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Rüstungsexporte in Kriegsgebiete
„Das wäre ein klarer Bruch der Koalitionsvereinbarung“

Union und SPD hatten vereinbart, dass sie keine Waffenexporte mehr in Länder genehmigen, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Nach Kritik europäischer Partner sollen jetzt wohl doch bestimmte Lieferungen möglich werden. SPD-Politikerin Hilde Mattheis forderte im Dlf die Einhaltung des Koalitionsvertrags.

Hilde Mattheis im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
Hilde Mattheis (SPD), Bundestagsabgeordnete, spricht währed einer Debatte im Plenarsaal des Deutschen Bundestages.
Hilde Mattheis (SPD) pocht auf den Koalitionsvertrag (picture alliance/Gregor Fischer/dpa)
Jörg Münchenberg: Es geht um die eigene Glaubwürdigkeit. Sprich: Waffen sollen nicht an Länder weitergegeben werden, die in Kriege verwickelt sind. Darauf pocht die SPD. Gleichzeitig geht es aber auch um die Verlässlichkeit Deutschlands als europäischer Partner. Denn weil Deutschland derzeit keine Rüstungsgüter mehr in Spannungsgebiete liefert, stehen auch einige europäische Gemeinschaftsprojekte auf der Kippe – sehr zum Unwillen Frankreichs und Großbritanniens, die deshalb auch schon in Berlin vorstellig geworden sind.
Kurz vor der Sendung habe ich darüber mit Hilde Mattheis von der SPD-Linken gesprochen und sie zunächst gefragt, ob sie denn Details über den angeblichen Kompromiss kennt.
Hilde Mattheis: Nein, ich kenne keine Details. Aber wenn dem so wäre, was auch ich jetzt mittlerweile mitbekommen habe, wäre das in meinen Augen ein klarer Bruch der Koalitionsvereinbarung. Da haben wir im Prinzip stehen, dass Rüstungsexporte an Länder, die unmittelbar mit dem Jemen-Krieg in Verbindung stehen, nicht genehmigt werden, und ich fände das schon höchst fragwürdig, wenn wir da in irgendeiner Weise Zugeständnisse machen würden.
"Woher kommt dieser Sinneswandel?" "Wenn ich das wüsste!"
Münchenberg: Es heißt jetzt, Exporte sollen für Gemeinschaftsprojekte zugelassen werden, bei denen der Anteil deutscher Bauteile je nach Gesamtvolumen zehn bis 20 Prozent nicht überschreitet. Ist das denn glaubhaft, wenn es eigentlich überhaupt keine Waffenexporte in Krisengebiete geben soll?
Mattheis: Auch da kann ich mich wieder auf den Koalitionsvertrag beziehen. Da steht geschrieben, wir wollen diese restriktive Exportpolitik mit Blick auf den Jemen auch mit unseren Partnern im Bereich der europäischen Gemeinschaftsprojekte verabreden. Das ist für mich ein klarer Auftrag, das auch gegenüber europäischen Partnern zu verteidigen, und von daher glaube ich, dass das nicht hilfreich ist, um die Zustimmung zu dieser Großen Koalition zu untermauern.
Münchenberg: Woher kommt dieser Sinneswandel?
Mattheis: Wenn ich das wüsste! – Wenn ich das wüsste! – Ich weiß es nicht.
Münchenberg: Aber haben Sie denn Verständnis für die Parteichefin Andrea Nahles, die ja vor wenigen Tagen noch erklärt hat, man dürfe auch auf die europäischen Partner keine Rücksicht nehmen?
Mattheis: Ich kann es nicht nachvollziehen und ich habe außer dieser Äußerung von Andrea Nahles, die ich sehr gerne unterstützt habe, nichts weiter gehört. Wenn jetzt ein Sinneswandel irgendwie eingetreten sein sollte, dann wäre das für mich schwer nachvollziehbar.
Ich hoffe immer noch, dass dem nicht so ist, weil ich glaube, dass da auch in der Fraktion eine sehr starke Gegenwehr auftreten wird. Bislang haben wir uns hinter diesem Punkt wirklich eindeutig versammeln können: Exportstopp für Waffen verlängern, und zwar um sechs Monate. Das war im Prinzip diese Vereinbarung, mit der wir wieder in unsere Wahlkreise gereist sind.
"Man muss sich auf die wenigen Punkte wenigstens verlassen können"
Münchenberg: Das heißt, Sie können sich schon vorstellen, dass die eigene Fraktion, dass die SPD-Fraktion das nicht mitträgt?
