Archiv

Sanitäter
Helfen im Katastrophenfall

Erdbeben, Brückeneinsturz, Wirbelstürme – im Fall von Katastrophen greift das Konzept ziviler Medizin, nach dem ein Arzt einen individuellen Patienten behandelt, nicht mehr. Oft ist die Lage zu unübersichtlich. Eine Fachkonferenz suchte nun Wege für eine effizientere Hilfeleistung.

Von Mirko Smiljanic |
    Minneapolis, 1. August 2007, 18:04 Uhr. Über die Mississippi River Bridge zwischen Minneapolis und St. Paul fließt der tägliche Feierabendverkehr. Keine besonderen Vorkommnisse, bis ein leichtes Grollen die Katastrophe ankündigt. Um 18:05 Uhr passiert es dann: ein Teil der Mississippi River Bridge kollabiert.
    "Noch immer herrscht Verwirrung über die Zahl der Opfer, bis zu 30 Menschen, so befürchtet man, könnten beim Einsturz der Brücke über den Mississippi ums Leben gekommen sein. Wie ein Kartenhaus war die Brücke mitten im Berufsverkehr zusammengefallen, bis zu 100 Fahrzeuge hatten sich auf ihr befunden, viele stürzten 20 Meter tief in den Mississippi",
    berichtet eine Reporterin vom Hubschrauber aus. Eine Katastrophe! Keine ganz große, aber doch eine, bei der das Konzept ziviler Medizin – ein Arzt behandelt individuell einen Patienten – nicht mehr greift.
    "Bei der Katastrophen- oder Militärmedizin handelt es sich um einen Anfall von vielen Patienten, vom Grundsatz her auch in einer Region, wo wir nicht den Notarztwagen rufen können, wo wir eventuell einsam sind, einsam in der Wüste, eventuell einsam sind auf See, und deshalb aufgrund der anderen Voraussetzungen, die wir haben, personelle Voraussetzungen, technische Voraussetzungen, materielle Voraussetzungen andere Voraussetzungen haben, auch in der Behandlung der Patienten",
    sagt Dr. Christoph Büttner, ehemaliger Admiralsstabsarzt und jetziger Chefredakteur der Fachzeitschrift "Medical Corps Interntional Forum" mit Sitz in Bonn. Natürlich möchte auch die Katastrophenmedizin jeden Patienten retten, allerdings erfordere das andere organisatorische Mittel. Katastrophenmedizin sei in gewisser Weise eine Mangelmedizin, im ersten Moment fehle es an fast allem. Begegnen kann man dem Problem durch Vorsorge: Medizinisches Personal und medizinische Ausrüstung müssen permanent in ausreichender Menge einsatzfähig sein! Kommt es dann tatsächlich zu einer Katastrophe, greift in einem zweiten Schritt die sogenannte Triage, übersetzt heißt das etwa sortieren, sichten oder einteilen.
    "…wo ich sagen kann, wer braucht welche Hilfe vor dem Hintergrund der verfügbaren Ressourcen, und diese Ressourcen schließen natürlich auch das verfügbare medizinische Personal ein, sodass ich als Arzt bestimmte Maßnahmen festlegen kann, sodass die dann durch notfallmedizinisches Assistenzpersonal, Rettungsassistenten vor allem dann durchgeführt werden,…"
    …was, fährt Flottenarzt Dr. Andreas Dierich und stellvertretender Direktor des NATO-Centers für Militärmedizin in Budapest fort, immer auch eine ethisch höchst schwierige Aufgabe sei. Optimale Hilfe sofort und für jeden gebe es bei Katastrophen nicht. Dies gilt übrigens nicht nur bei großen Naturkatastrophen oder Kampfeinsätzen der Bundeswehr in Afghanistan, dies gilt auch schon bei vergleichsweise überschaubaren Autobahnunfällen mit mehreren Verletzten. An diesem Punkt sieht Christoph Büttner Berührungspunkte zwischen der Katastrophenmedizin und der zivilen Medizin, wobei die Zivilmedizin…
    "…methodische Dinge von der Militärmedizin übernimmt, nämlich die optimale Vorbereitung auf Katastropheneinsätze. Wir kooperieren ja auch schon in Deutschland, wenn bei der ICE-Trasse geübt wird, dann arbeitet die Bundeswehr sehr eng mit dem Katastrophenschutz zusammen und auch mit den zuständigen zivilen Kliniken, und das hat sich auch als sehr gut erwiesen."
    Handlungsbedarf gibt es aber auf einem anderen Feld: Katastrophen und Katastrophenhilfe sind zunehmend internationale Angelegenheiten. Die einzelnen Länder müssen sicherstellen, dass es von der Kommunikation bis zum technischen Equipment keine Reibungsverluste gibt.
    "Das schließt Personal, Material und vor allem Verfahren ein in so einer Ausnahmesituation, nur dann können Sie in dieser Situation automatisch diese Dinge auch abrufen, sodass also die Netzwerkbildung, die Kooperation auf diesen Ebenen ganz entscheidend ist, um so eine Ausnahmesituation auch beherrschen zu können."