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Rücktritt von Volker Beck
"Er ist ein Kraftzentrum bei den Grünen"

Der Drogenvorwurf gegen den Grünen-Politiker Volker Beck komme vor den drei Landtagswahlen in einem für die Partei fürchterlichen Moment, sagte Christoph Schwennicke, Chefredakteur des "Cicero", im Deutschlandfunk. Beck sei eine der zentralen Figuren in der Grünen-Bundestagsfraktion.

Christoph Schwennicke im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Christoph Schwennicke
    Christoph Schwennicke (picture alliance / ZB / Karlheinz Schindler)
    Tobias Armbrüster: Es war ein Paukenschlag gestern Nachmittag in Berlin. Volker Beck von den Grünen tritt von allen Fraktionsämtern in seiner Fraktion zurück. Zuvor war er am Dienstag in eine Polizeikontrolle geraten. Die Beamten hatten bei ihm eine kleine Menge Drogen gefunden. Um welche Substanz es genau geht, das ist derzeit noch nicht bekannt. Aber auf jeden Fall ist es ein Rücktritt, der viele Fragen aufwirft. Und ich habe darüber vor ungefähr zwei Stunden mit Christoph Schwennicke gesprochen, Chefredakteur und künftiger Herausgeber des politischen Magazins "Cicero".
    - Schönen guten Morgen, Herr Schwennicke.
    Christoph Schwennicke: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Schwennicke, Sie kennen den politischen Betrieb in Berlin. Drogenfund bei Volker Beck - wie überraschend ist das?
    Schwennicke: Wir müssen uns ein bisschen davor bewahren, von diesem Einzelfall aufs große Ganze zu schließen, zumal wir über diesen Einzelfall auch noch sehr wenig wissen. Trotzdem: Es gab einmal einen Büroleiter, Hauptstadtbüroleiter des "Spiegel", Jürgen Leinemann, der hat ein Buch geschrieben, das heißt "Höhenrauschen". Das handelt von Politik als Sucht, beschreibt diesen Betrieb in seiner Rasanz, auch in seiner Besinnungslosigkeit. Das heißt, Politik und Sucht, da besteht grundsätzlich ein Zusammenhang. Und der eine oder andere mag dann auch versucht sein, um da Entlastung zu finden, sich einer anderen Sucht hinzugeben. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten der Entspannung. Man könnte auch genauso gut Yoga machen, Angeln oder Joggen. Es ist nicht so, dass das zwangsläufig so sein muss, aber es gibt durchaus einen Zusammenhang zwischen Politik und Suchtverhalten.
    Armbrüster: Das heißt, Sie wollen uns hier so ein bisschen durch die Blume sagen, dass so etwas durchaus weiter verbreitet ist und möglicherweise auch in anderen Fraktionen zu finden ist?
    Schwennicke: Nehmen wir mal an, es würde sich wirklich herausstellen, dass es sich um Crystal Meth handelt. Noch ist das ja nicht bestätigt. Aber es gab ja vor nicht allzu langer Zeit schon einen Fall, wo ein SPD-Politiker, ein Abgeordneter Hartmann, auch mit Crystal Meth zu tun hatte. Da gibt es ja auch schon andere Fälle, die das erwiesen haben. Und es ist kein Wunder, würde ich sagen, dass es sich dabei eben um Drogen handelt, die aufputschen, die einen noch fünf Extrameilen gehen lassen, und nicht um Sedativa. Deswegen sage ich jetzt nicht, bestimmt werden jetzt noch fünf andere Bundestagsabgeordnete mit Crystal Meth oder solchen Drogen oder Kokain ertappt, aber klar: Wenn ein Betrieb so permanent ist, wenn ein Betrieb so rasant ist, dann liegt die Neigung nahe, sich diesen Substanzen hinzugeben.
    Armbrüster: Dann lassen Sie uns, Herr Schwennicke, über die Konsequenzen reden. Was bedeutet dieser Fall Volker Beck nun für die Grünen?
    Schwennicke: Er kommt natürlich in einem fürchterlichen Moment, denn es sind diese drei sehr wichtigen Landtagswahlen vor der Tür am 13. März. Und dabei geht es in Baden-Württemberg für die Grünen um den Erhalt der Macht, um den Erhalt des Postens des Ministerpräsidenten für Winfried Kretschmann. Aber ich würde nicht sagen, dass dieser Fall jetzt angetan ist, die Grünen da in Gänze zu schädigen. Helfen tut es allerdings sicher auch nicht.
