zu realisieren“.
Keine Trainer mehr für die Ruderer in der zweiten Reihe
2012 in London war der deutsche Ruderverband noch in allen 14 Bootsklassen vertreten – jetzt sind es noch sieben – wie vor drei Jahren in Tokio. Dort hatte es dann mit nur zweimal Silber ein ernüchterndes Ergebnis gegeben. Die Fehler der Vergangenheit haben den Verband eingeholt:
„Ein Fehler war vielleicht in den letzten Jahren, dass diese zweite Reihe, diese Anschlusskader, ein bisschen stiefmütterlich behandelt worden sind. Weil dann keiner Trainer mehr Zeit für die hatte, die dann auch zu begleiten. Und dort auch die Leute weiterzuentwickeln“.
Längst den Anschluss an die Weltspitze verloren
Der deutsche Rudersport hat längst den Anschluss an die Weltspitze verloren – andere Nationen wie die Niederlande oder Rumänien sind mit Vollgas vorbeigerauscht. Und der Bremsklotz Corona hat sein übrigens getan, so DRV-Sportdirektor Mario Woldt:
"Wettkämpfe fielen weg, Möglichkeiten waren in der Form weniger gegeben, sich dann wieder - nicht nur - für die Olympiakader vorzubereiten, sondern auch für die Anschlußkader. Also ich kann jetzt nicht sagen, wir haben gänzlich alles verschlafen“.
Kritik am Vorgehen des Verbandes
Und trotzdem gibt es seit Jahren Kritik an der Führung des Verbands – von vielen Landesverbänden und Vereinen – aber vor allem auch von den Aktiven. Marc Weber ist so ein Beispiel. Der Hesse ist einer der besten deutschen Skuller, wollte sich aber nicht den Verbandsstrukturen unterordnen und in Norddeutschland trainieren. Ihm drohte dann der Verlust des Kaderstatus':
„Das fand ich damals keine gute Aktion, weil es eben darum ging: Geht nach Hamburg, macht nicht euren Doppelzweier in Hessen. Vielleicht hätte man da früher miteinander reden können, anstatt gleich so strikte Maßnahmen, sage ich mal zu ergreifen von Verbandsseite aus. Wir haben dann endlich irgendwann geredet, haben uns darauf geeinigt, versuchen mittlerweile den Weg auch gemeinsam mit dem Verband Hand in Hand zu gehen."
In Paris startet Marc Weber nun im Doppelzweier – das Boot hat zuletzt eine gute Entwicklung gezeigt. Und Sportdirektor Woldt – an dem sich viel Kritik festmacht – will sich auch nicht alles schlechtreden lassen:
"Wir sind auf einem guten Weg. Es hat sich durchaus was getan. Wir sind mit einer jungen Mannschaft gestartet in den Zyklus. Die individuelle Physis entwickelt sich weiter, die Leistung steigert sich, und in Summe sind wir innerhalb der Mannschaften gut zusammengewachsen.
Nur eine Gold-Hoffnung
Der deutsche Rudersport auf dem richtige Weg? Aktivensprecher Jonas Wiesen, der Steuermann des Deutschlandachters, sieht das so:
"Ich denke, da sind unsere sportlichen Leitungen in der richtigen Position das einzusortieren, also, dass überlasse ich ganz Sportdirektor und Cheftrainer."
"Na ja, Sie sind ja Athletensprecher. Da werden Sie ja eine Meinung zu haben?"
"Das ist richtig. Möchte ich trotzdem nicht hier an der Stelle diskutieren. Also es ist durchaus so, dass wir Dinge richtig machen und Dinge falsch, so wie das immer und überall passiert. Aber wir werden jetzt nicht hier einzelne Details diskutieren, was genau richtig und was genau falsch läuft."
"Ist es vielleicht jetzt einfach der falsche Zeitpunkt dafür?"
"Ja, ich denke, wir haben voll die Olympischen Spiele im Fokus, und deswegen werden wir uns auch darauf fokussieren."
Denn niemand will jetzt so kurz vor Olympia noch zusätzlichen Stress. Für Brigitte Bielig werden es die fünften Spiele sein – sie war vor knapp drei Jahren eher zufällig an den Posten der Chefbundestrainerin geraten – weil der eigentlich vorgesehene Kandidat überraschend zurückzog. Und würde sie heute den Job nochmal annehmen?
"Ich sage ganz ehrlich Nein, würde ich vielleicht mir noch mal überlegen. Aber ich würde jetzt an der Stelle mit den Erfahrungen wenn mich jemand fragen würde, wenn ich jünger wäre, würdest du das machen ? Würde ich ja sagen."
Oliver Zeidler im Männer-Einer ist in Paris der einzige deutsche Gold-Kandidat. Der Frauen-Doppelvierer ist auf jeden Fall auch für eine Medaille gut. Um an mehr Edelmetall zu glauben braucht man schon eine Menge Fantasie – doch um diese anzuregen, war das Anschauen des Hollywood-Films von Clooney vielleicht genau richtig.