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Rumänien
Jugend trotzt der Korruption

Krisenstimmung ist ein Zustand, den viele junge Rumänen nur zu gut kennen. Allerdings ist in den vergangenen Wochen ein anderes Gefühl hinzugekommen: Ihre Demonstrationen haben nämlich nach einem Brand in einem Klub sogar zum Rücktritt des Premierministers geführt - mit pfiffigen Aktionen gegen die Korruption im Land rütteln sie auf.

Von Karla Engelhard | 10.12.2015
    Feuerwehr und Polizei bei ihrem Einsatz an der Diskothek in Bukarest, Rumänien.
    27 Tote forderte der Brand in einer Diskothek, die anschließenden Protest führten zum Rücktritt von Viktor Ponta. (picture alliance / dpa / Robert Ghement)
    Elena Calistru leitet die "funky Citizens". Die Nichtregierungsorganisation will mündige Bürgerinnen und Bürger in Rumänien erziehen, mit flippigen bis ausgefallenen Ideen und Mitteln. Die zierliche, ganz in schwarz gekleidete Elena erklärt eins ihrer erfolgreichen Projekte – eine Internetplattform:
    "Sie heißt piatadespaga, Schmiergeldbörse, auf der Menschen anonym berichten können, wie viel Schmiergeld sie in ihrer Ortschaft für welche Dienstleistung bezahlt haben und ob sie mit der erbrachten Leistung zufrieden waren. Die Idee dahinter ist, durch das Veröffentlichen von Schmiergeldzahlungen die Tarife möglichst niedrig zu halten. Tatsächlich sind dort sehr viele Berichte aus der Schule veröffentlicht. Und ich denke, dass ist tatsächlich der erste Ort, an dem junge Rumäne mit Kleinkorruption Bekanntschaft machen."
    Landkarte mit Korruptionsfälle
    In einer Landkarte werden die Korruptionsfälle eingetragen. Ein Blick auf diese Korruptionslandkarte macht deutlich: Korruption gibt es in Rumänien überall und in allen gesellschaftlichen Bereichen. Anfang November starben 50 junge Menschen bei einem Rockkonzert in einer Kellerdiskothek in Bukarest. Bei einer Showeinlage fing die Bühnendekoration Feuer, für 400 flüchtende Menschen waren zu wenige Notausgänge vorhanden, Feuerlöscher fehlten. Korrupte Beamte hatten bei einer Kontrolle kurz vorher das nicht beanstandet.
    Aus der Trauer um die Toten wurde Wut. Korruption tötet, riefen hundertausende Menschen tagelang auf den Straßen. Darunter viele junge Leute zwischen 20 und 30, wie Elena, die auch dabei war:
    "Es ist eine neue Generation, die nicht mehr resigniert, sondern sich einmischt, nicht nur in Bukarest, sondern landesweit. Es ist keine Großstadtelite mehr. Von der Demokratisierung der Informationen im Internet profitieren alle und jeder kann reagieren."
    Dauerproteste führten zu Rücktritt von Viktor Ponta
    Die Dauerproteste zwangen Premier Viktor Ponta zum Rücktritt und Präsident Klaus Johannis lud Vertreter der Zivilgesellschaft an einen Tisch. Mit dabei Elena Calistru und Mihai Dragos vom Jugendrat Rumäniens, der 19 Jugend- und Studentenverbände vertritt:
    "Die politische Klasse ist bereits früher von unseren Protesten in Schrecken versetzt worden. Diesmal kam Trauer und Wut dazu, dass 50 Menschen sterben mussten, weil Verantwortliche korrupt sind. Die Proteste griffen mit großer Geschwindigkeit über Facebook um sich und es war von Anfang an spürbar, dass hier eine ganz starke und einheitliche öffentliche Meinung entstehen würde."
    "Die Schüler und Studentenverbände sind auf Facebook präsent, doch längst nicht mehr nur dort. Der Jugendrat Rumäniens von Mihai oder der Schülerrat nutzen die neuen Technologien voll aus, sind aber auch sehr viel offline unterwegs, nehmen aktiv und ziemlich erfolgreich an öffentlichen politischen Entscheidungsfindungen teil."
    Auf den Straßen in Rumänien ist es ruhig geworden. Eine vom Präsidenten eingesetzte Expertenregierung bereitet Parlamentswahlen für das kommende Jahr vor. Sie wird dabei unter anderem von Elena und Mihai kritisch beobachtet. Online wird jeder Schritt debattiert, denn es geht um ihre Zukunft und wenn es sein muss, gehen sie wieder auf die Straße.