Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Handball
SC Magdeburg erobert die Bundesliga im Sturm

Der SC Magdeburg ist zum zweiten Mal nach 2001 gesamtdeutscher Handballmeister. Mannschaften wie der THW Kiel oder die SG Flensburg-Handewitt konnten deutlich distanziert werden. Der Titel ist das Ergebnis einer langfristig angelegten Arbeit und einer Menge Geduld.

Von Sascha Staat | 02.06.2022
Die Handballer des SC Magdeburg freuen sich über den Gewinn der Deutschen Meisterschaft.
Die Handballer des SC Magdeburg freuen sich über den Gewinn der Deutschen Meisterschaft. (Imago / Jan Huebner)
Der These, dass der SC Magdeburg wohl die leidenschaftlichsten Fans und damit auch den emotionalsten Verein der Handball-Bundesliga stellt, würden sehr viele Beobachter sofort zustimmen. Nun stellt er auch den sportlich erfolgreichsten, zumindest in der aktuellen Spielzeit. Der Gewinn der deutschen Meisterschaft ist die Krönung einer fast perfekten Saison, die Bedeutung für die Menschen in und um die Stadt enorm.
Die Aussagen von Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt Anfang Mai im Deutschlandfunk untermauern das. „Für die Region sind wir ein identitätsstiftender Leuchtturm. Die Leute können sich daran orientieren und sollen an dem Erfolg auch teilhaben. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, der Region einen Push zu geben. Wenn wir einen Beitrag dazu leisten können, machen wir das gerne, das ist unsere Aufgabe.“

Der letzte nationale Titel lag 16 Jahre zurück

Einen essentiellen Beitrag für den sportlichen Höhenflug leistet Bennet Wiegert. Er ist in Magdeburg geboren und war als Spieler Teil der SCM-Mannschaft, die zu Beginn der 00er Jahre Meister und Champions-League-Sieger wurde. Als er im November 2015 kurzfristig den Trainerposten übernahm, war mit so einer Entwicklung aber nicht im Ansatz zu rechnen. Der letzte nationale Titel lag 16 Jahre zurück, der letzte internationale auch schon acht.
Dass Wiegert mit dem SCM im Frühjahr 2016 den DHB-Pokal gewann, war damals eher ein Zufallsprodukt. Es musste ein Umbruch her, der dem ein oder anderen Fan nicht sonderlich gut schmeckte. Denn der neue Coach hatte klare Vorstellungen: Verträge alteingesessener Stars wurden nicht verlängert und der Kader Wiegerts Idee vom Handball angepasst.
"In der Bundesliga musste er auch eine ganze Menge Rückschläge wegstecken. Mit eher kleinen und wendigen Spielern den klassischen Rückraum mit permanenten Würfen aus der Distanz abzulösen, wurde oft auch belächelt", erklärt René Miller, der den Verein als Reporter für die Magdeburger Volksstimme begleitet. "Aber er hat an seiner Vision und seiner Innovation festgehalten und der Erfolg gibt ihm jetzt total Recht."
Die Fans der Handballer des SC Magdeburg feiern den Gewinn der Deutschen Meisterschaft.
Die Fans der Handballer des SC Magdeburg feiern den Gewinn der Deutschen Meisterschaft. (dpa / picture alliance / Eckehard Schulz)

Erst über die Zeit reifte der Erfolg

Doch das nahm Zeit in Anspruch. Die erste Halbsaison mit Wiegert auf der Bank beendeten die Magdeburger auf Platz 8. Ein Jahr später, im Sommer 2017, erfolgte ein harter Schnitt. Der Trainer übernahm auch die Funktion des sportlichen Leiters.
Während die Kritiker von zu viel Kontrolle für einen Trainer mit nicht mal zwei Jahren Erfahrung als Coach in der Bundesliga sprachen, sahen andere darin eine Chance. Der SCM liegt Wiegert nämlich im Blut, nicht nur weil sein Vater Ingolf eine Klubikone ist. Der ältere Wiegert gewann sieben DDR-Meistertitel, zwei Mal den Europapokal der Landesmeister und wurde mit der DDR Olympiasieger. Der jüngere Wiegert lebt den Verein wie kein Zweiter, seine Leidenschaft ist unverkennbar.

Mosaiksteinchen in Puzzle gefügt

Für Lokaljournalist Miller ist das ein entscheidender Faktor. "Wiegert hat über Jahre hinweg ein Mosaiksteinchen nach dem anderen ins große Puzzle eingefügt. Seine Spielphilosophie mit schnellen Pässen geht komplett auf."
Daher kam mit der Zeit auch der Erfolg wieder zurück nach Magdeburg. Zunächst nicht in Form von Titeln, doch nach und nach kletterte das Team in der Tabelle nach oben. Denn Bennet Wiegert brachte nicht nur seine Leidenschaft mit ein, sondern dazu noch jede Menge Fleiß.
Früh warf er ein Auge auf die Stars von Morgen, die in sein System passten. Fündig wurde er vor allem in Dänemark und von dort lotste er mit Omar Ingi Magnusson unter anderem den amtierenden Torschützenkönig der Liga zum SCM.
Zuvor war Kritik im hitzigen Umfeld des Vereins keine Seltenheit. Dazu passen Aussagen von Wiegert aus dem Januar 2021. "Ich musste meine Mannschaft oft gegen ‚Das ist Zwergenhandball‘ und ‚Wiegert verpflichtet bloß die kleinen Spieler‘ verteidigen. Das wäre nicht erfolgsorientiert. Und dann gab es wieder Perioden wie modern das sei, man müsste sich an Magdeburg orientieren."

Eine Frage der Philosophie und des Geldes

Es sei eine Frage der Philosophie, betonte er. Und eine des Geldes. "Zum Schluss ist es auch eine Frage, was man sich ökonomisch leisten kann. Das muss man klar so formulieren. Dann baut man ein Gesamtkonzept zusammen. Aber da steckt ein Plan dahinter."
Ein Plan, der schnellen und attraktiven Handball vorsieht und die Leute begeistert. Mit Spielern, die perfekt in das System passen. Wie nachhaltig der Plan des SCM ist, wird sich schon in der nächsten Saison zeigen. Denn die Belastung in der Champions League ist eine ganz andere als momentan in der European League. Aber auch dafür wird Bennet Wiegert einen Plan haben. Und die Fans nach dem Gewinn der Meisterschaft mit Sicherheit auch mehr Geduld.