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Russische Torfböden als Feuerfänger

Im Sommer 2010 brannten im Umland von Moskau ganze Landstriche. Vor allem ausgetrocknete Torfböden kokelten lange vor sich hin und entließen Unmengen Kohlendioxid in die Atmosphäre. Deutsche und russische Forscher haben nun ein Gemeinschaftsprojekt vorgestellt, das die Wiedervernässung der Ex-Moore zum Ziel hat.

Von Volker Mrasek | 28.06.2013
    Wie kann es sein, dass Torfböden in einem so großen Ausmaß abbrennen wie im Sommer 2010 in der Provinz Moskau? Tatiana Minayeva hat mit dieser Frage gerechnet. Man müsse sich von der Vorstellung trennen, Moore in Russland würden genauso bewirtschaftet wie in Deutschland, erklärt die Biologin von Wetlands International, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für den Schutz von Feuchtgebieten einsetzt:

    "Torf wird auf dem russischen Markt nicht mehr nachgefragt. Aus ihm wurde früher vor allem Kraftstoff gewonnen. Heute nutzt Russland dafür Gas und Öl. Allein in der Provinz Moskau hat man deshalb 65.000 Hektar bewirtschafteter und entwässerter Moore sich selbst überlassen. Das sind riesige Landstriche mit absolut trockenen organischen Böden, die leicht Feuer fangen. Es genügt schon, wenn jemand eine brennende Zigarette aus dem Autofenster schmeißt."

    In einem deutsch-russischen Gemeinschaftsprojekt wird nun damit begonnen, die ausgetrockneten Torfböden wieder zu vernässen.

    "Ein wassergesättigtes Moor kann nicht brennen."

    Die Landschaftsökologin Franziska Tanneberger von der Universität Greifswald. Die deutsche Hochschule ist einer der Partner im Projekt.

    Russland hat vor, Moore auf einer Gesamtfläche von über 40.000 Hektar zu renaturieren, um das Problem der Brände in den Griff zu bekommen. In drei Provinzen werden jetzt die ersten Konzepte umgesetzt.

    "Es geht natürlich erstmal darum zu zeigen, was man machen kann. Und dann zu hoffen, dass das auch weiter übernommen wird und in die Fläche ausgedehnt wird. Also, man kann mit diesen Projekten nicht sofort die gesamten Probleme der Moornutzung lösen. Aber man kann eben Beispiele geben und demonstrieren, wie es funktionieren kann."

    Ein Schema F, das auf jedes Moor passt, gibt es dabei nicht. Diese Erfahrung hat Franziska Tanneberger zuletzt im benachbarten Weißrußland gemacht. Dort wurden in den vergangenen Jahren über 30.000 Hektar Moor wiederhergestellt, ebenfalls mit fachlicher Begleitung durch die Universität Greifswald.

    "Moore sind etwas sehr Individuelles. Und es gibt weltweit sehr viele verschiedene Moortypen. Und es gibt zum Beispiel in Russland Moortypen, die wir gar nicht haben, so dass man auch immer einen sehr individuellen Ansatz eigentlich haben muss. Und es ist eben ganz entscheidend, dass man genau guckt. Wo hat das Moor eigentlich früher das Wasser herbekommen? Und was kann man davon eben wieder herstellen?"

    In der Moskauer Provinz herrschen Hochmoore vor. Sie werden durch Niederschläge gespeist. Das Ziel bei ihrer Renaturierung muss es also sein, das Regenwasser in der Fläche zu halten. Erst einmal geht es aber darum zu verhindern, dass die Moore durch Entwässerungsgräben noch weiter austrocknen. Das geschieht jetzt bei ersten Pilotprojekten, wie Tatiana Minayeva erläutert. Die Gräben wurden angelegt, als die Torfnutzung seinerzeit begann.

    "Zunächst einmal sind viele hydrologische und geologische Untersuchungen vor Ort erforderlich. Man muss wissen, wie trocken der verbliebene Torf tatsächlich ist. - wie viel Restwasser er noch enthält. Man muss überprüfen, ob vielleicht etwas aus benachbarten Mineralböden zufließt. Das alles simuliert man in einem hydrologischen Modell. Erst dann weiß man, wo man Dämme errichten muss, um die Entwässerungsgräben abzudichten. Und wie hoch sie sein müssen, damit sie das benötigte Wasservolumen auch wirklich im Moor halten."

    Es wird erwartet, dass die Sommer in den Feuchtgebieten noch heißer werden und die Verdunstungsraten noch höher. Deshalb ist es wichtig, sich auch in den anderen Jahreszeiten Gedanken über die Wasserversorgung der Moore zu machen.

    "Wir haben Winter mit sehr viel Schnee in diesen Gebieten. Das ist ein Vorteil. Im Frühjahr, wenn er schmilzt, können wir das Wasser für die Moore verwenden. Das muss aber gut durchdacht sein. Möglicherweise können wir den Schnee am besten nutzen, wenn wir ihn zu großen Haufen aufschütten."

    Der Schnee wird dann nicht wieder aus den Flächen geweht. Außerdem dauert es länger, bis er schmilzt, sodass die Moore dosierter mit dem Schmelzwasser versorgt werden.

    Durch die geplante Wiedervernässung der Moore nahe Moskau sinkt das Risiko für eine Feuersbrunst wie vor drei Jahren. Davon ist Franziska Tanneberger überzeugt:

    "Es wird immer mal wieder Brände geben können. Aber die Größenordnung dieser Brände, die kann auf jeden Fall vermindert werden. Stark. Sehr stark."