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Russlands neue Staatsduma
Neue Gesichter, alte Politik

In Russland konstituiert sich morgen das neue Parlament. Mehr als drei Viertel der Sitze gehen an die Kreml-Partei Einiges Russland, Oppositionelle sind nicht mehr in der Duma vertreten. Unter den Neulingen im Parlament sind auch einige schillernde Personen wie der designierte Vorsitzende Wjatscheslaw Wolodin.

Von Gesine Dornblüth | 04.10.2016
    Ein Mann in mittleren Jahren sitzt mit finsterem Blick auf einem Stuhl mit Goldlehne.
    Wjatscheslaw Wolodin, neu designierter Vorsitzender der Staatsduma, des russischen Parlaments. (imago / ITAR-TASS/Mikhail Metzel )
    Sie hat es vor dem Einzug in die Duma zum Internetstar gebracht: Natalja Poklonskaja, 36 Jahre, bisher Generalstaatsanwältin der Krim. Im März 2014, frisch im Amt, gab sie eine Pressekonferenz, wetterte gegen den Maidan in Kiew und sagte: "Krym nasch", "Die Krim gehört uns". Fans zeichneten ihr Bild im Manga-Stil, blonde Haare, Stupsnase, übergroße Augen. Eine bis dahin weitgehend unbekannte Band mit dem Namen Enjoykin mischte das Ganze zu einem Musikvideo. Es wurde binnen eines Tages mehr als eine Million Mal aufgerufen.
    Natalja Poklonskaja: "Die Krim gehört uns"
    In diesem Frühjahr nahm Poklonskaja dann noch selbst ein Video auf. Zum Tag des Sieges am 9. Mai sang sie mit Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft, Geheimdienstlern und Soldaten. Das schauten sich mehr als zwei Millionen Nutzer im Internet an.
    In der Duma wird Poklonskaja eine Kommission leiten, die die Einkünfte der Abgeordneten überprüft. Bei einem Treffen der Kandidaten von Einiges Russland mit Wladimir Putin kurz vor der Parlamentswahl ließ sie ihrer Bewunderung für den Präsidenten freien Lauf.
    "Ich übermittle Ihnen die Dankbarkeit aller Krimbewohner. Danke, dass wir Sie haben. Danke, dass Sie uns unsere Heimat zurückgegeben haben. Danke, dass wir auf Sie stolz sein können, auf den Präsidenten der Russischen Föderation. Eine tiefe Verbeugung."
    Vitalij Milonow: Sexuelle Minderheiten seien "pervers"
    Berühmt ist auch Vitalij Milonow, bisher Abgeordneter des Stadtparlaments in St. Petersburg. Er begann seine politische Laufbahn Anfang der 90er-Jahre bei den Demokraten, mittlerweile ist er Mitglied bei Einiges Russland und eine Hassfigur der Liberalen. Milonow hat Angehörige sexueller Minderheiten als "pervers" bezeichnet und vor fünf Jahren das Verbot sogenannter Schwulenpropaganda auf den Weg gebracht. Er sagte damals:
    "Natürlich werden die Vertreter der sogenannten LGBT-Gemeinschaft sofort behaupten, ihr Verhalten sei natürlich. Und natürlich werden sofort liberale Postulate angeführt werden, nach denen Menschen mit sexuellen Abweichungen gleiche Rechte haben wie traditionelle Familien."
    Das Gesetz wurde 2012 in St. Petersburg verabschiedet, ein Jahr darauf auf Landesebene von der Staatsduma. Milonow ist 42 Jahre alt. In St. Petersburg hat er vorgeschlagen, eine Sittenpolizei einzuführen, und er ist dagegen, die Lehre Darwins an Schulen zu unterrichten.
    Wjatscheslaw Wolodin: "Ohne Putin kein Russland"
    Für traditionelle Werte steht auch Wjatscheslaw Wolodin, designierter neuer Vorsitzender der Staatsduma. Wolodin, 52 Jahre alt, war bereits in den 2000er-Jahren in der Duma. 2011 wurde er stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung, nun zog er über die Liste von Einiges Russland wieder in die Duma ein. Präsident Putin hat ihn für das Amt des Duma-Vorsitzenden vorgeschlagen, die Partei hat der Nominierung geschlossen zugestimmt.
    Der bisherige Vorsitzende der Duma, Sergej Naryschkin, wechselt an die Spitze des Auslandsgeheimdienstes. Es heißt, Wjatscheslaw Wolodin habe für die populistische Wende in Putins Politik gesorgt, dafür, dass der Präsident seit einigen Jahren vermehrt traditionelle russische Werte anspricht, um einfache Bevölkerungsschichten zu erreichen. Wolodin war auch maßgeblich für das Dima-Jakowlew-Gesetz verantwortlich, das Ausländern verbietet, russische Kinder zu adoptieren. Ihm wird das Zitat zugeschrieben: "Solange es Putin gibt, gibt es Russland. Ohne Putin kein Russland." In den letzten Jahren blieb Wolodin medial im Hintergrund. Einige Kommentatoren sehen ihn als künftigen Premierminister oder sogar als potenziellen Nachfolger Wladimir Putins.