    Armbrüster: Ist Volker Beck denn, meinen Sie, aus freien Stücken von seinen Fraktionsämtern zurückgetreten. Oder stand da auch der Druck der Partei und der Fraktion dahinter?
    Schwennicke: Rücktritt logischer Schritt
    Schwennicke: Ich glaube, das war ein logischer und konsequenter Schritt von ihm, den er unmittelbar danach tun musste. Sein Abgeordnetenmandat wird er ja jedenfalls vorläufig, vielleicht auch für den Verlauf dieser Legislatur einfach beibehalten. Aber da ging kein Weg dran vorbei, erst einmal da alle Stecker zu ziehen.
    Armbrüster: Wie beliebt ist er denn eigentlich bei den Grünen?
    Schwennicke: Es gibt keinen Abgeordneten, der so viele Pressemitteilungen am Tag verschickt
    Schwennicke: Na ja, er ist schon einer, der auffällt bei den Grünen. Es stimmt schon, was ich heute Morgen gelesen habe, dass er zusammen mit Claudia Roth das Moralapostel-Duo der Grünen bildet, sehr lange dabei auch und sehr intensiv in seiner Art. Es gibt keinen Abgeordneten, der so viele Pressemitteilungen am Tag verschickt wie Volker Beck. Er ist schon ein Kraftzentrum bei den Grünen, auch mit einer Tendenz, manchmal ein bisschen nerven zu können. Aber das ist eine der zentralen Figuren in der Grünen-Bundestagsfraktion.
    Armbrüster: Das heißt aber auch, da gibt es jetzt einige in der Partei und in der Fraktion, die sich seit gestern Abend die Hände reiben und sagen, endlich geht er?
    Schwennicke: Ja, ich weiß nicht. In Abwägung von Schaden und Nutzen würde ich sagen, wer sich da die Hände reibt, der denkt ein bisschen kurz. Aber klar, er ist schon jemand, der sich nicht nur Freunde geschaffen hat mit dieser Art. Er hat polarisiert und da wird der eine oder andere vielleicht auch nicht unglücklich sein. Noch mal: Unterm Strich sollte man sich aber im Klaren darüber sein, dass der Schaden wesentlich größer ist als der so empfundene Nutzen.
    Armbrüster: Ist die Karriere von Volker Beck jetzt beendet?
    Schwennicke: Beck ist auch ein Stehauf-Männchen
    Schwennicke: Schwer zu sagen. Er hatte ja vor Kurzem, ich glaube 2013, schon einmal einen Knick. Da ging es um Pädophilen-Äußerungen beziehungsweise Äußerungen, die in diese Richtung gedeutet wurden. Er ist allerdings eben auch ein Stehauf-Männchen und sehr energiegeladen. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er das schafft. Bei Herrn Hartmann, dem SPD-Politiker, den ich vorhin ansprach, ist es ja auch so, dass er sich rehabilitiert hat. Das ist nicht ausgeschlossen, dass Volker Beck auch weitermachen kann.
    Armbrüster: Ist es möglicherweise gerade bei den Grünen häufiger zu sehen, dass solche Comebacks auch nach solchen Skandalen durchaus möglich sind? Ist das vielleicht sogar etwas, was die Grünen auszeichnet als Partei?
    Schwennicke: Sie meinen auch Cem Özdemir, der mal seine Bundesmeilen-Affäre hatte, und andere Fälle. Gute Frage! Ja, möglicherweise ist es bei den Grünen gar leichter und greifen diese Mechanismen der Reinigung nicht automatisch. Aber das ist jetzt Spekulation.
    Armbrüster: Kommt das vielleicht bei grünen Wählern auch gar nicht so schlecht an?
    Schwennicke: Das ist schwer zu sagen. Ich würde jetzt nicht sagen, dass der Konsum von Crystal Meth, noch mal unterstellt, es handelt sich darum, jetzt wirklich eine Wahlempfehlung ist. Soweit würde ich nicht gehen. Aber natürlich ist eine Partei, die sich grundsätzlich eher dafür stark macht, dass der Konsum von Cannabis zum Beispiel legalisiert wird, dass da das jetzt vielleicht nicht ganz so schlimm ist, als wenn es bei der CSU passiert wäre.
    Armbrüster: Aus Berlin war das Christoph Schwennicke, Chefredakteur von "Cicero", künftig auch Herausgeber dieses politischen Magazins. Vielen Dank, Herr Schwennicke, für Ihre Zeit heute Morgen.
    Schwennicke: Schönen Tag, Herr Armbrüster. Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.