Mattheis: Ich will jetzt keinen meiner Kolleginnen und Kollegen vereinnahmen, aber ich für meinen Teil kann sagen, dass das nicht die Vereinbarung und die Äußerungen waren, mit denen ich letzte Woche konfrontiert war. Wenn sich das jetzt geändert haben sollte, wäre das für mich im Prinzip sehr wenig, nicht nachvollziehbar, so will ich sagen, und würde mich in meiner Haltung gegenüber der Großen Koalition noch mal verstärken.
Ich glaube, es ist einfach ein Punkt da, dass man sagen muss: Leute, man muss sich auf die wenigen Punkte, die wir in der Großen Koalition vereinbart haben, was mit uns nicht zu machen ist, wenigstens verlassen können.
Münchenberg: Aber beschädigt das dann nicht auch die Glaubwürdigkeit von Ihrer Parteichefin, von Andrea Nahles?
Mattheis: Ja, das finde ich schon.
"Ich will jetzt über Moral in der Rüstungspolitik nicht philosophieren"
Münchenberg: Die Frage ist trotzdem: Wieviel Moral in der Rüstungspolitik ist möglich? Wieviel Moral ist notwendig? Denn es gibt ja auch europäische Verpflichtungen Deutschlands gerade in der Rüstungspolitik.
Mattheis: Ja. Ich will jetzt über Moral in der Rüstungspolitik überhaupt nicht philosophieren, weil in meinen Augen gibt es da überhaupt keine Moral. Entweder ich beuge mich diesen internationalen Vereinbarungen, oder ich sage: friedenspolitische Maßnahme ist im Bereich der Abrüstung. Auf diesen Weg würde ich mich gerne begeben. Ich kann mich jetzt nur, sage ich mal, pragmatisch an das halten, was im Koalitionsvertrag steht, und da steht das drin, was ich vorhin schon vorgelesen habe, nämlich ein Stopp aller Waffenexporte an Länder, die für den Jemen-Krieg Verantwortung tragen. Von daher glaube ich, dass man sich wenigstens an solche Maßnahmen gebunden sehen muss und da nicht auch noch aufweichen darf.
"In der Tradition von Willy Brandt"
Münchenberg: Frau Mattheis, es gibt ja gemeinsame Projekte, gemeinsame Rüstungsprojekte in der EU, und es gibt auch sehr starke Proteste seitens Großbritanniens und Frankreichs, die ja diese gemeinsamen Projekte gefährdet sehen. Das kann doch der Europapartei SPD nicht gleichgültig sein.
Mattheis: Nein, das wird ihr auch nicht gleichgültig sein. Aber dann hätte man eine andere Vereinbarung in den Koalitionsvertrag schreiben müssen. Und ich glaube einfach, dass man sich in Europa auch auf eine Friedensmacht Europa konzentrieren muss. Da im Prinzip dafür einzutreten und zu sagen, hört zu, Krieg war noch nie ein Mittel, mit dem Konflikte gelöst worden sind, das ist doch ein Punkt, den man auch als Friedenskraft in Europa immer voranstellen muss. Da hat die SPD meines Erachtens schon eine Aufgabe, nicht nur in der Tradition von Willy Brandt, sondern in unserem allgemeinen Verständnis, wie man internationale Konflikte lösen kann.
Wenn jetzt in diesem Koalitionsvertrag wenigstens – wenigstens, ich sage das – an der Stelle diese konkrete Vereinbarung getroffen worden ist, dann muss man wenigstens an der Stelle diese Vereinbarung einhalten.
Münchenberg: Aber, Frau Mattheis, vielleicht war man sich ja gar nicht darüber im Klaren, was für eine Reaktion dieser Koalitionsvertrag in Großbritannien oder Frankreich auslösen könnte. Vielleicht war man sich gar nicht der Konsequenzen so bewusst.
Mattheis: Na das wäre schlimm, wenn man einen Koalitionsvertrag miteinander vereinbart, ohne zu wissen, was das für Folgen hat. Da bin ich doch dafür, dass man denen, die den Koalitionsvertrag gemacht haben, unterstellt, dass sie wissen, was sie tun.
Münchenberg: Aber würden Sie den Koalitionsvertrag über die europäische Verlässlichkeit stellen?
Mattheis: Ich würde mal sagen: Nachdem wir in dieser Koalition wirklich an der einen oder anderen Stelle massive inhaltliche Kontroversen haben, müssen wir wenigstens da, wo es verlässliche Aussagen gibt, diese Aussagen einhalten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.