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Rüstungsexporte
Gabriel bleibt in Erklärungsnot

Noch immer sieht sich die Bundesregierung einer zurückhaltenden Rüstungsexportpolitik verpflichtet. Gleichzeitig weist der heute im Kabinett verabschiedete Bericht für das Jahr 2015 eine Verdoppelung des Umfangs der Ausfuhrgenehmigungen im Vergleich zum Vorjahr aus. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel argumentiert mit Zahlen, seine Kritiker interpretieren diese aber ganz anders.

Von Klaus Remme | 06.07.2016
    Ein ukrainischer Soldat in Lugansk neben einem Panzer. Er stapelt Patronen.
    Meldungen über Rüstungsexporte führen regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen Opposition und Bundesregierung. (Ivan Boberskyy, dpa)
    Deutschland hält mit der Genehmigung von Exporten im Wert von knapp acht Milliarden Euro weiterhin Platz drei der weltweiten Exportstatistik für Rüstungsgüter. Als Wirtschaftsminister ist Sigmar Gabriel für die Genehmigung der Exporte zuständig. Im Wahlkampf hatte Gabriel eine restriktivere Politik versprochen. Aus Sicht der Opposition ist Gabriel damit wortbrüchig. Unfassbar dreist, so das Urteil von Agnieszka Brugger. Sie ist sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Dem Deutschlandfunk sagte sie:
    "Er hält schöne Reden, aber de facto ist er dafür verantwortlich, dass im Bundessicherheitsrat solche schlimmen Deals wie das Panzergeschäft mit Katar durchgewunken werden, wo immer wieder Sicherheit, Frieden und Menschenrechte den Interessen der Rüstungsindustrie geopfert werden."
    Gabriel konzediert einen erheblich gestiegenen Gesamtumfang, macht aber Sondereffekte verantwortlich. Das Panzergeschäft mit Katar gehört dazu. Beschlossen wurde es von der Vorgängerregierung, der Deal war aus Sicht des SPD Vorsitzenden unumkehrbar. Brugger dazu:
    "Man kann zu jeder Zeit eine Genehmigung zurücknehmen. Das möchte Herr Gabriel nicht und dann soll er sich aber auch ehrlich hinstellen und sagen, wir lassen das Geschäft laufen, weil wir keinen Schadensersatz zahlen wollen."
    Jan van Aken von der Linksfraktion sieht es ähnlich. Er sagte im Morgenmagazin:
    "Wenn eine politische Situation sich verändert, wenn in einer Region plötzlich die Kriege eskalieren, glaube ich, hat man auch vor Gericht gute Chancen. Man muss es mal drauf ankommen lassen. Am Ende muss ich sagen, wenn es nur um Geld geht, dann lieber ein Schadensersatz zahlen, als dass mit deutschen Waffen getötet wird."
    Ein Milliardenauftrag für Tankflugzeuge, die für Großbritannien bestimmt sind, gehört zu den Posten, die aus Sicht Gabriels unbedenklich sind. So wie von Regierungsseite insgesamt unterstrichen wird, dass die Mehrheit der Genehmigungen für NATO und EU-Länder ausgesprochen wurde. Doch ein zweiter Blick hilft den Argumenten der Kritiker:
    "Was sie vergleichen müssen, sind die Werte. Also, wieviel Milliarden Euro waren das. Und da ist es genau andersrum. Fast zwei Drittel der genehmigten Exporte gingen in Staaten außerhalb der NATO , dabei heißt es eigentlich in den Regeln der Bundesregierung, das muss die absolute Ausnahme sein. Aber auch unter der SPD bleibt es eine Regel, dass eigentlich die Länder außerhalb der NATO beliefert werden."
    Selbst Gabriels Kritiker bescheinigen dem Wirtschaftsminister einen Erfolg bei der Reduzierung von Kleinwaffenausfuhren. Im Jahresvergleich nahmen diese Exporte um etwa ein Drittel ab. Aktuelle Zahlen über das erste Halbjahr 2016 deuten darauf hin, dass der Exportgesamtwert auf hohem Niveau stabil bleibt. Die Union stört das nicht im Geringsten. Hier Peter Ramsauer, CSU, der Vorsitzende im Wirtschaftsausschuss des Bundestages, heute Morgen im Deutschlandfunk:
    "Die Produkte der wehrtechnischen Industrie sind absolutes Weltspitzenniveau. Wenn Sie mich fragen, ob ich mich darüber freue, ja, darüber freue ich mich!"
    Erst gestern hatte Sigmar Gabriel das Parlament über positive beschiedene Genehmigungen des Bundessicherheitsrats informiert, dazu gehört ein Patrouillenboot für Saudi-Arabien, aufgrund von Menschenrechtsverletzungen stets ein politisch höchst umstrittenes Empfängerland. Was schwimmt, geht! – Dieser alte Grundsatz wird Hans-Dietrich Genscher zugeschrieben, er scheint noch immer zu gelten. Falsch, sagen die Kritiker, eskaliert beispielsweise der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran, sind deutsche Rüstungsgüter mittendrin.